So schnell ich konnte rannte ich nach Hause. Meine Lehrerin hatte mich nach der Stunde noch aufgehalten, um mit mir über meine schlechte Mitarbeit zureden, weshalb ich den Bus verpasst hatte und nun zu spät heim kommen würde. Mein Vater hasste es, wenn ich nicht pünktlich war und ihm war es auch egal ob ich etwas dafürkonnte oder nicht. Außer Atem und leicht verschwitzt schloss ich mit zitternden Fingern unsere Haustür auf. Ich war 20 Minuten zu spät und hatte furchtbare Angst vor dem was jetzt auf mich zukommen würde. Im Haus war es mucksmäuschen still, doch als die Tür zufiel erschien mein Vater im Türrahmen und starrte mich böse an. "Wo warst du du dreckige Schlanpe!?", schrie er mich an. Ängstlich senkte ich meinen Kopf und bekam keinen Ton raus. "Antworte mir gefälligst du wertloses Stück Dreck!" Und schon spürte ich seine Faust in meinem Magen. Ich krümmte mich und schnappte nach Luft. Nochmals schlug er mich, nur diesmal auf den Rücken, sodass ich zu Boden fiel. Ich wimmerte, als ich hörte wie er seinen Gürtel öffnete, denn ich wusste was jetzt kam. Ich hörte ein Zischen und spürte kurz darauf einen höllischen Schmerz, als der Gürtel auf meinen Rücken traf. Ich schrie, doch er hörte nicht auf sondern schlug nur noch fester zu, während er mich unablässig beleidigte.
Schreiend wachte ich auf, merkte aber sofort, dass ich nicht allein im Zimmer war. "Schhh. Alles ist gut Ava. Du bist in Sicherheit. Hier kann dir nichts passieren.", versuchte Fynn mich zu beruhigen. "Bitte hör auf zu weinen Ava. Es ist alles gut. Ich bin für dich da hörst du?" Erst jetzt bemerkte ich die Tränen, die über mein Gesicht liefen. Mein Körper bebte förmlich durch die vielen Schluchzer. Fynn redete weiter beruhigend auf mich ein und strich dabei immer wieder kurz über meine Hand um zu zeigen, dass er für mich da war. Langsam beruhigte ich mich wieder und meine Tränen versiegten. "Danke", flüsterte ich. "Kein Problem Ava. Was hast du denn geträumt?" Schon wieder traten mir Tränen in die Augen, als ich an den Traum, oder besser gesagt die Erinnerung, zurück dachte, doch ich schaffte es sie zurück zu halten. "Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht willst, aber manchmal hilft es darüber zu reden." "Es war kein richtiger Traum. Ich hab mich an etwas erinnert. Ich bin zu spät nach Hause gekommen, weil mich meine Lehrerin aufgehalten hat und dann ist mein Vater ausgerastet und hat mich mit seinem Gürtel geschlagen." Vorsichtig wischte Fynn mir die nun wieder laufenden Tränen weg. "Es tut mir so leid, dass du das alles durchmachen musstest Ava, aber jetzt bist du sicher. Dieser Mann ist tot und wird dir nie wieder etwas antun können." Während er dies sagte drückte er sanft meine Hand und sah mich liebevoll an. "Versuch nochmal zu schlafen. Wir haben morgen Schule." Ich nickte und kuschelte mich wieder in meine Decke ein, doch als Fynn das Zimmer verlassen wollte hielt ich ihn auf. "Warte", flüsterte ich, "Kannst du hier bleiben bis ich eingeschlafen bin?" "Natürlich." Er kam zurück zu meinem Bett, setzte sich auf die Kante und nahm meine Hand in seine. "Schlaf gut Schwesterchen ich bin hier und pass auf dich auf." Und tatsächlich schlief ich nach ein paar Minuten ein, obwohl Fynn noch immer meine Hand hielt. Doch das machte nichts, denn ich wusste, dass ich ihmbvertrauen konnte.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Fynn nicht mehr da. Ich stand auf, machte mich fertig für die Schule und lief nach unten in die Küche, wo ich Fynn vorfand, der gerade Frühstück auf den Tisch stellte. Wir aßen schweigend die Pfannkuchen und machten uns dann auf den Weg in die Schule. Es herrschte angenehme Stille im Auto. Ich hatte so ein Gefühl, dass sich letzte Nacht etwas zwischen uns verändert hatte. Unsere Verbindung war stärker geworden und mein Vertrauen zu ihm um einiges gewachsen. Ich wusste nicht genau woran es lag, aber es war ein schönes Gefühl. Fynn war nicht mehr nur ein Junge mit dem ich mich verstand, sondern er war zu meinem Bruder geworden.
An der Schule angekommen liefen wir direkt ins Klassenzimmer, wo wir Kyle trafen. Wir setzten uns zu ihm und die Jungs begannen sofort über irgendein Footballspiel zu reden, während ich nur schweigend daneben saß und etwas auf meinen Block zeichnete. Ich fand, dass meine Zeichnungen ganz gut aussahen und zeichnete auch sehr gern, doch wegen der Situation zu Hause war ich fast nie dazugekommen. Ich dachte nicht wirklich darüber nach, sondern lies einfach den Stift über das Papier gleiten. Als dir Lehrerin kam schauten auch Fynn und Kyle mal wieder auf und Fynn entdeckte meine Zeichnung. Es waren zwei junge Menschen geworden. Ein Mädchen, dass von einem Jungen im Arm gehalten wurde, während es weinte. "Das ist wunderschön. Ich wusste gar nicht, dass du so gut malen kannst.", flüsterte Fynn mir zu und betrachtete das Bild dabei fasziniert. "Wow. Du bist echt talentiert. Sind das bestimmte Personen?", fragte mich Kyle, welcher auch meine Zeichnung anstarrte. "I-ich wei-weiß ni-nicht genau-au. I-ich ha-hab ge-gezei-zeichnet, o-ohne darü-rüber nach-nachzudenk-denken, a-aber ich-ich glau-glaube, da-dass ich Fy-fynn u-und mi-mi-mich ge-gezeichnet-net ha-hab.", erwiderte ich schüchtern, bevor ich mich auf den Unterricht konzentrierte.
In der Pause standen Fynn und ich so wie gestern draußen an der Schulmauer, nur das diesesmal Kyle bei uns war. "Erzähl mal was über dich Ava, ich kenn dich ja kaum.", forderte mich Kyle auf. "W-was wi-willst du-du d-denn wis-wissen?" Warum wollte er etwas über mich erfahren? Ich würde ihm auf jeden Fall nichts von meiner Vergangenheit erzählen, denn dazu vertraute ich ihm zu wenig. "Wie alt bist du?" "Sech-sechze-zehn." "Woher kommst du?" "Au-aus ei-einer k-k-kleinen Sta-stadt ca. 4-4 St-stunde-den v-von hier we-weg." Er stellte noch ein paar Fragen, wie was meine Lieblingsfarbe war, welche Hobbys ich hatte und so weiter. Alles nur oberflächliche Fragen, die ich leicht beantworten konnte, doch dann wollte er wissen, wieso ich hergezogen bin. Sofort versteifte ich mich, als ich mich an meinen Vater erinnerte. Tränen stiegen in meine Augen und ich begann leicht zu zittern. Fynn strich beruhigend über meinen Rücken, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte. "D-das ge-geht dich ni-ni-nichts a-an.", flüsterte ich und bemerkte, dass Kyle nachhaken wollte, aber die Klingel zum Ende der Pause rettete mich und ich huschte schnell ins Schulgebäude.
Die restlichen Schulstunden verliefen ereignislos. Kyle hatte zwar immer wieder versucht mit mir zu reden, doch ich konnte ihm zum Glück immer aus dem Weg gehen. Die zweite Pause hatte ich sogar im Mädchen Klo verbracht, aber ich wollte nicht über mein früheres Leben reden und mit Kyle erst recht nicht. Aber auf der Rückfahrt fragte ich mich, warum er unbedingt so viel über mich wissen wollte.
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Ava - My life with fear
Любовные романыSeit ihre Mutter vor zehn Jahren verschwunden ist wird Ava von ihrem drogenabhängigen Vater misshandelt und vergewaltigt. Sie lässt niemanden an sich ran, redet kaum und hat starke Berührungsängste. Doch als ihr Vater an einer Überdosis stirbt, muss...