Kyles Pov
Diese Kopfschmerzen würden mich heute noch umbringen. Ich hätte den letzten Drink gestern wohl doch lieber weglassen sollen. Müde machte ich mich fertig für die Schule und schlurfte nach unten in Die Küche, wo ich mir erstmal eine Aspirin einschmiss. Ich aß noch eine Kleinigkeit, schnappte mir meinen Rucksack und lief dann zu meinem Auto. Ich schmiss meine Tasche auf den Beifahrersitz und lies mich hinters Steuer fallen. Bevor ich losfuhr schaute ich noch schnell auf mein Handy und tatsächlich hatte ich eine Nachricht von Fynn bekommen: 'Hey Kyle könntest du Ava heute mit in die Schule nehmen und dort auf sie aufpassen? Ich habs gestern etwas übertrieben und komm heute nicht in die Schule.' Dass es ihm nicht gut ging war mir irgendwie schon klar gewesen. Wir waren gestern feiern gegangen und Fynn hatte ziemlich viel Alkohol zu sich genommen. Die ganze Sache mit Ava nahm ihn mehr mit als er zugeben wollte. Schnell schrieb ich ihm ein 'Klar mach ich.' zurück und fuhr dann los, um Ava abzuholen.
Während der Fahrt sah ich immer wieder kurz zu Ava rüber, welche tief in Gedanken versunken aus dem Fenster sah. Sie sah heute anders aus als am Samstag. Irgendwie erschöpft, traurig und verschlossen, nicht mehr so fröhlich und ausgelassen. War gestern etwas passiert? Sollte ich sie darauf ansprechen? Ich entschied mich dazu es erst mal nicht zu tun. Vielleicht war sie auch einfach nur müde. "Was habt ihr gestern eigentlich gemacht?", erschrocken zuckte ich zusammen, als Avas leise Stimme die Stille im Auto durchbrach. "Was?" "Ich wollte wissen, was ihr gestern gemacht habt, dass Fynn heute seit er heimgekommen ist über der Kloschlüssel hängt und du auch nicht gerade fit aussiehst?" "Naja... also...", druckste ich herum. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie schämte ich mich davor zuzugeben, dass wir uns gestern betrunken hatten. Neugierig und erwartungsvoll musterte sie mich aus ihren wunderschönen braunen Augen, die mich anzuziehen schienen. Stopp! Was dachte ich da eigentlich?! Ihre Augen waren nicht wunderschön, es waren einfach nur stinknormale braune Augen, die mich ganz sicher nicht anziehen. Ich musste gestern echt viel getrunken haben, wenn ich sogar jetzt noch die Nachwirkungen davon spürte. Sie war für mich nichts weiter als eine Wette und das würde sich auch nicht ändern. Und weil sie nichts weiter als eine Wette war, musste ich mich auch nicht schämen, nur weil ich gestern feiern war. "Wir waren gestern in einem Club und Fynn hat anscheinend zu viel getrunken." Ava nickte bloß und schaute dann wieder nachdenklich aus dem Fenster, bis wir schließlich die Schule erreichten.
Die Stunden bis zur Mittagspause zogen sich unendlich lang und heute war nicht mal Fynn da, um mit ihm zu reden und so der Langeweile zu entkommen. Mit Ava konnte ich nicht reden, denn erstens hatte sie heute anscheinend ihre Stimme verloren, so wenig wie sie sprach, und zweitens war sie immer, wenn ich zu ihr rüber sah, vollkommen in ihre Zeichnungen vertieft, an denen sie während des Unterrichts weiterarbeitete. Was sie malte war nur schwer zu erkennen, doch die Bilder sahen alle ziemlich düster und traurig aus, weshalb in mir wieder die Frage auf kam ob etwas bzw. was am Wochenende passiert war. Doch danach fragen tat ich nicht. Nach sechs Stunden hatten wir dann auch endlich mal Pause und gemeinsam setzten wir uns an einen Tisch in der Cafeteria. Wir holten uns etwas zu essen und mir fiel mal wieder auf wie klein Avas Portion eigentlich war. Hatte sie eine Essstörung? Aber dann würde sie doch eher gar nichts essen oder? Ich betrachtete sie (hoffentlich) unauffällig etwas genauer. Sie war schon echt dünn und kaute ewig bevor sie schluckte, aber am Samstag hatte sie doch noch ganz normal gegessen. Erst jetzt bemerkte ich ihre leicht geröteten Augen und entschied sie endlich darauf anzusprechen. "Ist alles okay bei dir?" "Ja natürlich. Was-was sollte denn sein?" Unsicher sah sie mir kurz in die Augen bevor sie den Blick schnell wieder abwandte. "Ich seh doch, dass es dir nicht gut geht Ava. Du kannst mit mir reden, wenn irgendwas ist. Ich werd es auch nicht weitererzählen. Nicht mal Fynn würde ich was sagen, wenn du das nicht willst. Versprochen." Sanft und vorsichtig griff ich nach ihrer Hand und musste lächeln, als sie sie nicht wegzog. Prüfend sah Ava mich lange Zeit an, bevor sie anscheinend einen Entschluss gefasst hatte. Leise, sodass ich sie kaum verstehen konnte, fing sie an zu reden: "Meine Vergangenheit ist nicht gerade schön oder einfach gewesen und hat, wie du ja schon bemerkt hast, ihre Spuren hinterlassen. Ich kann noch nicht darüber reden was passiert ist, aber gestern... Gestern ist mir alles wieder durch den Kopf gegangen und mir gings ziemlich scheiße." Am Ende traten Tränen in ihre Augen und sofort drückte ich ihre Hand leicht, um ihr zu zeigen, dass ich für sie da war, woraufhin sie mir ein kleines Lächeln schenkte. "Du musst mir nicht erzählrn was passiert ist. Aber wenn du über etwas reden willst kannst immer zu mir kommen." Ich freute mich darüber, dass sie mir genug vertraute um mir ihr Problem anzuvertrauen, aber trotzallem war ich auch geschockt. Was war in ihrer Vergangenheit geschehen, dass sie allein die Erinnerung daran so fertig machte?
Nach der letzten Stunde ging ich nach draußen und wartete an meinem Auto auf Ava, da wir die letzten beiden Stunden leider verschiedene Kurse hatten. Den Rest der Mittagspause hatten wir damit verbracht über belanglose Dinge zu reden und uns so besser kennen zu lernen. Mir kam es so vor, als würde sie mir nach dem Gespräch etwas mehr vertrauen und sich mir mehr öffnen. Trotzdem würde es noch ein langer Weg werden, bis sie mir gegenüber keine Zweifel mehr haben würde. Die Schüler, die an mir vorbei liefen, wurden immer weniger, aber Ava war immer noch nicht zu sehen. Wo blieb sie denn bloß? Am besten ich würde mal nachschauen, nicht das ihr noch was passiert war. Also machte ich mich auf den Weg zu dem Zimmer, in dem sie jetzt Unterricht gehabt hatte. Gerade als ich um die letzte Ecke biegen wollte konnte ich die Stimme von Ashley hören, die gerade jemanden anschrie: "Hatte ich dir nicht klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass du dich von meinen Jungs fernzuhalten hast?" Mich beschlich eine böse Vorahnung und tatsächlich war es Ava, die von Ashley und ihrem Gefolge an die Spindte gedrückt wurde. Verdammt!
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Ava - My life with fear
RomansaSeit ihre Mutter vor zehn Jahren verschwunden ist wird Ava von ihrem drogenabhängigen Vater misshandelt und vergewaltigt. Sie lässt niemanden an sich ran, redet kaum und hat starke Berührungsängste. Doch als ihr Vater an einer Überdosis stirbt, muss...