35. Kapitel

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Langsam löste Kyle sich wieder von mir und sah mir lächelnd in die Augen. Für einen kurzen Moment schien es, als wären wir alleine hier, doch dann wurden wir wieder zurück in die Wirklichkeit geholt, als Ashley wütend aufschrie. "Du kleines Miststück! Ich hasse dich!", rief sie beleidigt und stampfte am Ende wie ein bockiges Kleinkind mit dem Fuß auf den Boden, bevor sie sich umdrehte und davon stolzierte. Erst als Ashley die Cafeteria verlassen hatte fiel mir auf, dass alle uns anstarrten. Natürlich hatten sie unser Gespräch verfolgt. Hatten sie nichts Besseres zu tun? Die ganzen Blicke waren mir unangenehm und ich wollte nur hier weg. Zu viel Aufmerksamkeit konnte ich noch nie ausstehen, weshalb ich auch jetzt versuchte mich hinter meinen offenen Haaren zu verstecken. Da das natürlich nicht viel brachte, fragte ich Kyle und Fynn, ob wir nicht woanders hingehen könnten. Beide stimmten zu und weil es nicht mehr lange bis zur nächsten Stunde dauern würde, liefen wir gleich zu unserem Klassenzimmer.

Ich hatte auch die letzten Schulstunden überlebt, obwohl ich am liebsten schon vorher gegangen wäre, denn selbst während des Unterrichts redeten alle nicht gerade leise über den Vorfall in der Cafeteria und die neuesten Gerüchte. Doch jetzt hatte ich es geschafft und wollte mich gerade erleichtert ins Auto fallen lassen, als Kyle mich noch kurz aufhielt. "Ich wollte dich noch fragen, ob du morgen vielleicht nach der Schule mit zu mir kommen möchtest?", abwartend sah er mich an. Ich zögerte kurz, aber was sollte schon groß passieren. Kyle würde mir schließlich nie was antun. "Gerne.", antwortete ich also und lächelte ihn schüchtern an. Kyle erwiderte es und verabschiedete sich mit einem kurzen Kuss von mir, bevor ich zu Fynn ins Auto stieg und wir losfuhren.
Zu Hause angekommen wartete Mum schon an einem gedeckten Tisch auf uns. Verwundert blieb ich in der Tür zur Küche stehen und genoss kurz diesen ungewohnten Anblick und das Gefühl von Geborgenheit, dass mich dabei überkam. Bei meinem Vater musste ich immer für ihn kochen und darauf hoffen etwas von den Resten abzubekommen und hier waren Fynn und ich die letzten Wochen auch eher auf uns allein gestellt. Dass jemand für mich kochte war ungewohnt, aber es machte mich auch glücklich. Fynn und ich setzten uns zu Mum und fingen an zu essen. Sie hatte uns Apfelstrudel gemacht. Während des Essens fragte sie uns, wie es in der Schule war. "So wie immer. Ganz okay.", wich ich der Frage aus, denn ich sprach noch nie gern über meine Probleme und auch wenn mich die vielen Blicke nervös machten, gab es schlimmeres. "Und willst du mir jetzt vielleicht mehr über dich und Kyle erzählen? Wie ich mitgekriegt hab scheint es ja dein bester Freund zu sein, aber du warst bei dem Treffen gestern nicht mit dabei.", wollte meine Mum wissen und sah bei ihrem letzten Satz Fynn an, wandte sich dann aber wieder an mich. "Also?" Unsicher sah ich Fynn an, doch der nickte mir nur aufmunternd zu. "Kyle ist mein Freund.", murmelte ich leise und wurde leicht rot dabei. "Aww meine Tochter hat ihren ersten Freund.", quietschte meine Mutter und kam mir in diesem Moment er wie ein Teenager rüber als eine erwachsene Frau. "Lad ihn doch mal zum Abendessen ein.", meinte sie und zwinkerte mir dabei zu. "Mum, bitte.", stöhnte ich genervt aber auch peinlich berührt, während Fynn krampfhaft sein Lachen zu unterdrücken versuchte. "Haha wirklich sehr lustig. Aber wart ab bis du deine Freundin vorstellen sollst.", konterte ich. Sofort verstummte Fynn und sah mich so entsetzt an, dass ich diesmal diejenige war, die Lachen musste. Mum betrachtete uns nur lächelnd und murmelte etwas, dass sich nach "Wie echte Geschwister." anhörte. Und tatsächlich fühlte es sich in diesem Moment so an, als ob wir eine ganz normale Familie wären.

Am nächsten Tag wartete Kyle schon wieder am Schultor auf uns und begrüßte wie gestern Fynn mit einem Handschlag und mich mit einem kurzen Kuss, bevor wir das Gebäude betraten. Immer noch starrten uns alle an und tuschelten, wenn wir im Gang an ihnen vorbeiliefen, vor allem die Mädchen, aber Kyles Hand in meiner beruhigte mich etwas. Ich versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren, da wir bald Prüfungen hatten, aber vor allem in Geschichte fiel mir dies sehr schwer. Also holte ich meinen Zeichenblock hervor und begann zu malen, bevor ich noch einschlief. Ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf und am Ende der Stunde war das Bild fast fertig. Seit langer Zeit war es endlich mal wieder kein trauriges oder düsteres Bild, sondern zeigte ein lachendes Mädchen, dass zusammen mit einem Jungen auf einer Wiese die Sterne betrachtete.

Nachdem ich auch noch eine Doppelstunde Latein, was eine wahre Folter ist, hinter mich gebracht hatte, war der Schultag zum Glück vorbei. Freudig, aber auch etwas nervös verließ ich mit den Jungs das Schulgelände. Am Parkplatz angekommen verabschiedete ich mich von Fynn und stieg dann mit Kyle in sein Auto ein. Es dauerte nicht lange, bis wir bei ihm zu Hause ankamen, aber dort stand schon ein weiteres Auto in der Einfahrt. Hatte Kyle Besuch? Aber warum hatte er davon nichts gesagt? Ich würde jetzt doch sicher bloß stören. "Hast du Besuch? Soll ich dann lieber gehen und wir verschieben das Ganze? Ich will dich schließlich nicht stören." "Nein, das ist kein Besuch. Das Auto gehört meiner Mutter. Allerdings dachte ich, dass sie heute länger arbeitet und wir alleine wären. Ich hoffe es macht dir nichts aus, dass sie jetzt da ist?" Ich schüttelte einfach nur den Kopf. Irgendwann hätte ich sie ja sowieso kennengelernt, aber ich hätte mich dann gerne darauf eingestellt. Naja, ändern konnte ich es jetzt ja auch nicht mehr. "Und noch was Ava. Du wirst mich nie stören. Und mach dir keinen Kopf. Meine Mutter wird dich lieben." Diese Worte zauberten mir wieder ein Lächeln ins Gesicht und gaben mir auch den Mut auszusteigen und halbwegs selbstbewusst mit Kyle seine Wohnung zu betreten. Hoffentlich mochte seine Mutter mich wirklich.

Was gefällt euch an der Geschichte bisher am Besten? Woran kann/soll ich noch arbeiten?
Tut mir Leid, dass erst jetzt wieder ein Kapitel kommt, aber ich hatte ziemlich viel Stress und bin einfach nicht zum Schreiben gekommen. Hoffe euch hat das Kapitel gefallen.
Eure Lili

Ava - My life with fearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt