46| Die Wahrheit

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"Wir müssen nur gerade kurz weg." "Wie bitte?" Fassungslos starrte ich die Jungs vor mir an. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Jimin fuhr sich verlegen durch die Haare und sah mich entschuldigend an. "Ja... da ist noch etwas, was wir erledigen müssen, aber direkt danach können wir uns treffen, versprochen!", sagte er beinahe schon flehend. Ich seufzte. "Was müsst ihr denn so wichtiges erledigen? Müsst ihr das unbedingt jetzt machen?", fragte ich hoffnungsvoll, doch ihre Gesichtsausdrücke ließen meine Lächeln wieder erfrieren. "Das geht leider nicht...tut mir leid", sagte Jimin und trat noch einen Schritt auf mich zu doch ich wich zurück. Wenn er mich jetzt umarmen wollte, konnte ich ihm nicht mehr lange böse sein. Aber das sollte ich. Auf diesen Ausflug hatte ich mich schon so lange gefreut und meine anfängliche Vorfreude wechselte abrupt zu Entäuschung. Enttäuschung darüber, dass ihnen urplötzlich einfiel, dass sie noch etwas Wichtiges zu erledigen hatten. "Was müsst ihr denn machen?", fragte ich und hob mein Kinn etwas an. Wie erhofft erzielte ich den gewünschten Effekt. Die Jungs zogen allesamt ihre Köpfe ein. "Das-das können wir dir nicht sagen, Suji", übernahm Jungkook das Wort, doch meine Augen lagen auf Jimin. Dieser senkte schuldbewusst den Blick. Ich konnte nicht verhindern, dass es mich verletzte, dass sie mir nicht verrieten, was sie vorhatten, dabei  bin ich doch davon ausgegangen, dass wir uns gegenseitig vertauten.

Niedergeschlagen wendete ich ebenfalls den Blick ab und sah aus dem Fenster. Im Hafen zogen Möwen ihre Kreise, die Sonne strahlte und brachte das Wasser zum Glitzern. Ich hatte mich so auf diesen Tag gefreut und jetzt war meine Laune endgültig am Tiefpunkt angelangt. Schon am Morgen war ich so aufgeregt gewesen, dass ich nicht hatte stillsitzen können. Wir waren jetzt drei Tage an Bord gewesen, nur mit Wasser in Sichtweite und es war bitter nötig, dass wir wieder an Land traten. Es war erst sechs Uhr in der früh, als wir im Hafen Barcelonas anlegten und ich hatte mich gefreut den Tag mit den Jungs in dieser wundervollen Stadt zu verbringen. Doch jetzt wollten sie mir erzählen, dass sie urplötzlich noch etwas erledigen mussten? Ich seufzte ergeben, auch wenn ich enttäuscht war. "Also gut. Wenn ihr fertig seid, dann meldet euch einfach.", sagte ich und augenblicklich erhellten sich die Mienen der Jungs. Sie sahen mich dankbar an und Jimin umarmte mich stürmisch. Ich erwiederte die Umarmung vorsichtig. "Danke", flüsterte er in meine offenen Haare. "Ich weiß, dass du dich auf heute gefreut hast.", sagte er und ich versuchte leicht zu lächeln. "Ist schon gut.", versuchte ich überzeugend zu sagen, aber er sah mich weiter forschend an. "Deine Augen verraten dich. Du lügst und ich kann das absolut verstehen und..." Er atmete tief ein. "...und es tut mir wirklich leid.", sagte er zerknirscht und ein trauriges Lächeln umspielte meine Lippen. Wer konnte ihm schon lange böse sein?

"Also los beeilt euch, damit ihr schnell fertig werdet mit was auch immer.", sagte ich und lächelte, als sich die ganze Gruppe eilig in Bewegung setzte. Einzig und allein Jimin blieb zurück. "Danke", sagte er, zog mich zu sich und küsste mich sanft. Ich schlang meine Arme um ihn, als uns eine Stimme vom Gang unterbrach. "Jimin, komm endlich!" Grinsend lösten wir uns voneinander und ich konnte das Kichern nicht unterdrücken, als ich sah, wie Jimin mehr stolpernd als laufend, seine Sachen griff und aus der Tür hetzte.

Immer noch mit einem kleinen Lächeln im Gesicht packte ich ebenfalls meine Sachen zusammen und verließ schließlich das Schiff alleine. Ich hatte das Gefühl, dass heute mehr in dem Hafen los war als sonst. Ich sah vor allem Mädchen und Teenager, die irgendwie nicht ganz in die Situation passten so aufgekratzt wie sie waren. Vom Schiff konnten sie ja schon einmal nicht sein, denn da waren ja bekanntlich nur kleine Kinder, die sich im Spielparadies austobten, außer den Jungs nur wenige in meinem Alter. Ohne mir weiter Gedanken darüber zu machen ging ich an den ganzen Menschen vorbei in das Stadtinnere. Hier gab es wirklich viel zu sehen und wahrscheinlich war dieser Halt einer der Höhepunkte überhaupt. Wir blieben sogar für zwei Tage in dem Hafen liegen . Es war das erste Mal seit Langem, dass ich wieder in Barcelona war. Ich war nur einmal mit meiner Mutter hier gewesen, aber es war mir in guter Erinnerung geblieben. Meiner Mutter hätte es bestimmt auch gut hier gefallen. Vermutlich würde sie sich aber an unseren letzten Besuch gar nicht mehr erinnern. Der Gedanke , dass sie das ganze vielleicht schon längst vergessen hatte, stimmte mich traurig, aber ich schüttelte schnell den Kopf, um die Umgebung auf mich wirken zu lassen. Ich ging die Ramblas entlang und genoss die Sonnenstrahlen, die durch die grünen Blätter hindurchstrahlten. Das Rascheln der Blätter beruhigte mich dabei noch mehr und mir viel gar nicht auf, dass an den Seiten jeweils lange Schlangen an Autos vorbeifuhren. Alles wirkte so lebhaft. Die Menschen schoben sich über die Straße, blieben stehen, um sich an den Ständen umzusehen, redeten und lachten so ungezwungen miteinander, dass es mir selbst ein Lächeln aufs Gesicht trieb. Ich selbst blieb auch einige Male stehen, um mir sie Sachen, die hier verkauft wurden näher anzusehen. Später ging ich mehrere kleine Straßen und Gassen entlang. Hier war weniger los, als auf der berühmtesten Flanierstraße Barcelonas, so viel stand fest. Die Gebäude spendeten mir Schatten und die Stille umfing mich. Es war absolut idyllisch und ich sog die frische Luft ein. Sie roch auch noch weit in der Stadt nach dem Meer und ich musste deswegen lächeln.

Bon Voyage - cruise (BTS Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt