45| Zeitlos

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Die Zeit mit den Jungs an Bord verging wie im Flug. So kam es mir jedenfalls vor. Morgens wachten wir ganz früh auf und verbrachten den ganzen Tag zusammen. Abends setzten wir uns meistens noch in eine Bar, um den vergangenen Tag noch einmal auf uns wirken zu lassen. Kein Tag war wie der andere. Wir lachten wirklich sehr viel zusammen und ich verbrachte die schönste Zeit meines Lebens mit den sieben Personen, die ich so lieb gewonnen hatte. Es kam öfter vor, dass Jimin und ich in meiner Kabine oder auf dem Balkon saßen und die Sterne betrachteten und obwohl es meistens sehr kalt war, hätte es nicht perfekter sein können. Auch wenn wir irgendwann auf der Liege Arm in Arm einschliefen und dann am Morgen früh von den Sonnenstrahlen geweckt wurden, machte es uns nichts weiter aus. Wir verbrachten die restliche Zeit einfach noch unter der warmen Decke und hörten dem Rauschen der Wellen zu. Nach unserem Sieg bei der Talentshow waren wir entgegen der Wünsche der anderen sechs nicht mehr in eine Bar mitgekommen, sondern waren direkt ins Bett gefallen vor Erschöpfung. So wie ich dort in seinen Armen gelegen hatte, einfach seinem Herzschlag gelauscht hatte und dann langsam in den Schlaf gedriftet war, hätte ich nicht glücklicher sein können. Auch wenn es sich komisch anhörte, was es in meinen Ohren immer noch tat, in dem Moment auf diesem Schiff hatte ich das absolute Glück gefunden. Ein Glück, was nicht von langer Dauer sein sollte. Ein Glück, das schon in nächster Zeit sein Ende finden sollte. Das war eine Tatsache, die ich einfach noch nicht wahrhaben wollte und die ich bis dahin auch nicht akzeptieren konnte. Dafür war es noch zu früh und auch Jimin wollte sich darüber erst einmal keine Gedanken machen. Die Reise bewegte sich allerdings unaufhörlich auf ihr Ende zu und das bereitete mir immer mehr Sorgen. Über die Hälfte der drei Wochen war schon vergangen und ich stellte mir öfter als gewollt die Frage, was danach sein würde.

"Worüber denkst du nach?" Jimins Hand strich gedankenverloren durch meine Haare und ich seufzte. Ich hatte schon öfter versucht mit ihm genauer darüber zu reden, über unsere Zukunft und wie er sich eine Fernbeziehung vorgestellt hat, aber er reagierte immer etwas abweisend, wenn es um das Thema Zukunft ging. Machte er sich etwa Sorgen? Ich hätte ihm diese zumindest gerne genommen, aber wenn ich von dem Thema anfing, sagte er direkt immer das habe noch Zeit und ich beließ es dabei. Ich wollte eigentlich auch nicht darüber nachdenken, weil ich mir im Moment einfach nicht vorstellen konnte wie es war, wenn ich ihn nicht mehr sehen würde und das länger als nur ein paar Tage, sondern Wochen und Monate, im schlimmsten Fall sogar Jahre. Niemand von uns wusste, was die Zukunft uns bringen würde. Mein Blick glitt zu Jimin hoch und ich lächelte sanft. "Es ist  nichts, keine Sorge.", sagte ich, doch mein Gesichtsausdruck muss mich verraten haben. Er runzelte die Stirn. "Du hast über unsere Zukunft nachgedacht.", sagte er knapp. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, deswegen nickte ich nur verlegen. Er seufzte. "Ich weiß, du kannst dir das im Moment nicht vorstellen, aber glaub mir wir schaffen das!", sagte er zuversichtlich und ich setzte mich auf. Wir saßen auf dem Balkon und schauten uns wie so oft in letzter Zeit den Sonnenuntergang an. Die sechs anderen Jungs waren auf ihren Kabinen und hatten uns versprochen, dass sie uns die nächsten Stunden, wenn nicht sogar bis zum nächsten Morgen nicht stören würden. Natürlich hatten alle diesen komischen Blick aufgesetzt und uns  verschwörerisch zugezwinkert so oft sie konnten. Ich hatte sie so gut ignoriert wie ich konnte, weil ich wusste was diese Blicke bedeuten sollten, ich wurde aber trotzdem rot wie eine Tomate und auch Jimin schienen diese Blicke verlegen werden zu lassen.

Mein Blick lag auf ihm. "Ich weiß, dass wir das schaffen. Darüber mache ich mir auch keine Sorgen.", versicherte ich ihm. "Was ist es dann?" Seine Augen lagen treuherzig auf meinen und ich seufzte. "Ich stelle mir nur gerade vor, wie es ist, wenn ich dich so lange nicht mehr sehen werde, das ist alles. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie es ist so lange von dir getrennt zu sein.", gab ich zögernd zu.  Jimin zog mich wieder zu sich auf die Liege und schloss mich in eine Umarmung. "Mach dir darüber keine Sorgen, ich werde dich so oft besuchen kommen wie es geht." Ich biss mir auf die Lippe. "Aber Flüge sind teuer. Du wirst nicht so oft hin und her fliegen können. Du musst auch arbeiten." Bei diesen Worten verkrampfte er sich etwas, aber dann entspannte er sich wieder, als er meinen Blick  sah. "Mach dir darüber keine Sorgen.", sagte er wieder und küsste meine Stirn. Er drückte mich wieder fester an sich und ich kuschelte mich an ihn. Dieser Moment war zu kostbar um ihn weiter mit diesen Worten zu vermiesen und so lagen wir noch die nächste Stunde einfach so da und schauten in die Sterne und auf den Horizont. Von mir aus hätte es noch ewig so weiter gehen können. Es fühlte sich so an als wäre die Zeit extra für uns stehen geblieben. Alles was zurück blieb waren die sternklare Nacht, das ruhige Rauschen der Wellen, die Stille und wir beide, Jimin und ich. Es war absolut perfekt.

"Manchmal frage ich mich, was passiert wäre, wenn wir nicht auf dieser Kreuzfahrt zusammengefunden hätten. Was wäre, wenn ich dich nie kennen gelernt hätte?" Jimins Stimme drang aus dem Hintergrund zu mir durch. Ich schaute ihn verwundert an. "Wie kommst du denn jetzt darauf?", fragte ich und er zuckte einfach mit den Schultern. Er wartete auf eine Antwort. Ich überlegte eine Weile. Was wäre wenn? War es nicht eigenlich belanglos darüber nachzudenken? Wir lebten schließlich im Hier und Jetzt. Was passiert oder eben nicht passiert wäre, darauf hatten wir doch gar keinen Einfluss, oder? Auch was unsere Zukunft bereit hielt. Wer wusste das schon? "Ich denke wir hätten einfach unsere Leben weitergeführt. Und vielleicht wären wir uns einfach nie begegnet." Ich zuckte zusammen. Dieser Gedanke war wirklich nicht sehr schön. "Und was hättest du anstatt dessen gemacht?", fragte Jimin weiter und dieses Mal brauchte ich nicht lange zu überlegen. "Ich hätte so weiter gemacht wie bisher. Ich arbeite im Café und irgendwann wäre mir mein Traumprinz in die Arme gelaufen.", sagte ich und lachte. Jimin schob seine Unterlippe nach vorne und schmollte. "Ich bin ja wohl dein Traumprinz.", sagte er und ich kicherte. "Natürlich bist du das.", sagte ich und platzierte einen Kuss an seinen Mundwinkel. Daraufhin lächelte er zufrieden, wurde aber wenige Zeit später wieder ernst. "Das heißt du hättest dein Leben einfach so dem Zufall überlassen?" Jimin klang bedrückt. "Ich würde es nicht gleich Zufall nennen. Ich hätte einfach gewartet, bis sich alles zusammenfügt. Niemand hat sein Leben so unter Kontrolle.", sagte ich und zuckte mit den Schultern. Jimin schüttelte bestimmt den Kopf. "Jeder hat sein Leben selbst in der Hand. Ich weiß nicht, warum man dann nicht dafür kämpfen sollte, was einem wichtig ist. Wenn man etwas haben will, dann sollte man alles dafür tun, dass es auch passiert." Seine Worte ließen einen Schauer über meinen Rücken laufen. Irgendwie hatte er recht, nur hatte ich nie etwas gefunden, was ich wirklich wollte zumindest nicht in meinem beruflichen Leben. Ich war vollkommen zufrieden mit meiner Arbeit in dem Café. Alles was ich dann noch brauchte zum glücklich werden war meine Familie und Jimin. Ich schaute Jimin liebevoll an. "Ich lasse einfach alles auf mich zukommen und übe mich währenddessen in Geduld. Wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende. Und wenn es einmal bergab geht, geht es irgendwann auch wieder bergauf. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich am Ende alles so zusammenfügt wie es sein soll und das heißt auch, dass wir uns früher oder später begegnet wären." Jimin drückte mich etwas näher an sich und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. "Ich bin froh, dass ich dich habe." Als Antwort küsste ich ihn wieder kurz. Mein Lächeln zog sich über mein ganzes Gesicht. Jetzt in diesem Moment war alles richtig. Es fühlte sich so an als könnte es ewig so weitergehen. Als wäre das Leben gerade in diesem Augenblick zeitlos geworden.

Bon Voyage - cruise (BTS Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt