19| Flucht

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"Einfach wunderschön." Jimin neben mir schaute mir tief in die Augen. Es war wieder so, als würde er mir in meine Seele schauen und mich durchfuhr ein Schauer. Was tat er nur, dass er so eine Wirkung auf mich hatte? Ich hob meinen Blick wieder gen Himmel und lächelte. "Ja, der Himmel ist heute wirklich wunderschön. So viele Sterne habe ich noch nie gesehen." Verträumt stützte ich meinen Kopf auf meinen Händen ab und betrachtete den mit Sternen übersäten Himmel, als mich seine Stimme noch einmal aufhorchen ließ.

"Ich habe nicht vom Himmel gesprochen."

Meine Wangen verfärbten sich abrupt dunkelrot bei seinen Worten und ich war unendlich froh, dass man das bei der Dunkelheit nicht sehen konnte. Ich starrte ihn mit großen Augen ungläubig an. Was hatte er da gerade gesagt? Ich konnte seine Konturen nur verschwommen wahrnehmen, aber ich spürte seinen intensiven Blick, der in diesem Moment forschend auf mir lag. Sein Verhalten zeigte mir, dass er es vollkommen ernst meinte. Ich hatte mich also nicht verhört. Hatte er mir wirklich gerade gesagt, dass er mich schön fand?

"Uhm... d- danke, schätze ich mal?", sagte ich unsicher und ich vernahm sein leises kehliges Lachen. Mit seinem Stuhl rückte er ein Stück näher zu mir heran und das Quietschen, das dabei entstand, löste eine Gänsehaut bei mir aus. Die Gänsehaut konnte allerdings auch daran liegen, dass Jimin mir ziemlich nah war. Ich konnte seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren, als er sich zu mir beugte, um mir etwas ins Ohr zu flüstern. Ich hielt gespannt die Luft an.

"Warum denn so schüchtern?", fragte er mit tiefer Stimme und wiederholte so die Worte, die ich vor nicht allzu langer Zeit zu ihm gesagt hatte, als die Jungs uns beim Tanzen  beobachtet hatten. Und ich hatte noch gelacht, dabei konnte ich an dieser Situation rein gar nichts Witziges finden. Ich war wie eingefroren und konnte mich nicht mehr bewegen. Seine dunklen Augen beobachteten mich genauestens und registrierten jedes Wimpernzucken, jede kleinste Bewegung. Das beengte Gefühl wurde nicht gerade besser, als Jimin seinen Arm erhob und auf meine Rückenlehne legte. Zu. Nah.

Diese Aktion brachte meinen Magen dazu sich zu verkrampfen. Ich fühlte mich nicht wegen seiner Nähe im Allgemeinen so, ich genoss die Stunden, die ich mit den Jungs verbrachte wirklich sehr. Vielmehr beschäftigte es mich, dass nur er solche Reaktionen in mir hervorrufen konnte. Klar, mit Jungkook, Yoongi und den anderen verstand ich mich auch gut, aber nur Jimin schaffte es meinen Verstand, wenn auch nur für kurze Zeit, zum Stillstand zu bringen.

Mein Verstand hätte mir in dieser Situation gesagt, ich solle auf Abstand gehen, ich solle niemanden zu nah herankommen lassen, aber in letzter Zeit schien es wohl nutzlos. Mein Kopf tat trotzdem das, was er wollte. Mein Verstand hatte sich also komplett von mir verabschiedet und ich hatte nichts besseres zu tun, als unruhig auf dem Stuhl sitzen zu bleiben und Jimin anzustarren.

Und dann auch noch diese Stimmungsschwankungen, die mich so verwirrten. Zuerst war er lieb, nett und sogar etwas schüchtern und im nächsten Moment strahlte er ein unglaubliches Selbstvertrauen aus und ließ den schüchternen Jungen hinter sich, was ihn irgendwie noch interessanter machte. Er war dann wie ausgewechselt.  Als hätte man bei ihm irgendeinen unsichtbaren Schalter umgelegt. Ich wurde aus dem Jungen einfach nicht schlau. Und zu allem Überfluss, brachte er mich mit seinen Aktionen auch noch in Verlegenheit.

Seine Hand fuhr über meine offenen Haare und mit einer kurzen Bewegung strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hinters Ohr. Seine Hand verweilte einen Augenblick länger als nötig auf meiner Wange und von seinen weichen Fingern ausgehend konnte ich fühlen, wie sich ein warmes Kribbeln in mir ausbreitete. Ich konnte wieder nichts anderes tun, als da zu sitzen. Wartend auf das, was er als nächstes tat. Ich hielt gespannt die Luft an.

Anscheinend zufrieden mit meiner Reaktion, ließ er sich grinsend wieder in seinen Stuhl zurück fallen. So nah und doch so fern...

Moment... was?! Suji, was redest du dir da wieder ein? Ich blickte verwirrt auf das ebenfalls aufgewühlte Meer und versuchte meine Gedanken irgendwie zu ordnen. Es waren gerade mal drei Tage. Drei Tage, die ich die Jungs kannte, es war einfach unmöglich, dass ich mich in Jimin ver...

"Komm gehen wir wieder zu den anderen. Dir ist sicher kalt." Jimin hatte sich von seinem Stuhl erhoben und lächelte mich an. Vorsichtig nickte ich. Mit meinem Blick stur auf den Boden gerichtet wollte ich seinen Augen ausweichen. Plötzlich spürte ich eine Hand um mein Handgelenk und wurde ruckartig hochgezogen. Ich quiekte überrascht auf und fand mich schließlich in Jimin's Umarmung wieder. Er legte seinen Kopf auf meinen und die Situation erinnerte mich an die Fahrt mit dem Aufzug. Anders als der Aufenthalt im Aufzug beruhigte mich diese Geste jedoch nicht. Sie machte mir Angst. Mein Herz hämmerte mir gegen die Brust und ich konnte nichts anderes tun als den Blick zu heben und in seine strahlenden Augen zu blicken. Unsere Gesichter waren nur noch Zentimeter voneinander entfernt...

Nein! Das geht nicht! Mein Verstand meldete sich urplötzlich wieder zu Wort und in einer schnellen Bewegung löste ich mich aus der Umarmung. Jimin zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe und grinste dann siegessicher. Argh! Dieses Selbstvertrauen! Ich schluckte und drehte mich dann kopfschüttelnd zur Verandatür. Meine Hand lag schon auf dem Türknauf als Jimin seine Stimme erhob.

"Das was ich eben gesagt habe war mein voller Ernst." Wunderschön. Ich drehte mich langsam zu ihm um. Er stand ruhig da, seine Hände in den Hosentaschen und sah mich einfach nur an. Ich scharrte nervös mit den Füßen. Mein Herz wollte auch nicht aufhören schneller zu schlagen. Er trat einen Schritt näher, was meinen Atem wieder stocken ließ. Wie machte er das nur? Verdammt, was war denn mit mir los?

"Vertau mir, ich würde dich nie anlügen.", sagte er und ich wunderte mich, dass er dies sagte. Eigentlich sagt man sowas doch nur, um dann schließlich doch das genaue Gegenteil davon zu machen. Man sagt, ich lüge dich nicht an und tut es doch. Man sagt, ich werde dir nie weh tun und letztendlich ist es genau das, was passiert. Man sagt, ich verlasse dich nicht, um schließlich doch ganz alleine dazustehen.

Die Musik von drinnen drang wieder in mein Ohr und ich hörte eine mir bekannte Melodie. Das war doch...
"Das ist doch das Lied, was Yoongi mir vorgespielt hat. Wie hat er es noch einmal genannt? Irgendwas mit I need you, kann das sein?" Überrascht von dem abrupten Themenwechsel zog er die Augenbrauen hoch. "Ihr habt den Song also schon aufgenommen?", hakte ich neugierig  nach. Seine Augen wurden groß und Unsicherheit spiegelte sich plötzlich in seinen Augen wieder.

"D-das ist doch so eine Gruppensache... ähm..." Da war er wieder. Von jetzt auf gleich kam wieder der unsichere Mensch zum Vorschein. Warum war er immer so verschlossen, wenn es um diese 'Gruppensache' ging? Ich war es doch nur und die Musik die ich gerade hörte war wirklich nicht schlecht. Sie war sogar ziemlich gut. Mehr als gut. Bei so etwas konnte man doch stolz sein.

"G-gehen wir wieder rein. Es- es ist ziemlich kalt." Ich wusste, dass ihm nicht wirklich kalt war, er wollte nur meinen Fragen ausweichen. Aus irgendeinem Grund verletzte mich das mehr als es vielleicht sollte. Ich nickte traurig und drückte die Tür auf.

Drinnen herrschte eine ausgelassene Stimmung, doch konnte ich mich irgendwie nicht mehr so richtig mit freuen. Ich lächelte halbherzig in die Runde. "Es ist spät, ich gehe wohl besser wieder in meine Kabine.", sagte ich und sofort wurde ich von Kommentaren wie "Nein, geh noch nicht!", "Es wird doch gerade erst richtig lustig!" Und "Bleib bitte hier." überschüttet. Ich lächelte schwach, doch schüttelte den Kopf. 

"Es war ein langer Tag und morgen geht es ja auch schon wieder weiter. Es- es ist besser so.", brachte ich hervor und die Jungs stimmten mir schließlich etwas enttäuscht zu. Ich bemerkte wie Jin's Blick nachdenklich auf Jimin lag. Ich schaute alle noch einmal lächelnd an und mein Blick blieb an Jimin hängen. "Ich bringe dich noch zu deiner Kabine.", sagte er und wollte mir schon aus dem Zimmer folgen. "Nein!", kam es vielleicht etwas zu schnell von mir und ich hob beschwichtigend eine Hand hoch. Die Jungs starrten mich erschrocken an und Jimin sah aus wie ein geprügelter Hund. Zerknirscht blickte er mich an.

"I-ich meine, es ist ja nicht weit... a-aber, danke... also... ähm... ich bin dann mal...", versuchte ich stockend die Situation zu retten, doch brach dann ab. Ohne noch ein weiteres Wort glitt ich aus dem Zimmer und schloss die Tür. Es wurde mir alles zu viel.

Bon Voyage - cruise (BTS Fan-Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt