Kapitel 7

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~ Hazel ~

Mein Körper will nicht mehr und ich auch nicht. Ich vermisse meinen Tropf, auch wenn er mich schwächer macht, als ich bin. Aber er lindert Schmerzen, hält alles am Laufenden und ist für mein gesamtes Wohlbefinden verantwortlich. Es wäre besser gewesen, hätte ich ihn mitgenommen. Für die paar Stunden, in denen er mir noch alles nötige geliefert hätte, wäre ich mit Sicherheit deutlich besser klargekommen. In meinem jetzigen Zustand könnte ich nicht einmal eine normale Treppe erklimmen. 

Regen prasselt leise gegen ein Fenster, der Wind pustet laut durch die Bäume. Die Luft ist warm und recht trocken, meine Lungen brennen und meine Arme tun weh. Blinzelnd öffne ich meine Augen und erinnere mich mit einem Blick auf meine Umgebung an alles. Draußen dämmert es bereits wieder, ich liege nach wie vor auf dem Sofa, auf dem ich eingeschlafen bin. Ich habe meine Kleidung noch an, meine Jacke ist etwas dreckig und an den Ärmeln ganz kalt. Mühevoll ziehe ich mich an der neben dem Sofa stehenden Säule hoch. Meine Beine drohen nachzugeben, aber ich beiße meine Zähne zusammen und laufe weiter. Plötzlich öffnet sich die Tür etwas knarrend und einer der Jungen kommt herein. "Ohje, das hat mir gerade noch gefehlt", denke ich und mache zögerlich einen Schritt nach hinten.

Er sieht mich an und ich merke, wie er mich und jede meiner Bewegungen mustert- deswegen verharre ich wie ich bin und sehe ihn ebenfalls an. "Gut geschlafen?", fragt er als sich unser Blick trifft. Als ich antworten möchte, fühlt es sich an, als seien meine Stimmbänder eingefroren. Kein einziges Wort verlässt meinen Mund, deswegen nicke ich nur starr vor mich hin. Dass ich mich gerade eigentlich unheimlich schlecht und ausgelaugt fühle, muss ich ihn noch nicht wissen lassen. Sonst denkt er noch, ich sei ein leichtes Opfer.

Ab meinem Nicken lächelt er leicht, zeigt seine strahlend weißen Zähne. Besonders auffallend sind dabei seine Eckzähne, die sich wie kleine, spitze Dreiecke leicht gegen seine Unterlippe stellen. 

Mit einem Mal durchzuckt ein stechender Schmerz mein Bein und ich knicke etwas weg, kann mich kaum aufrecht halten. In gefühlter Lichtgeschwindigkeit steht der Typ neben mir und hält mich, bevor ich falle. Seine -nebenbei bemerkt- grünen Augen sehen mich weder abschätzend noch gierig an, er kommt mir eher sympathisch und freundlich vor. Trotzdem gefällt mir diese plötzliche Nähe nicht. Er ist immer noch ein Fremder.

"Besser keine Ausflüge mehr heute, hm?", fragt er und sein sanftes Lächeln verwandelt sich in ein belustigtes Grinsen. Seine Locken fallen leicht in sein Gesicht und lassen ihn wie der nette, von Mädchen umschwärmte Nachbarsjunge wirken. Ich frage mich wie er heißt, da antwortet er bereits. "Eigentlich Harold. Aber alle Welt nennt mich Harry", sagt er, doch ich bleibe erneut stumm. Mit leicht geöffneten Augen sehe ich ihn an und denke über seine kurze Aussage nach. An sich stört mich nichts daran, es ist das 'Eigentlich', was mich aufhorchen lässt. Die Art, in der er gesprochen hat, passte so exakt zu meiner im Geiste gestellten Frage, als hätte ich sie laut ausgesprochen. Bin ich jetzt verrückt? Rede ich laut, ohne es zu wollen? "Nein", lacht er und hilft mir hoch und auf das Sofa zurück. Bevor ich mich fragen kann, ob ich gerade erneut 'nicht' laut geredet habe, setzt er sich neben mich und ich überlege, was ich jetzt tun oder zu sagen versuchen soll.  Nach einer kurzen Pause, in der keiner von uns etwas sagt oder macht, entscheide ich mich fürs Abrücken und entferne mich etwas von ihm. Mir gefällt weder seine Nähe, noch der Fakt, dass ich hier scheinbar hin entführt worden bin. In Gesellschaft sterben ist toll, aber nicht unter Entführern.  

"Ach komm, ich tu dir schon nichts", sagt er und obwohl ich nicht hinschaue, höre ich in diesem Moment förmlich das Lächeln auf seinen Lippen. Ohne einen richtigen Ausdruck auf dem Gesicht starre ich auf meine Hände. "Hazel, wieso redest du nicht mit mir?", fragt er plötzlich und ich verschlucke mich beinahe an meiner eigenen Spucke. Woher weiß er meinen Namen? Erstaunt sehe ich ihn an und krame dann hektisch in meiner Jackentasche. Was ich suche, ist mein Pass oder Führerschein, was erklären würde, woher er mich kennt. Doch ich finde nichts. Ich trage keine Infos über mich bei mir. 

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