Kapitel 9

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Was hat dieser Satz bitte zu bedeuten? Heißt das, ich bedeute ihnen was? Aber wie können sie an mir jetzt schon was verlieren, wo sie mich doch kaum kennen?

Ich schiebe diese Gedanken müde beiseite, denn sie rauben mir Energie. Ich will mich hinlegen und schlafen, da wandert mein Blick zum Kleiderschrank. Ich stehe wieder auf und nähere mich ihm. Ob da wohl auch Sachen von mir drin sind? Denn ich fände es irgendwie unheimlich, wenn die selbst meine Unterwäsche hierher gebracht hätten. Vor allem: Wann? Und wer von ihnen?

"Das war ich", sagt da plötzlich eine raue Stimme hinter mir. Ich zucke unheimlich zusammen und drehe mich zu der unbekannten Stimme um. "Bist du vielleicht Zayn?", frage ich, als ich mich etwas vom Schock erholt habe. "Du hast es erfasst.", sagt er und geht an mir vorbei zum Schrank. Er öffnet ihn und zum Vorschein kommen all meine Kleidungsstücke, die bis vor kurzem noch in meiner Wohnung waren. "Wie bist du reingekommen?", frage ich. "Kein großes Problem für einen Vampir. Viel schwieriger war es auch jedes einzelne deiner tausend  Kleidungsstücke mitzubekommen, ohne, dass was verloren geht. Du hast echt viel!" Ich grinse. "Du wolltest gerade pennen, seh' ich das richtig?", fragt er und schließt den Schrank wieder. Ich nicke. "Gut, dann werde ich dich mal alleine lassen. Wenn was ist, schrei einfach, wir sind in Null Komma Nichts bei dir.", sagt er und geht. Ich öffne den Schrank wieder und suche mir schnell eine Jogginghose und ein Top heraus. Als ich mich umgezogen habe, lege ich mich unter die Bettdecke und entdecke mit einem Mal einen alten Stoffbären, den ich im Alter von fünf Jahren geschenkt bekommen habe. Er heißt Daddy. Das kommt, weil ich meinen Dad wegen seiner Arbeit damals nicht sehr oft zu Gesicht bekommen habe. Also war mein Teddy einfach mein neuer 'Dad'. Ich ziehe ihn in eine Umarmung und genieße den Geruch meiner Kindheit. Dann kuschle ich mich unter meine Bettdecke. An Daddys Ohr klebt ein kleiner Zettel- ich nehme ihn und falte ihn auseinander. Vielleicht brauchst du ihn ja. -Zayn     Irgendwie niedlich, dass er mir zusätzlich zu dem ganzen Krempel extra noch meinen Teddy mitgenommen hat. Auch, wenn ich dafür natürlich schon viel zu alt bin. Trotzdem schlafe ich mit Daddy im Arm ein.

Es ist mitten in der Nacht als ich aufwache. Immer noch in dem Raum, in dem ich eingeschlafen bin. Oder? Ja, es sieht so aus. Plötzlich bekomme ich schrecklichen Durst und fühle mich so fit und wach, wie schon lange nicht mehr. Ich streife mir die Bettdecke vom Körper und lege Daddy beiseite. Ich sehe unter Garantie aus wie frisch aus dem Grab gestiegen, aber das ist mir jetzt egal.

Als ich vor meiner Zimmertür stehe, weiß ich nicht mehr wohin. Ist hier vielleicht irgendwo ein Badezimmer, wo ich mich ein wenig erfrischen kann? Und gleichzeitig ein wenig Leitungswasser trinken könnte... Soll ich nach links oder rechts gehen? Ich wähle den Gang zu meiner Linken und marschiere los- aber Moment mal: was ist, wenn ich nachher nicht mehr den Weg zurück weiß? Dann muss ich im Bad schlafen! Sehr ungemütlicher Gedanke.

Trotzdem setze ich meinen Weg fort, ich muss mir nur merken, in welche Richtung ich laufe. Vielleicht bin ich auch schon längst am WC vorbei, denn hinter mir liegen bereits dutzenden Türen und Abzweigungen. Vor mir ist plötzlich eine Treppe nach unten und ich benutze sie. Es ist eine Wendeltreppe, dazu eine sehr steile und ich muss Acht geben, dass ich nicht stolpere und falle. Heil unten angekommen, öffne ich die Tür, die mir am nächsten ist und stehe mit einem Mal in der großen Eingangshalle. Perfekt. Von hier aus gibt es auch nur acht verschiedene Türen in acht verschiedene Richtungen!

Da fällt mir wieder ein, in welche Richtung einer der Jungs bei meiner Ankunft gelaufen ist. Vielleicht war es ja der Weg zur Küche? Es war die Tür hinten rechts, die direkt neben mir ist. Plötzlich höre ich Stimmen- Mist. Wie werden die Jungs wohl reagieren, wenn sie merken, dass ich noch (beziehungsweise wieder) wach bin? Sie schienen mir ja ganz nett, aber da war es Tag. Und es sind Vampire, da weiß man nie. Schließlich waren sie in der Nacht, in der sie mich hierher gebracht haben auch nicht gerade freundlich. Oder doch? Eigentlich kann ich mich an nichts Genaues erinnern, abgesehen davon, dass ich sehr viel geschrien habe. Verständlich. Aber mir hat da ja auch keiner erzählt, dass das nur zu meinem Besten ist.

Plötzlich geht eine der Türen auf und ich drehe mich erschrocken um. Es ist die, die zum Wohnsaal führt und ich bleibe wie versteinert stehen. Es ist Niall und er kommt direkt auf mich zu. "Was machst du denn hier?", fragt er und grinst. Ich lächle gequält und weise auf die Küche. "Ich wollte mich nur etwas erfrischen." Er nickt. "Ich auch. Brauchst du was Bestimmtes? Hast du Hunger?" Ich schüttle den Kopf und er tritt zur Tür um mir diese aufzuhalten. Ich trete ein und staune über den Luxus der Küche.

Eine lange Fensterfront, die, wie auch in "meinem" Zimmer vermilcht und rau ist, fällt sofort in meinen Blickwinkel. Dann fällt mir der Wasserhahn auf und ich mache einige Schritte darauf zu. Ich drehe ihn auf und lasse ein wenig kaltes Wasser in meine Hände fließen, die ich zu einer Schüssel geformt habe. Dann beuge ich mich vor und klatsche mir das Wasser ins Gesicht. Ich spüre Nialls Blick auf mir, mache aber dennoch weiter, wiederhole den Vorgang etwa fünf Mal. Dann lasse ich ab und sehe mit nassem Gesicht zu dem blonden Vampir. "Habt ihr hier Handtücher?"   Er nickt und öffnet eine der vielen Schubladen. Er gibt mir ein weißes Stoffhandtuch und lächelt, als ich mir das Wasser gründlich aus dem Gesicht wische. Danach bin ich etwas rot, wegen dem Reiben und sein Lächeln wird breiter. Ich grinse verunsichert und er nimmt mir das Handtuch wieder ab. Anschließend geht er selber zum Waschbecken und klatscht sich etwas Wasser in sein blasses Gesicht. Ihm steht dieses Vampiraussehen total... genau wie den anderen... wieso sehen die bloß alle so gut aus?

Er kommt plötzlich mitten in der Bewegung hoch und sieht mich aus leicht geröteten Wangen  belustigt und überrascht an. Ahh, verdammt, die können ja alle Gedankenlesen! "Ja, können wir. Aber danke, sowas hört man gerne!", lacht er und ich erröte. Er trocknet sich kichernd das Gesicht ab und geht dann mit mir im Schlepptau wieder in den Eingangsbereich. Ich kann absolut nicht schlafen, was mich wundert... "Dann komm doch einfach mit zu uns", sagt er und weist auf die Tür zum Wohnsaal. Was, die anderen sind alle da? "Darf ich denn?", frage ich und schaue zu der Tür, die zum eben genannten Raum führt. "Na klar, die freuen sich sicher. Und ich auch."

Kurze Zeit später stehe ich im Wohnsaal und alle Blicke richten sich auf mich. Hinter mir steht Niall und ich zucke innerliche zusammen, als er mir die Hände auf die Schultern legt und sagt: "Seht mal, wen ich eben im Eingangsbereich gefunden habe." Die anderen grinsen mich an und Zayn fragt: "Na, Hazel, gut geschlafen?" Er zwinkert mir verschwörerisch zu und ich lache leise auf. "Ja", sage ich, "Danke der Nachfrage!" Dann führt Niall mich zu einem der drei Sofas und setzt sich. "Komm, mach's dir gemütlich", sagt er und klopft auf den Platz neben sich. Gegenüber von uns sitzen Liam und Louis, Zayn und Harry sitzen auf dem Sofa, das orthogonal zu beiden steht. 

(Falls jemand nicht weiß, was orthogonal ist: das ist, wenn eine Gerade, in diesem Fall das Sofa, im Neunzig Grad Winkel zu einer anderen Gerade, also dem anderen Sofa steht. Also stehen die Sofas sooo: |_|)   

Ich ziehe die Knie zu meinem Kinn und lege es darauf ab. Ich höre den Jungs zu, sie reden über vieles, aber nicht über vampirtypische Dinge. Das hatte ich anders erwartet. Sie sind gerade beim Thema Stadt angekommen, da bezieht Harry mich ins Gespräch ein: "Hazel, du warst doch sicher gerade erst da... hat sich die Oxford-Street irgendwie verändert? Wir waren schon länger nicht mehr da..." Er sieht mich mit einer Mischung aus Spannung und Neugier an und ich antworte: "Hm, in den letzten acht Jahren zumindest nicht. Wart ihr denn nicht da?"

Nun ergreift Zayn das Wort: "Naja, macht wenig Sinn da erneut aufzutauchen, wenn man als durstige, "vampirartige Wesen" schon mal vor etwa acht Jahren unangenehm aufgefallen ist..." Ich kichere. "Aber wieso taucht ihr denn da freiwillig auf, wenn ihr alle durstig seid?" Liam hustet auffällig. "Wir waren nicht alle durstig, es gab da aber zwei Herren, die nicht auf den bevorstehenden Vollmond geachtet haben und um Mitternacht plötzlich wie mutiert das ganze Einkaufszentrum in Schrecken versetzt haben!" Niall und Harry lachen auf und geben sich einen Check durch die Luft. Ich lache leise auf und genieße die augelassene Stimmung.

Zayn sieht Harry an und scheint ihm lautlos etwas mitzuteilen, denn Harry nickt und blinzelt kurz. Plötzlich bekomme ich wieder, wie schon vorhin im Bett, totalen Durst und sehe schüchtern in die Runde. "Ihr habt nicht zufällig Wasser und ein Glas?" "Na klar, was denkst du denn", lacht Niall und will schon aufstehen, doch Louis bringt ihn mit einer Geste zum Stillstand. "Ich mach schon Nialler" Niall sieht ihn verdutzt an und Louis steht vor mir, hält mir die Hand hin. 

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