Kapitel 26

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Fenton's P.o.V:

Ihre Augen starren leer an die Decke, ihr Mund ist zu einem stummen Schrei verzogen. Ich konzentriere mich und fahre mit der Hand über ihre Stirn. Langsam wird diese etwas warm und kurze Zeit später strömt eine dunkelrote Kraft aus ihr heraus. Ihr Gedächtnis. Auch, wenn es lächerlich klingt, aber ich habe ihr Gedächtnis in der Hand. Ich kann alles so umändern, wie es mir gefällt. Die wird sich noch wundern. 

Ein längeres Weilchen später habe ich ihre Erinnerungen so bearbeitet, dass nichts Gutes mehr an den Jungs hängt. Sie wird in mich verliebt sein, Dämonen mögen, Vampire verabscheuen und mir treu wie nie sein. Dieser Horan Junge ist ab hier endgültig Geschichte.  Ist aber laut Zeitung eh schon tot.

Ich halte ihr Gedächtnis wieder über ihre Stirn und lasse sie in ihren Kopf fließen. Ihr Körper ist derweil in eine Starre versetzt, die ich mit einem Schnipsen wieder aufhebe. Sie atmet auf und schließt den Mund. Verschluckt den Schrei. Sie hat keinen Grund mehr zu schreien. Dieses ganze "Wo bin ich" habe ich ihr auch erspart, sie kennt sich hier mit den Grundkenntnissen schon aus. "Fenton... soll ich Abendessen machen?", fragt sie mit liebevollen Augen und ich lächle. "Ja, mach das Honey. Ich muss noch mal kurz mit Anastasia sprechen, bleib du einfach in der Küche, ja?" Sie nickt und macht sich zu dem besagten Raum auf.

Derweilen sitzt Anastasia am Kamin und beobachtet das lodernde Feuer. "Wie schön, Sie sind da, Sir", sagt sie, als sie meine Schritte wahrnimmt. In wenigen Augenblicken schon ist sie bereits wieder ein Vampir, was sie nicht länger zu einem Gewissenslosen Zombie meiner selbst macht. So wie vorhin. Gut, dass Hazel sich an diesen Anblick nicht mehr erinnert. Anastasia ist so etwas, wie meine persönliche Dienerin. Manchmal auch Sklavin, aber da ja nun Hazel da ist, hat sie eine Sorge weniger. Vor einigen Jahren haben wir einen Pakt geschlossen, nachdem sie es geschafft hatte, abzuhauen. Das war eine etwas längere Geschichte, die hier aber gerade keine Rolle spielt. Laut diesem Pakt ist sie auf jeden Fall dazu gezwungen um Punkt Mitternacht hier aufzutauchen, zu diesem Zeitpunkt verwandelt sie sich auch gleich in einen Dämonen. Mein eigen erstellter Fluch, und ich bin stolz drauf, ihn ihr auferlegt zu haben. Sie muss dann jede Nacht bis um vier Uhr morgens meine rechte Hand sein. Während der vollen Zeit hat sie kein Gewissen, keine Angst und keine Erinnerung an die Welt außerhalb. Dann wartet sie im Wohnzimmer auf mich und ich nehme den Fluch für genau 20 Stunden von ihr.

"Hallo, Anastasia." Sie erhebt sich schnell aus dem Sessel, in dem sie sitzt und dreht sich mit dem Körper zu mir. Sie verneigt sich und schenkt mir einen ihrer ganz normalen, leeren Blicke. "Gut so", sage ich und blicke zu Boden. Schließe die Augen und schaue wieder auf. In ihren Augen spiegelt sich das leuchtende Rot in der Mitte meiner Iris wieder und sie lächelt. Ich muss nicht einmal etwas sagen, ihr Körper hat sich mittlerweile an das Ganze gewöhnt. Ihr Kleid wandelt sich langsam zu Jeans und Top um und ihre langen, glatten und vor allem schwarzen Haare werden wieder zu den kürzeren, braunen Locken, die sie waren. Vor mir steht die freie Anastasia, die jeder im Centre kennt. Oder zumindest meint, sie zu kennen. Beide Seiten haben bislang nur meine engsten Komplizen und ich zu Gesicht bekommen.

Plötzlich springt die Tür auf und Hazel steht im Eingang. Verdammt! Sie darf nichts sehen, was sie an ihr früheres Leben erinnern könnte! Schnell drücke ich Anastasia in den Sessel zurück, in dem sie vorhin noch saß. Von dort aus sieht sie mich erbost an und wartet ab. "Essen ist fertig, Süßer.", sagt Hazel und Anastasia presst sich erschrocken eine Hand vor den Mund. "Verdammt", spricht sie lautlos aus und ich wende mich schnell wieder Hazel zu, bevor diese noch was mitbekommt. "Ja, danke. Ich werde gleich zu dir kommen." Sie nickt und geht wieder. Ich ziehe Anastasia hoch und schleife sie zur Tür. Etwa zwei Gänge weiter befindet sich die große Eingangstür. Als wir vor dieser stehen, sieht sie mich bitterböse an. "Du Monster", zischt sie und packt den Kragen meines Jacketts. Ich nehme ihre Hand beachtungslos weg und sehe ihr in die Augen. "Sie ist tatsächlich ein wenig wie du. Nur, dass sie nicht entkommen wird.  Und du wirst nicht in Kontakt zu ihr treten, hast du mich verstanden?!" Letzteres sage ich ihr drohend in einem minimalen Abstand von vielleicht zwei Zentimetern. "Tu ihr nicht weh. Mach's besser als damals mit... mir.", sagt sie und sieht verletzt zu Boden. Ich trete einen Schritt weg und atme mit einem Seufzer die Luft aus, die ich seit ihrer Worte angehalten hab. "Wie... geht es Jackson?", frage ich leise und sie sieht beinahe schon erschrocken in mein Gesicht. "Fenton, du solltest wissen, dass es sehr lange her ist, seit ich etwas von seiner neuen Familie erfahren habe. "Wie lange?", frage ich und werde fast schon nervös, als ich auf die Antwort warte. Sie schluckt. "Zwanzig Jahre. Und du hast nie gefragt. Wieso tust du es jetzt plötzlich?" Ich sehe auf einen Punkt hinter ihr, nur um ihr nicht ins Gesicht schauen zu müssen als ich sage: "Ich will nur mal wissen, wie es so um ihn steht, mit diesen Leuten. Er ist schließlich unser Sohn."

Das Wort 'Sohn' kommt mir nur extrem schwer über die Lippen. Es ist einfach nicht richtig, dass ich einen Sohn habe. Ich bin kein Vater und werde es auch nie sein, denke ich. Und schon gar kein guter. "Du weißt ja nicht einmal, wo er wohnt. Und unser Sohn ist er schon seit zweiundzwanzig Jahren!", sagt sie nun in einem etwas schärferen Ton. Die wahrheitsgemäße Antwort auf diese Frage? Ich hatte Angst. Ja, ein kleiner Junge im Alter von damals noch zwei Jahren hat mir schreckliche Angst gemacht. Die Verantwortung, die Rolle, die ich einnehmen müsste- einfach alles. Und ich weiß genau, dass ich, hätte ich seinen Standort gewusst, doch irgendwann hingefahren wäre. Und das hätte Folgen gehabt. Mittlerweile müsste er mir ähnlich sehen. Zweiundzwanzig Jahre... das ist das Alter, in dem ich mich körperlich auch befinde. In dem Lebensjahr ist mein Körper in der Entwicklung komplett stehengeblieben, weil ich zum Dämon wurde. Genau, wie meine Eltern. Mit zweiundzwanzig einfach stehenbleiben und zum Monster werden... Und meinem Sohn wird es auch so ergehen. Es ist fürchterlich. "Weiß nicht, mich hat heute irgendetwas an ihn erinnert.", sage ich statt all der Antworten, die mir durch den Kopf gehen und sie nickt unmissverständlich- das soll in ihrer Sprache so viel ausdrücken wie: "Ach, dir ist das doch alles egal."  Ist es nicht. Aber das muss sie ja nicht wissen.

"Ich geh dann mal", sagt sie genervt und enttäuscht zugleich und zieht sich die Kapuze ihrer Jacke, die sie immer, wenn sie hier ist an den Haken neben der Tür hängt. Dieser besteht neuerdings nicht mehr aus einem normalen Holzhaken, sondern aus einem menschlichen Finger. Also aus den Knochen, versteht sich. Anastasia schreckt tierisch zusammen und sieht mich entrüstet an. "Hey! Das könnte unser Sohn sein!", bricht sie, gemein wie sie zu mir manchmal ist, heraus und mir bleibt das tote Herz kurz stehen. Verdammt, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht! Sie verschwindet einfach und lässt mich mit dem Knochen alleine. Diesen starre ich mit ängstlichen Augen an. "Sohn?", frage ich mehr zu mir selber und lege den Kopf in die Hände. Verflucht, was hat diese kleine Hexe mit ihren Worten bloß in meinem Kopf angerichtet...

In der Küche steht Hazel unschuldig am Tisch. Ihr Gesicht hellt merklich auf, als sie mich erblickt. "Da bist du ja endlich. Was musstest du denn noch so dringend mit deiner Sekretärin besprechen?", fragt sie mich und ich sehe erschrocken auf. "Ach, nichts wichtiges." Prüfend sieht sie mich an. "Na, dafür hat das aber ziemlich lange gedauert!", sagt sie und ich zucke nur mit den Schultern. "Nur finanzielles, Kätzchen." Sie tritt ganz nah an mich heran und nimmt meine linke Hand in ihre. "Du... nennst mich Kätzchen?" Ich nicke und sehe ihr verlegen ins Gesicht. "Soll ich es lassen?" Sie schüttelt den Kopf. "Ich find's süß." Jetzt hat sie mich am Haken und ich nehme ihre andere Hand in meine noch freie, eigene. "Du bist süß", sage ich und vermisse ein wenig den Würgereiz, der sich aber leider nicht bei diesen schnulzigen Worten einstellt. Wieso? Empfinde ich etwa wirklich ein wenig was für dieses Mädchen? Innerlich schlage ich mit der Hand gegen die Stirn. 'Nein weißt du, du hast sie nur umsonst und so aus Spaß entführen lassen und alles genau geplant, du Schwachkopf!', denke ich und sehe auf ihre Lippen, die sich meinen gefährlich schnell näher. Und schon küssen wir uns. Das es genau genommen der erst Kuss ist, den sie freiwillig will, ist ihr nicht klar. Sie denkt, dass Alles wie immer ist. Und schon bald wird sie damit auch Recht haben.


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