Kapitel 37

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Hazel's P.o.V:

An meinen Händen klebt das Blut vieler Verletzter, vielleicht sogar einiger Toter. Es macht Sinn. Meine Kindheit macht Sinn. Nur meine Gegenwart will mir nicht ganz klar sein. Wieso bekomme ich diese Kraft erst jetzt zu spüren? 

Bin ich überhaupt noch in irgendeiner Weise ein Vampir? 

"Hazel?", spricht Fenton mich unsicher an. Ich antworte ihm nicht, sehe nur aus leeren, kalten Augen zu ihm. Heißt das, dass ich eigentlich hierher gehöre? Ich soll nicht mehr nach oben? 

Es sind so viele Fragen...

Ich sehe hinter mich. Anastasia streicht Louis über den Kopf, er blutet nach wie vor an der Schläfe. "Bekommst du das wieder hin?", frage ich leise und mit heiserer Stimme. Sie sieht mich aus ihren Gedanken gerissen an. "Ja, mach dir keine Sorgen. Er ist ein Vampir, er wird es überleben."     

Auf der anderen Seite hockt Harry, wenigstens ist er wach. Trotzdem stellt sich kein besseres Gefühl als vorher ein. Alles ist grau, nicht wörtlich, aber es fühlt sich so an. Und diese Stille bringt mich fast um. Ich muss hier weg, selbst wenn ich doch eigentlich hierher gehören sollte. Ich muss raus. Deswegen tue ich jetzt das, was ich schon einmal getan habe. Ich fliehe. Stehe einfach auf und gehe. Hinter mir ist niemand. Sie folgen mir nicht. 

Plötzlich poltert es hinter mir. Kommen sie vielleicht doch hinterher? 

Ich laufe los. Werde immer schneller und bemerke, wie meine Beine wunderbar leicht werden. Keine Anstrengung ist benötigt, damit ich so schnell laufe, wie der Wind. 

Vor mir sind Gänge, überall diese Gänge. Ich drücke Türen auf und stehe vor der großen Eingangstür. Ich lege zögerlich die Hand darauf, doch kein Schmerz durchzuckt mich. Ich bin immun gegen Fentons Fluch, der mich hier für immer festhalten sollte. Ich schreite hindurch und wieder einige Gänge entlang.  Dann taucht ein Lift auf. Direkt vor mir. Ich habe ein wenig Freiraum hinter mir, deshalb drücke ich schnell auf den Knopf und warte ab.

Einige Sekunden später öffnen sich zischend die Türen und ich trete ein. Ich horche auf und drücke schnell den Schalter zum Erdgeschoss. Gefühlte einhundert Etagen über mir bin ich endlich frei. Dann werde ich rennen und laufen und die frische Luft einsaugen, damit ich endlich wieder spüre, was es ist zu leben. 

Hektische Schritte eilen den Gang entlang, doch die Türen schließen sich längst. Ich sehe gerade noch, wie eine dunkelhaarige Person vor dem Lift zum Stehen kommt. Er merkt, dass es zu spät ist und lässt den Kopf sinken. Es tut mir ja leid, aber jetzt gerade und in diesem Moment möchte ich einfach hier raus. Einfach weg sein. 

Ich lehne mich mit dem Rücken an die einzig freie Wand, ohne Knöpfe, nur mit einem halb kaputten Spiegel und einer kleinen Lampe. Der Raum beginnt etwas zu wackeln und setzt sich in Bewegung. Diese Fahrt wird lange dauern und ursprünglich habe ich Platzangst. Aber alleine ist es hier drinnen immer noch besser, als mit auch nur einer weiteren Person. 

Nach einiger Zeit schon wird mir das Stehen zu anstrengend und ich lasse mich an der Wand hinabgleiten. Mit angewinkelten Beinen sitze ich einfach da und denke nach. Über die Vergangenheit, über die Zeit bei den Jungs, über jedes Detail denke ich nach. Bis ich das Gefühl habe, dass ich gleich einschlafe. Meine Augen werden schwerer und schwerer. Ich kann nicht mehr lange durchhalten und plötzlich... bin ich im Tiefschlaf. 

+++

Der Boden ruckelt stark, die Wände wackeln leicht hin und her. Ich brauche kurz um zu realisieren, dass das kein Erdbeben ist, sondern nur der Lift, der gerade angekommen ist. Schnell rapple ich mich auf und fahre mir durch die Haare, kann es kaum erwarten, endlich die Natur wieder zu sehen. Ist es Tag? Frühling? Oder Herbst? Wo bin ich? Komme ich vielleicht in einem Gebäude, möglicherweise sogar einem Büro an? Ich hoffe nicht, sicherlich würde man mich auf der Stelle verhaften... Ich sehe aus wie ein Massenmörder.

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