Kapitel 14

941 49 6
                                    

Ritsch. Was war das denn jetzt?

"Hazel...? Aufstehen", sagt Niall in seiner ruhigen, vertrauten Stimmlage und ich drehe mich zu ihm um. Ich blinzle und er lächelt. Er sieht das Buch, welches noch immer neben mir auf dem Nachttisch liegt. "Erholsam geschlafen die zwei Stunden?"

Der Plan. Jetzt wird alles Wahrheit. Ich werde... Nein. Warte. Mein Körper wird eine harte Probe überstehen müssen. Sonst war's das. Liam und die Jungs haben mir nach dem Mittagessen alles erklärt. Ich werde um Punkt Null Uhr gebissen werden. Das ist nicht nur ein sehr günstiger Zeitpunkt, weil Vampire am Punkt zwischen Normalnacht und Vollmond besonders gut im Beißen sind, sondern auch, weil das meine Überlebenschance etwas absichert. Aber garantieren kann mir keiner was. Leider.

Niall nimmt mich an der Hand und führt mich die scheinbar endlos langen Gänge lang. Dann öffnet er eine Tür, direkt hinter ihr befindet sich eine steinerne Treppe nach unten. An den Wänden spenden Fackeln ein kaum ausreichendes Licht, doch Niall scheint damit klar zu kommen. Vielleicht haben sich seine Augen ja verbessert, als er zum Vampir wurde, so wie es im Buch stand...?

 Der Keller ist riesig. Wie alles an diesem Haus. Mein Führer kennt sich hier wohl bestens aus, zielsicher strebt er immer wieder neue Gänge, neue Türen, neue Hauptflure an. Ich habe keine Ahnung mehr, wo ich bin, doch ich vertraue ihm und den anderen. "Wo sind die anderen?", frage ich, doch ich flüstere es mehr, der Respekt vor diesem Keller und dieser Größe ist einfach zu groß um normal laut zu Reden. Selbst Niall scheint es noch so zu gehen, vielleicht versteht er meine Lage auch nur sehr gut und will mich nicht erschrecken, indem er die Stille einfach abrupt bricht. "Die sind schon da." Wo bitte ist da ._.

Dann bleiben wir vor einer der Türen stehen, beziehungsweise Niall bleibt stehen und ich renne voll in ihn hinein und bleibe dann erschrocken stehen. Er lächelt mich auf seine typische Niall Weise an und wir betreten den Raum.

Harry, Louis, Zayn und Liam stehen an die Wand gelehnt und reden miteinander. Als sie uns erblicken, verstummt das Gemurmel, alle Aufmerksamkeit galt uns. Du glaubst doch nicht, dass die mich so ansehen?, höre ich plötzlich Nialls Stimme in meinem Kopf und sehe ihn an. Er zuckt unschuldig mit den Schultern und ich schaue zurück zu den anderen. "Sie ist hier. Patientin 13." Ich zucke innerlich zusammen. 13... 13... 13. Unglück vorprogramiert? Wer weiß. Fakt ist, dass es mich nicht ruhiger macht.  Liam weist mit dem Kopf auf eine Liege, die ziemlich hoch ist und ich gehe los, Nialls Hand gleitet langsam aus meiner. Ich drehe mich zu ihm um. Irgendwie ist er ein beruhigender Pohl für mich.   Dann gehe ich weiter auf die Liege zu. Zayn hilft mir kurz hoch und ich sehe angstvoll in die Runde. Ich habe wirklich Angst. Das erste Mal in meinem Leben habe ich Angst. Keine akute Panik, wie im Krankenhaus, kurz nachdem ich über meine Krankheit informiert wurde. Ich meine richtig Angst. Angst vor dem Tod, Angst vor dem, was danach kommt. Wenn denn etwas danach kommt. Denn mit dem Biss gibt es kein Zurück mehr.

Ich lege meinen Kopf auf der harten und kalten Metallplatte ab und schließe die Augen. Schlucke. Atme. Und mache sie wieder auf. "Harry? Dein Part", sagt Liam etwas lächelnd, das kann ich hören. Harry seufzt und es herscht Stille. Er ist sich gerade mit der Hand durch die Haare gefahren, wetten? Jemand klopft ihm auf die Schulter. Louis? Oder Zayn? Oder doch Niall...?  Mit einem überraschenden Sprung ist er oben bei mir. Er beugt sich seitlich über mich. Dreht meinen Kopf weg und etwas nach oben. "Genau wie Louis es gemacht hat", denke ich und würde glatt schmunzeln, wäre die Situation nicht so beängstigend. Harry lächelt mich etwas verlegen und nervös zugleich an, sicher sind sie das bei jedem ihrer Patienten. "Okay Harry, ich sag dir wenn's Null Uhr ist. Eine Minunte noch." Der Angesprochene kommt nun mit seinen Zähnen meinem Hals gefährlich nah und fängt an ihn ganz sanft zu küssen. Liam hat mir erklärt, dass Vampire das vor dem Biss immer machen, dann fühlen sie schneller, wo die geeigneste Bissstelle ist. Harry kommt kurz hoch und schließt die Augen. Als er sie öffnet, sind sie blutrot. Er legt seinen Lippen wieder auf meine Haut und macht weiter. Dann legt er erwartend seine Zahnspitzen an. "Gleich... Drei... Zwei... Jetzt.", sagt Liam und Harry beißt zu. Ich schnappe kurz nach Luft und schließe dann die Augen. Beiße die Zähne aufeinander, doch das lässt nur die Halsmuskulatur anspannen, der Biss wird schmerzhaft. Ich lasse schnell locker.  Mit einem Mal fühle ich mich viel leichter, alles scheint leerer und weicher zu werden. Meine Sicht verschwimmt. Wie schnell Harry saugen kann... Mit einem Mal gehen bei mir die Lichter aus.

Ich könnte Bäume ausreißen. Jetzt und hier. Wieso eigentlich nicht? Wo seid ihr, ihr Bäume?! Ich schüttle meinen Kopf. Was denke ich denn da für einen Mist? Eine Hand ist um meine geschlossen. Ich blinzle und bemerke eine Person neben mir. Langsam drehe ich den Kopf und schaue genauer hin. Niall? Was macht der in meinem Bett? Tatsächlich. Wir liegen eng aneinander gekuschelt in meinem etwas größeren Einzelbett in meinem Zimmer. Immer noch im Haus der Vampire. Ich wollte Niall schon immer mal durch die Haare fahren. Außerdem will ich ihn wecken, ich fühle mich so fit wie nie! Ich strecke meine Hand nach ihm aus und lege sie an seine Haare. Angenehm weich, dennoch "hart" genug um als hochfrisierte Frisur zu halten. Ich dringe bis zu seinen Ansätzen durch und fahren nach hinten. Das, was er jedes Mal spürt, wenn er sich verlgen durch die Haare fährt... Genau das wollte ich immer mal fühlen. Und ich meine damit im Namen sehr sehr vieler Mädchen zu sprechen. Nein, nicht zu sprechen, zu denken. Überhaupt haben die Jungs tolle Haare. Plötzlich blinzelt Niall und öffnet die Augen. Wie ertappt ziehe ich schnell meine Hand, die bis eben noch durch seine Haare strich, zurück. "Guten Morgen", sagt er mit rauer, verschlafener Stimme. Sexy. Das muss man sagen. Das ist auch so eine Sache, die so viele Mädchen lieben: die raue Jungsstimme am Morgen, verschlafen wie sie ist.

Der Orangensaft schmeckt nicht so, wie er schmecken sollte. Das Müsli auch nicht. Irgendwie bitter. "Das vergeht mit der Zeit. Spätestens, wenn du... ein Vampir bist." Ich sehe Zayn an, der mir gegenüber sitzt und nur einen komisch aussehenden Tee oder so trinkt. "Glaubst du, dass ich das überleben werde?" Er bleibt stumm. Wie ich das hasse. Denn keine Antwort ist auch eine Antwort. "Nein, nicht doch!", wirft Zayn kleinlaut ein, "Es wird nur mit der Zeit immer schwerer an das Leben zu glauben, wenn der Tod einem schon so oft bewiesen hat, dass er am längeren Hebel sitzt. Verstehst du? Ich hoffe wirklich das Beste und glaube an dich und deinen Körper. Du schaffst das bestimmt." Da war nicht viel überzeugung drin. Niall ist verschwunden, nachdem wir aufgestanden sind, murmelte was von "muss duschen". Ich blieb zurück und zog mich um. Dann ging ich auch duschen. Ich hab ihn trotzdem nicht mehr gesehen. Da betritt Harry den Raum. Seine Locken stehen verwuschelt in alle Richtungen ab. "Morgen", sagt er und holt sich das gleiche komische Getränk, welches auch Zayn zu trinken scheint. "Was ist das eigentlich?", frage ich und zeige auf die Tasse, die Harry in der Hand hält. "Bluttee. Den brauchen wir ab und zu, der stellt unsere Nahrung dar und gibt unserem schwarzen Blut das, was es zum giftig sein benötigt", sagt Zayn und ich nicke verstehend. Er steht auf und räumt seine Tasse in die Spüle, dann geht er zur Tür. "Hast du Nialler gesehen?", fragt er mich zum gehen gewandt und ich zucke mit den Schultern. Daraufhin geht er. Harry sieht verpennt aus. Sonst sieht er morgens immer schon recht früh sehr munter aus. Da kommt Louis rein und murmelt in etwa die gleiche Begrüßung, wie schon Harry einige Zeit zuvor. Dann stellt er sich neben Harry, holt eine Tasse und gießt etwas Bluttee hinein. Ich widme mich wieder meinem Müsli, nicht ohne noch voher synchron zu Harry ein "Hi" von mir zu geben. Plötzlich höre ich hinter mir ein Aufhusten, aber es scheint künstlich. Ein unterdrücktes Lachen und ein Knallen. Oder klatschen? Genau kann ich das nicht sagen, denn gleichzeitig fällt eine der Schubladen zu. Ich bin fertig mit Essen und gehe an den beiden vorbei zur Spüle. Sie scheinen schon wieder etwas munterer zu sein.



Beautiful EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt