Seine freie Hand legt er langsam auf den glänzenden Türknauf. Er dreht ihn einmal herum und schon fliegt die Tür unter leisem Knarren auf.
Vor uns erstreckt sich ein neuer, besonders langer Gang. Die runde Decke sieht nicht sonderlich stabil aus. Ich traue mich nicht einmal zu husten, so leise ist es hier. Nur selten hört man einen Tropfen zu Boden fallen.
Wir setzen uns wieder in Bewegung. Langsam schwebt die nach wie vor steinerne Wand an unseren Augen vorbei. Plötzlich und völlig unerwartet gehen links und rechts ein Gang in die Tiefen dieses Hauses. Links eine Treppe nach unten und rechts ein immer schmaler werdender Gang. Geradeaus ist kein Ende absehbar. Ich sehe Louis unsicher an und er blinzelt mir beruhigend zu.
Entschieden biegt er rechts ab, zu dem immer schmaler werdenen Gang. "L-louis, das sieht nicht-" Er sieht mich an und lächelt. "Entspann dich, das ist keine echte Wand. Sieh her!" Und damit streckt er seinen Arm aus, dass seine Hand gegen die Wand donnert- oder zumindest ist es das, was ich erwartet habe. Stattdessen aber gleitet sie mitsamt Haut und Knochen einfach durch den massiven Stein hindurch. "Es ist nur etwas kalt, erschreck dich nicht." Ich nicke und strecke nun ebenfalls meinen Arm aus, halte nur meinen Finger an den Stein. Und das hier ist endlich einmal nicht eine dieser Geschichten mit dem "Du musst nur dran glauben"-Nummern. Das ist einfach so, scheinbar als könnte jeder es. "Menschen können das in der Tat nicht, genauso wenig wie Werwölfe. Das war mal der Gang zum Schutzbunker der Vampire." "Ohh", mache ich nur und folge ihm, als er galant durch die Wände geht. Tatsächlich ist es ziemlich kalt und ungemütlich, doch zum Glück dauert der Spaziergang durch die Steine nicht lange.
Wieder umgeben von mehr Luft als Steinen stehen wir nun am anderen Ende dieser unechten Mauer und schauen direkt zu einer Leiter, die ein Stockwerk nach oben führt.
"Wieso draußen eine Reise unternehmen, wenn man es auch im eigenen Keller tun kann", flüstere ich und die blauen Augen meines Vordermannes treffen mich mit einer Mischung aus Stolz und Freude.
Sprosse für Sprosse erklimmen wir das etwas morsche Gestell aus Holz, bis wir zu einer engen Wendeltreppe kommen. "Erzähl mir nicht, dass du das hier beim ersten Spaziergang schon hinter dich gebracht hast", sage ich und er grinst. "Ich bin eben sehr neugierig. Aber wenn man die Wanderung erstmal hinter sich hat, ist es wirklich schön. Vertrau mir."
Als wir nach mehreren Minuten auch die Treppe zurücklassen, bemerke ich, dass wir auf einem geheimen Dachboden gelandet sein müssen. "Sagtest du nicht was von Bunker?", frage ich und sehe mich fasziniert um. "Zu dem führt eine Treppe in den Keller. Das hier ist zwar auch sehr sicher, aber bei Sturm oder im Sommer war man unten deutlich besser aufgehoben." Ich nicke und sehe mir die alte Einrichtung an. Große Fenster (natürlich die mit dem milchigen Glas) geben einen groben Einblick in die Natur um uns herum, mehrere Holzbetten sind an der Wand gegenüber aufgereiht. Eine altmodische Schreibmaschine steht auf einem breiten Schreibtisch und lädt förmlich dazu ein, sich hinzusetzen und eine Geschichte vom Kopf ins Papier fließen zu lassen, inspirierend sind dabei auch die Portraits, die wie das Herz des Raumes in Prunk an der Wand hängen.
"Wer sind diese Leute?", wispere ich in Ehrfurcht und habe das Bedürfnis vor den Bildern niederzuknien. "Das sind die Vampire, die hier mal gelebt haben. Einige von ihnen waren Dämonen, das sind dann die Zeiten gewesen, in denen beide Arten gut miteinander auskamen. Bevor die Dämonen... Nun ja." Mit Schuldgefühlen überrannt, sehe ich aus dem Fenster. Dämonen sind nichts als Monster und ich bin immer noch einer von ihnen. "Wag es gar nicht erst dich schuldig zu fühlen. Du hast mit den Streitereien von damals nichts zu tun." Langsam nickend gehe ich zu einem der Fenster und lehne mich an die kühle Glasscheibe. "Ich finde es nicht fair, dass ich zu denen gehöre ohne eine Wahl zu haben." Louis lacht auf und stellt sich vor mich. In seiner galanten Art und Weise legt er seine Hände auf meinen Schultern ab und beugt sich für einen schnellen Kuss zu mir vor. "Deine Augen weisen eine Reihe an Farben auf, deine Kräfte sind noch zur Hälfte unentdeckt und dein Charakter ein Dschungel aus Emotionen und neuen Seiten. Und du sagst, du willst nicht einer von ihnen sein? Außerdem würdest du niemals jemandem weh tun wollen. Du bist wunderschön, genau wie du bist." Mein Blick geht zum Boden, so geschmeichelt und gerührt bin ich von seinen Worten. Und zu gerne würde ich etwas erwidern, etwas, was ihn so beschreibt, wie ich ihn sehe und liebe. Aber ich bin nicht mutig genug, um meinen Schwall an Worten zu entfesseln. Plötzlich spüre ich zwei Finger an meinem Kinn, die es sanft anheben. "Hey. Sieh mich an." Seine Stimme lässt meine Knie wacklig werden und ich meine sogar, dass ich vergesse zu atmen, da liegen seine Lippen auf meinen und bringen mich innerhalb von Sekunden um den Verstand.
Alles, woran ich mich später wohl noch erinnern werde, ist, wie er mich unter geschickten Gesten zum Bett beförderte und ich mich lachend darauf fallen lasse. Er kommt zu mir hinunter und irgendwie schaffen wir es, dass er über mich gebeugt auf mich hinab sieht und mir gesteht, dass er schon vor langer Zeit vorgehabt hatte, mich hierher zu bringen. Weil er sich sicher war, dass ich jemand für eine sehr, sehr lange Zeit sein würde. Ich hoffe, dass ich mich später daran erinnern werde, wie fokussiert er ist, als er im Vergessen alles anderen meine Bluse öffnet und es mir so vorkommt, als sei er der erste, der es richtig macht. Mit Liebe und allem, was dazu gehört. Die Jungs und Männer davor waren anders.
Nicht allzu lange Zeit später liegen wir unbekleidet eng aneinander geschlungen da und in meinem Kopf scheint alles wild umherzuschwirren. Alles ist leidenschaftlich und warm, dennoch nicht wild. Er merkt, dass ich nachdenklich geworden bin. "Worüber machst du dir Gedanken?", fragt er und unsere Gesichter sind nur Zentimeter voneinander entfernt. "Ich will gar nicht nachdenken... aber irgendwie tue ich es trotzdem." Er seufzt und küsst mich lange und innig. "Und ich weiß wahrscheinlich, worum es geht." Eine Augenbraue prüfend anhebend grinse ich ihn an. "Weil du Gedanken lesen kannst oder weil du mich so gut kennst?" Ein weiterer Kuss folgt und er lächelt nun auch. "Ein bisschen von beidem und du hast die Wahrheit." Ich schließe die Augen und atme tief ein und aus. Versuche in mich hinein zu horchen. Es ist nicht, dass ich es nicht will. Der Grund für mein Zögern ist das, was mehr Druck auf mich ausübt, als ich es eigentlich vertrage.
Als ich die Augen öffne, hält Louis eine kleine, silberne Verpackung in der Hand und ehe ich überhaupt darüber nachgedacht habe, weiß ich bereits, was es ist.
"Entscheide du", ist alles, was er dazu sagt. Ich kommentiere das nicht weiter und ziehe seinen Kopf näher an mich heran. Der nächste Kuss scheint mir wie die Antwort auf meine Frage. Meine Hand gleitet zu seiner und schnippst das Quadrat, das er zwischen Zeige- und Mittelfinger hält, weg. Er sieht mir lange in die Augen ohne sich zu rühren.
Ich hoffe, dass ich alles nachfolgende noch lange in Erinnerung behalten werde.
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Beautiful Eyes
Fanfiction(1D FF) Das Leben ist hart. Genau das muss Hazel nun am eigenen Leib erfahren, denn die Krankheit, die sie hat ist unheilbar: sie hat AIDS. Und das im fortgeschrittenen Grad, das heißt es kann nur schlimmer werden. Sie ist kurz davor an ihrem S...