Kapitel 18

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Training. Heute soll es beginnen. Louis liegt leise atmend neben mir und mumelt ab und zu etwas. Ich grinse und schäle mich aus dem Bett. Louis zuckt kurz zusammen und öffnet dann die Augen. "Morgen", murmelt er verschlafen und streckt sich gähnend. Das steckt mich an und ich gähne noch während ich ein "Morgen" erwidere. "Alle gut bei dir?", fragt er mich musternd und ich muss mir ein Grinsen verkneife als ich sage: "Nein die Nacht war schrecklich, du hast ja keine Ahnung, wie laut du schnarchst!" Er sieht mich erschrocken an. "Wirk- einen Augenblick mal, du lügst doch!", lacht er. Ich ziehe die Augenbrauen erstaunt hoch. "Hast du etwa Beweise, die das Gegenteil klarmachen?" Er steht auf und nähert sich mir. "Nein", murmelt er, "aber ich habe das Wissen in der Hand, welches da besagt das Vampire gar nicht schnarchen können." Na toll. Ich versuche bockig zu gucken und kreuze die Arme vor der Brust. "Was jetzt los?", fragt er mich grinsend und vorahnend. "Nur, weil du so klug bist", sage ich und schmolle. "He, Kleines, was kann ich dafür, dass du einfach das dreizehnte Kapitel im Buch übersprungen hast?" "Ich dachte, das wäre ne Unglückszahl. In Kapitel Zwölf stand da was von. Und mit Bleistift stand da unten auf der Seite Überspring bloß das Dreizehnte Kapitel!" Louis lacht nun richtig los. "Oh, Nein, sag nicht, dass du das warst!", rufe ich und er geht rückwärts Richtung Tür. "Ähm... Nein? Für was hälst du mich  bloß?"  Er geht aus dem Raum und ich ihm hinterher. "Du... ", fange ich gespielt schuldbewusst an und lasse den Kopf sinken. Was er kann, kann ich auch! "Hmh?". fragt er und bleibt stehen. "Ich... ich hab dir das geglaubt und alle Bücher des Hauses sein dreizehntes Kapitel entrissen... Es tut mir Leid" Ich warte ab. Er sagt nichts. Ich sehe auf und gucke direkt in ein etwa einen Meter entferntes, geschocktes Gesicht. "Nicht doch... du... hast... ernsthaft jetzt?", murmelt er etwas undeutlich und ich sehe pure Panik in seinen Augen aufblitzen. Ich gehe langsam rückwärts, versuche die Lage noch echter wirken zu lassen. Er schlägt sich mit der Hand auf die Stirn und lässt sie langsam sein Gesicht runtergleiten. "Oh mein Gott.", bringt er heraus. Jetzt muss ich doch grinsen, dieser Gesichtsausdruck ist unbezahlbar. Sein Gesicht gewinnt wieder etwas an Farbe, wenn mein bei Vampiren überhaupt davon sprechen kann, und er zieht die Augenbrauen nachdenklich zusammen. "Lügst du etwa?", raunt er und will bedrohlich wirken, doch ich lache nur los. Klar, er könnte wirklich bedrohlich wirken, wenn er wollte, aber in diesem Fall... Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt und endet erst, als wir Liam in die Arme laufen. Dieser sieht uns verwirrt und amüsiert zugleich an. "Nun aber ab frühstücken, danach gehts los mit Training", lacht er und geht wieder. Louis und ich trotten etwas außer Atmen in die Küche und widmen uns unserem Essen, beziehungsweise er sich seinem Bluttee zu.

Ich konzentriere mich. Das ist mein zehnter Versuch. Ich glaub, ich hör gleich mal auf mitzuzählen, das mich mich ganz depressiv. Ich blicke vor mich. Sehe genau auf die kleine Zielscheibe und schließe die Augen. Das Zucken in meinen Fingern beginnt und ich denke wieder an diese Zielscheibe. Das Ziel im Kopf behalten und dann... Ich mache eine Faust und löse sie mit einem Mal, spreize die Finger ruckartig und öffne die Augen. Gleichzeitig spanne ich meine Arme an und denke nach vorne. Und tatsächlich. Ein warmes Flackern schießt aus meinen Fingerspitzen und bündelt sich dann etwa zwanzig Zentimeter entfernt zu einem größeren Strahl. Meine Aufgabe ist es nun einfach die Zielscheibe zu treffen. Wenn möglich einige Sekunden halten. Der Blitz ist rot und erinnert mich etwas an mit Wasser gemischtes Blut. "Sehr gut", lobt mich Liam. Ich strenge mich weiter an und die Spannung in meinem Arm geht nun bis in meine Hand vor, kämpft sich immer weiter und zieht weiter bis in meine Fingerspitzen. Die Farbe des Blitzes ändert sich schlagartig, er bekommt nicht nur mehr Nachdruck, sondern wird auch dunkler. Der Wasseranteil in der Mischung aus Wasser und Blut wird weniger und weniger, bis der Blitz dunkelrot ist. Mit einem Mal zerspringt die Zielscheibe und Spiltter fliegen in alle Richtungen. Das erschreckt mich so sehr, dass ich zusammenzucke und mich kurz nicht konzentriere. Sofort hört der Blitz auf und zieht sich wieder zurück in meine Hand, die ich nun ausgiebig betrachte, so als sähe ich sie zum ersten Mal in meinem Leben. "Wow", höre ich Louis hinter mir sagen, er klatscht annerkennend in die Hände und stellt sich dann neben mich. Zayn, der etwa drei Meter neben der Zielscheibe gestanden hatte und geschockt zur Seite gesprungen war, als diese zerplatze, sieht mich erschrocken an. "Ich denke wir haben wir einen echten Überflieger", sagt er und klopft mir auf die Schulter. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, niemals hätte ich geglaubt, dass ich zu so etwas in der Lage bin. Plötzlich fühle ich noch eine Hand auf meiner Schulter. Niall?! Ich drehe mich um. Nein, es ist James. Freut mich, dass er hier ist. Er nimmt mich in den Arm und sagt  staunend. "Soso, die kleine Senorita hat mehr drauf, als sie denkt!", lacht er und löst sich von mir. "Tja", erwidere ich, "Was man als angehender Vampir nicht alles lernt..." Er sieht mir noch einige Minuten dabei zu, wie ich mich an anderen Übungen versuche, hört gespannt den Erklärungen der Jungs zu und hält ab und zu mal eine Zielscheibe. "Na dann, Leute, ich muss zur Arbeit. Könnt ja später vorbei kommen, wenn ihr wollt!", sagt er dann. "Wo arbeitest du eigentlich?", fragt Louis und sieht James stirnrunzelnd an. "Im Café von Kathleen. Sie ist jetzt mein Boss."  "Bei Kathleen?!", wiederholt Louis und seine Augen leuchten. Entweder er ist oder war mal in sie verknallt, oder er liebt einfach die Sachen, die sie verkauft. "Da schließen sich die Kreise wieder", mein Liam und James sowie auch Louis grinsen bis über beide Ohren.

Nach etwa einer weiteren Stunde Training und vielen neuen Übungen bin ich nicht mehr so unsicher meinen Kräften gegenüber wie vorher. Die meisten Übungen dienen als Selbstverteidigungsmöglichkeit, andere sind beinahe überlebensnotwenidig. MIttlerweile habe ich sogar die Sache mit den Augen ein wenig drauf, wenn ich mich anstrenge verfärben sie sich leicht rötlich. Dann sieht alles etwas anders aus, als sonst. Etwas weniger farblich, mehr grau. Aber wenn man genau auf eine Körperstelle achtet, zum Beispiel der Hand, dann kann man die Adern deutlicher sehen, einige Punkte sind dunkler, andere heller. Zayn sagte, dass die dunklen Flecken meist einen besonders guten Bisspunkt kennzeichnen. Irgendwann werde ich das wohl oder übel brauchen. Wenn ich überlebe zumindest.

Vor uns erstreckt sich eine Wohnlandschaft, wie ich sie noch nie gesehen hab. Altbauhäsuer, wo man auch hinschaut, als wäre man plötzlich wieder im Mittelalter. Alles ist so unnaufällig und klein, aber das macht den Charme dieses Ortes aus. "Voila", sagt Louis neben mir, "Das Centre. Gefällts dir hier?" Ich nicke langsam, bin immer noch am Verarbeiten der vielen Eindrücke. "Eigentlich ein Wunder, dass sie uns reingelasse haben", sagt Zayn. "Hmh", macht Harry und sieht in die Ferne, wir sollten aufpassen, dass das auch so bleibt, sonst können wir ganz schnell wieder n Abgang machen. Weiß Jemand von euch noch wo Kathleens Café war?" Liam weist mit der Hand in eine besonders kleine, schmale Straße. "Hier entlang war es glaub ich. Direkt neben der Wohnung von- wie hieß die noch gleich?" Zayn sieht ihn verwirrt an. "Wen meinst du?"  "Na die alte, die uns damals angezeigt hat, weil wir ihre Katze angeblich geklaut haben!" Harry lacht. "Ja, klar, stimmt. Ob die da wohl immer noch vor sich hin zaubert und daran glaubt, dass diese tödliche Mischung aus Vogel und Katze wieder nach Hause kommt?"

Kurz vor dem Haus, welches vor das Heim von dieser Hexe sein soll,  bleibt Louis stehen. Der Rest sieht ihn fragend an, doch er reagiert gar nicht erst. Ich folge seinem Blick und entdecke einen kleinen Jungen, der etwas abseits des Mengen aus verschiedensten Wesen steht. Kleine Katzenohren auf seinem Kopf verraten mir, dass er ein Katzenhybrid ist. Sein kurzer Katzenschwanz hält sich krampfhaft an seinem Beinchen fest und er sieht nervös hin und her. Seine Kleidung ist größtenteils zerissen und dreckig, er sieht wie ein Waisenjunge aus. Er tut mir Leid. Irgendjemand muss ihn aus dieser Lage befreien und dieser Jemand werde ich sein. Und nicht nur ich, auch Louis wird mitkommen, zumindest wenn man seinem Gesichtsausdruck glauben kann. Er sieht mich an und nickt in Richtung des Jungen. Wir gehen ohne Worte los, die anderen beiden zögern, dann kommen auch sie uns hinterher.

"Hey", sage ich so sanft wie möglich und knie mich etwa einen Meter vor ihm auf den Boden. "Hallo", antwortet er und sieht auf. Seine Augen weiten sich etwas und seine kindlichen Händchen ballen sich zu Fäusten. "Keine Angst, wir tun dir nichts", sagt nun Louis, der sich neben mich gehockt hat. Er lächelt wieder dieses wunderbare Lächeln und steckt den Hybriden an, dessen Mundwinkel nun ein kleines bisschen nach oben zucken. "Wie heißt du?", frage ich und er antwortet kleinlaut: "Pancha." (A/N: ausgesprochen wird der Name wie Panscha :D) Er scheint ein wenig mit sich zu kämpfen, ob er noch was sagen soll, oder nicht. Schließlich öffnet er den Mund und sagt: "U-und wie heißt ihr?" "Ich bin Hazel", antworte ich ihm und sehe Louis an, der daraufhin sagt: "Und ich bin Louis." Er sieht uns an, kichert leise. "S-seid ihr ein P-päarchen?" Ich lache leise auf. "Nein, wie kommst du darauf?", frage ich und er scheint kurz zu überlegen. "Na weil ihr eben Händche gehalten habt" Ich runzle die Stirn. Wann hatten Louis und ich Händchen gehalten? Ah, es fällt mir ein. Louis erklärt schnell: "Oh, das war nur sehr kurz, ich habe sie mit in die Straße gezogen, in die wir mussten, mehr war da nicht." Pancha kichert wieder. "Ach so"  Dann sieht er etwas weiter weg und sein Blick wird wieder trüb. "Was ist mit dir?", frage ich. "Da ist so ein komischer Junge... Seht nicht hin! Der beobachtet mich un-" Plötzlich reißt uns etwas nach hinten. "Entschuldigt meinen kleinen Bruder", sagt ein Hybridenjunge, der etwa in Louis Alter zu sein scheint (23). Wo kommt der denn plötzlich her? Und wieso holt er seinen Bruder nicht schon früher hier weg? Wer weiß, wer ihn noch alles hätte ansprechen können, wenn nicht wir? Vielleicht jemand mit schlechten Absichten... "Wieso lässt du deinen Bruder hier so alleine stehen?", frage ich und sehe dem Kerl fest in die Augen. Sie funkeln mich in einer Mischung aus Boshaftigkeit und Freude an. Wie schon erwähnt ist er auch ein Hybrid und schlängelt deswegen nun seinen langem geschmeidigen Katzenschwanz um meine linke Wade. "Ich musste schnell etwas... erledigen." Ich gehe einen Schritt zurück und sein Katzenschwanz löst sich von meinem Bein. Er seufzt genervt auf. "Komm Pincha, wir gehen." Pincha? Ich dachte, der Kleine heißt Pancha? Welcher großer Bruder weiß den bitte den Namen seines kleinen Gefährten nicht? Oder hat Pancha geogen? Oder Pincha. Oder wie auch immer er jetzt heißt. Ich drehe mich zu Louis, dieser legt schützend einen Arm um meine Schulter. Er scheint dem Typen auch nicht zu trauen. So schnell wie dieser gruslige Kerl gekommen ist, verschwindet er auch schon wieder. Und nimmt Puncha mit.


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