Unruhe am ersten Tag

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  Kapitel 2
„Entschuldigen Sie bitte, mein Name ist Maya Bell, ich bin hier wegen des Praktikums", wiederholte Maya nachdrücklicher. Die Frau blickte von ihrem Bildschirmen auf und sah sie mit einem kurzen abschätzigen Blick an, runzelte die Stirn und legte dann den Stift aus ihren Händen.
„Kenne ich Sie?", fragte diese und Maya schluckte etwas unbehaglich. Auch von ihr waren einige Bilder in den Medien aufgetaucht, aber das war Wochen her und sie war bis jetzt noch nicht in die peinliche Situation gekommen, erkannt zu werden. Zumindest glaubte sie das und sie hoffte, dass es auch so blieb. Sie war letztendlich zu unbedeutend, als dass man sich an sie erinnern würde.
„Sicher nicht. Ich bin Maya Bell, ich habe einen Termin bei Mrs Lungrit, Beatrix Lungrit. Ich bin ihre neue Praktikantin", erklärte Maya flink. Die Frau schürzte die Lippen, drückte den Knopf ihres Headsets und sprach, ohne den Blick von Maya zu nehmen., mit jemandem
„Mrs Bennson, da ist jemand der behauptet ein Praktikum bei Mrs Lungrit zu haben." Ein kurzes Schweigen entstand, dann: „In Ordnung. Mache ich."
„Warte hier bis du abgeholt wirst, Kindchen. Es kommt jemand der dich mit hinein nimmt." Ohne ein Lächeln oder weitere Höflichkeiten kümmerte die Frau sich wieder um ihre Arbeit, Maya wurde von einer weiteren Besucherin zur Seite geschoben und blieb dann ein wenig hilflos neben der Rezeption stehen.
Sie beobachtete die gut gekleideten Leute, die aufgeregt zur Rezeption gingen, sich dort den Weg erklären ließen und selbstständig zu den Fahrstühlen hechteten, um ihre Termine wahrzunehmen. Und von Minute zu Minute wurde ihr unbehaglicher. Frustriert sah sie auf ihre Armband Uhr. Fünfzehn Minuten. Ob man sie vergessen hatte?
Mit einem Seufzen wandte sie sich wieder zum Empfang und knallte in diesen Moment auch schon mit jemandem zusammen. Entsetzt spürte Maya, wie sich feuchte Hitze auf ihrer Bluse ausbreitete und besah sich den großen Kaffeefleck auf ihrer Bluse. Der Besitzer des Kaffees zeterte sofort auf, als er feststellte, dass auch der feine Krawattenstoff von der Flüssigkeit nicht verschont geblieben war.
„Passen Sie doch auf, wo sie hinrennen! Wo haben sie ihre Augen gelassen, junge Dame? Kennen sie den Begriff Achtsamkeit überhaupt?", fuhr es ihr von einer festen, maskulinen Stimme entgegen und sie betrachtete den Mann, der sie aus verengten dunklen Augen anstarrte, als wäre sie direkt der Hölle entsprungen. Er sah gut aus, nicht auf diese rohe, gefährliche Art und Weise wie Damien, aber er war definitiv nicht unattraktiv. Er hatte kurzes, streng zurückgekämmtes schwarzes Haar, eine mahagonifarbene Haut, die auf amerikanische Ureinwohner als Vorfahren schließen ließ und ein Gesicht, das sicher umwerfend gewesen wäre, wenn es nicht in diesem Moment zu einer unfreundlichen, mörderischen Miene verzogen gewesen wäre.
„Mist verdammt. Sibille? Schicken sie diese Frau in mein Apartment, die behauptet meine Sekretärin zu sein und lassen sie mir einen neuen Anzug bringen!", donnerte er über drei Köpfe hinweg zur Rezeption hinüber, wo die drei Frauen plötzlich alles stehen und liegen ließen, um sich ihm zuzuwenden.
Maya schluckte. Oh, Gott. Hohes Tier, gleich am ersten Tag Kaffee über den Anzug gekippt. Check. Sie war erledigt.
„Sofort, Mr Hunter. Ich sage ihr Bescheid, ich lasse Ihnen sofort einen neuen Kaffee bringen! He du, Praktikantin! Geh einen Kaffee holen und beeil dich!" polterte die Rezeptionistin. Maya zuckte kurz zusammen, wagte es aber nicht es noch schlimmer zu machen und nutze die Gelegenheit, sich aus dieser Situation zu retten, dankbar an.
Ohne auf ihr eigenes verwüstetes Äußeres zu achten, lief sie durch die Menschenmenge und erreichte kurz hinter dem Eingang einen kleinen Stand der Kaffee verkaufte. Als sie ankam reichte sie dem jungen Mann, der ihr den Becher in die Hand drückte mit zittrigen Fingern ein paar Dollar und versuchte so schnell wie möglich zurück zu hetzen. Die Rezeption war nun leer, die Leute machten einen großen Bogen um die drei Frauen, die einen immer noch ungehaltenen Mr Hunter umsorgten. Neben ihm stand eine junge Frau, wenige Jahre älter als Maya, nicht wirklich hübsch, aber dafür mit ein paar unglaublich intensiv blauen Augen mit dichten, langen, schwarzen Wimpern, die ängstlich zu Mr Hunter aufblickten.
„Und diesmal den Richtigen, Kathleen, keinen Abendanzug und auch keinen für private Zwecke. Einen Geschäftsanzug, verstanden? Und das schnell, ich will ihn nicht nach dem Meeting anziehen müssen."
Die Frau nickte, sodass ihre kurzen, krausen Locken niedlich um ihr hageres Gesicht hüpften.
„Worauf warten Sie dann noch?", fauchte Mr Wild und die Frau machte sich eilig auf den Weg. Armes Ding, wenn ihr Boss so ein Arsch war, hatte sie sicher keinen leichten Job und Maya hatte ihr auch noch mehr Probleme gemacht. Mit einem schlechten Gewissen, lächelte sie die Sekretärin an, als diese an ihr vorbeizog, ihren Blick aber nicht erwiderte und brachte den Kaffee schnell zum immer noch zeternden Mann.
Ohne darauf zu warten, dass er auf ihre Anwesenheit reagierte, nahm Maya ihm den, nun so gut wie leeren Kaffeebecher aus der Hand, ließ ihn in den nächsten Eimer fallen und drückte ihm einen vollen in die große Pranke. Sie konnte nicht anders, sie mochte keine Männer die so herablassend mit Frauen umgingen und schon gar keine Stinkstiefel, die zu erwarten schienen, dass sich alle ein Bein für ihn ausrissen. Kathleen, hatte einen solchen Ton nicht verdient gehabt, sondern sie allein.
Sie straffte die Schultern, beachtete seinen verdutzen Blick nicht, als sie ihm quasi einen Becher aus der Hand nahm und einen anderen hineindrückte und sah zu ihm auf.
„Ihr Hemd und das Sakko haben nichts abbekommen, nehmen Sie einfach diese fürchterliche Krawatte ab. Die Teilnehmer des Meetings werden Ihnen dafür dankbar sein und seien sie etwas netter zu ihrer Sekretärin, ich an ihrer Stelle würde ihnen jetzt Juckpulver in den Anzug reiben", erklärte sie mit einem Lächeln, wovon sie wusste, dass es einfach nur süß und unschuldig aussah. Dann wandte sie sich an die Rezeptionistin.
„Sibille? Darf ich Sie so nennen?", fragte Maya weiterhin zuckersüß und wartete nicht ab bis die Frau mit ihrem verwirrten Blinzeln fertig war. „Bitte entschuldigen Sie dieses durcheinander, ich übernehme selbstverständlich die Reinigungskosten von Mr. Hunter. Ich bin anscheinend vergessen worden und finde den Weg sicher auch alleine an meinen Arbeitsplatz, wenn Sie so freundlich wären mir zu sagen wo ich hin muss. Ich will nicht noch mehr Unordnung stiften."
Mayas breite, sympathisches Lächeln, erwiderte die Frau fast schon überschwänglich und warf Mr. Hunter einen kurzen gehässigen Seitenblick zu. Wie es aussah, war Mr Hunter zwar wichtig, aber nicht besonders beliebt.
„Vierter Stock, zweiter Gang, Büro Nummer siebzehn. Melden sie sich bei Mrs Bennson. Sie ist alt und leicht vergesslich, nimm's dir nicht zu Herzen, Schätzchen", sagte sie extrem freundlich und Maya wusste einfach, dass sie die Rezeptionistin mögen würde.

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