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Unruhig wälzte ich mich im Bett hin und her. Mein Kopf schmerzte, obwohl ich bei Carolines Party nicht sonderlich viel getrunken hatte. Carolines Party. Der Gedanke daran machte mich verrückt. Ich beschloss zur Ablenkung unter die Dusche zu gehen. Ich schloss meine Augen und ließ das warme Wasser über meinen Körper fließen.
Wenn ich meine Augen schloss, spürte ich seine Lippen wieder auf meinen. Es war eine Berührung, die ich mir so lange herbeigesehnt hatte und doch wusste ich nicht, ob ich mich damit allzu wohl fühlte.
Sanft drückte ich Shawn von mir weg. "Shawn,-"
"Nein, Lyra. Sag jetzt bitte nichts, okay?", sagte Shawn und nahm meine Hände in seine. Das Feuerwerk verstummte langsam und ein kühler Wind verlieh mir eine Gänsehaut. "Ich wollte das tun. Eigentlich schon sehr lange. Von dem Moment, in dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe, konnte ich dich einfach nicht mehr vergessen. Es ist mir egal, ob du ein Wrack bist und ich dich wieder aufbauen muss. Egal, wie oft du mich wegstößt, ich werde dich nicht verlassen, Lyra. Du bist mir sehr wichtig und ich weiß, dass ich dir auch wichtig bin. Und ich habe mich in dich verliebt. In deine Augen und in dein Lächeln. Du bist alles für mich, Lyra. Und ich musste dich einfach küssen. Wenigstens ein Mal."
"Shawn", murmelte ich und zog meine Hände aus seinen, was das Lächeln von seinem Gesicht fegte. "Es tut mir so leid."
"Nein, mir tut es leid."
"Du bist mir so wichtig, Shawn. Du hast mich wieder aufgebaut und mir einen Sinn im Leben gezeigt. Aber meine Familie ist tot und ehrlich gesagt, habe ich das nicht verkraftet. Ich bin glücklicher, aber es ist immer noch so präsent. Manchmal weiß ich nichtmal, wer ich bin. Dich zu haben, bedeutet mir so viel. Und das, was wir jetzt haben, ist gut. Ich will das nicht aufgeben und ich bin einfach noch nicht bereit für mehr. Es tut mir so unendlich leid", sagte ich und versuchte die Tränen zurückzuhalten.
"Hey", murmelte Shawn und nahm mich in den Arm. "Du musst dich nicht entschuldigen."
Ich löste mich aus der Umarmung und sah ihn an.
"Ich kann auf dich warten", sagte Shawn und legte seine Hand an meine Wange. "Egal, wie lange du brauchst."
Ich nahm seine Hand, die an meiner Wange lag. "Ich will aber nicht, dass du auf mich wartest."
"Was?"
"Ich will das, was wir hatten. Ich bin nicht bereit für eine Beziehung und ich weiß auch nicht, wann ich das sein werde", sagte ich.
"Lyra, ich warte und ich werde für dich da sein, so wie ich es die letzten Monate war", erwiderte er.
"Ich sollte jetzt vielleicht gehen", gab ich zurück.
"Okay", murmelte er. "Ich rufe dich dann mal an und-"
"Shawn", unterbrach ich ihn und wischte mir eine Träne weg. Er sah mich fragend an. "Ruf nicht an."
Er hatte angerufen. Mehrmals, doch jedes Mal hatte ich ihn weggedrückt. Seit dem Kuss war die Welt irgendwie aus dem Gleichgewicht und ich wusste nicht, wie ich das zurechtbiegen sollte. Als ich aus der Dusche stieg, hatte ich einen weiteren Anruf von Shawn auf meinem Handy.
Den Rest des Tages verbrachte ich mit putzen, da ich mich irgendwie von ihm und dem Kuss ablenken musste. Shawn rief nur noch ein Mal an, doch dann verstummten seine Anrufe. Auch jetzt, da ich nicht mit ihm reden wollte, sehnte ich mich nach ihm. Nach seiner Stimme und nach seinem Lächeln. Natürlich hatte ich Gefühle für ihn, aber diese reichten nicht aus. Ich wollte es mir selbst nicht eingestehen, aber ich hatte Angst. Irgendwann würde mich Shawn verletzen und ich konnte momentan keine weiteren Schmerzen ertragen. Vielleicht könnten wir ja normal weiter machen wir zuvor, wobei ich das stark bezweifelte. Nachdem ich geputzt hatte, legte ich mich erschöpft auf mein Bett.
Shawn hatte nicht mehr angerufen, aber ich hatte eine SMS von Caroline.
Hey, alles in Ordnung? Du warst gestern plötzlich weg.
Ich seufzte und antwortete. Tut mir leid, alles ist in Ordnung.
Sofort kam eine Antwort. Warte mal... Hast du etwa Shawn abgeschleppt? Er war nämlich auch plötzlich verschwunden. Schon während des Feuerwerks.
Wir waren auf deinem Balkon und haben es uns da angeschaut, antwortete ich.
Bitte sag mir, ihr habt es nicht in meinem Bett getrieben.
Ich lachte kurz auf. Caroline!!! Natürlich haben wir das nicht und ich bin auch ohne ihn nach Hause gegangen.
Caroline war gerade dabei zu schreiben, als ich ein seltsames Geräusch hörte. Zuerst dachte ich, ich hätte mir das eingebildet, doch es kam wieder. Erst dann merkte ich, dass kleine Steinchen gegen mein Fenster knallten. Vorsichtig öffnete ich das Fenster und blickte nach unten, wo Shawn stand.
"Was machst du da?", fragte ich verwirrt.
"Du hast mich weggedrückt", sagte er und hob verteidigend die Arme in die Luft.
"Das war Absicht", erwiderte ich und schloss das Fenster. Das letzte, was ich wollte, war mit ihm zu sprechen. Seufzend ließ ich mich auf meinem Bett nieder, als mein Handy klingelte. Shawns Bild erschien auf dem Bildschirm. Wütend nahm ich den Anruf an. "Was willst du, Shawn?"
"Geht das auch netter?", fragte er.
"Tut mir leid", murmelte ich. "Ich will nur gerade nicht reden."
"Doch, das willst du", entgegnete er. "Komm auf den Balkon."
Sofort stand ich auf, zog die Vorhänge auf und sah Shawn auf meinem Balkon. Ich legte auf und öffnete schnell die Tür. "Bist du verrückt?"
"Nach dir", gab er zurück.
"Shawn."
"Kleiner Scherz", erwiderte er lächelnd. "Darf ich reinkommen? Bitte."
Ich zögerte.
"Ich habe Pizza mitgebracht", fügte er hinzu.
"Na schön", sagte ich und ließ ihn in mein Zimmer. "Warum nimmst du nicht wie normale Menschen die Haustür?"
"Ist doch viel romantischer so", erwiderte er. Na toll, ich sagte ihm, dass ich keine Beziehung wollte und er machte Anspielungen. "Ich wollte reden und ich weiß, dass du abends nur ungern die Tür aufmachst, wenn du niemanden erwartest."
Er stellte den Pizzakarton auf meinem Bett ab und trat etwas näher zu mir. "Darf ich dich wenigstens umarmen?"
Ich schüttelte lachend den Kopf. "Natürlich, du Idiot."
Er schloss seine Arme um mich und hielt mich eine Weile. "Ich dachte, du bist wütend."
"Ich bin verwirrt", erwiderte ich und löste mich aus der Umarmung, bevor ich mich auf das Bett setzte. Shawn setzte sich neben mich.
"Es tut mir leid, wenn ich abweisend bin. Ich will keine Beziehung und ich weiß, dass dich das verletzt", sagte ich. "Ich habe Gefühle für dich, Shawn. Aber das reicht nicht aus."
"Ist schon okay, Lyra", erwiderte Shawn. "Wir machen weiter wie normal. Ich hasse dich nicht dafür, dass du keine Beziehung willst. Das ist mehr als in Ordnung für mich. Also kannst du jetzt aufhören mich wegzustoßen. Mich wirst du nicht so schnell los. Ich werde dir noch eine Weile lang auf die Nerven gehen."
"Danke, Shawn."
"Schon gut", erwiderte er und lächelte mich an.

Deep Waters [german]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt