"Bist du sicher, dass du alles hast?", hakte Shawn zum zehnten Mal nach. "Ja, Shawn. Ich bin mir ganz sicher", bestätigte ich und drückte ihm den letzten Karton in die Hände, ehe ich mich nochmals ins Haus begab. Ich lief durch jeden Raum und stellte sicher, dass alles ausgesteckt war und alle Fenster geschlossen waren. Als ich meinen kleinen Rundgang beendet hatte, zog ich mir meine Jacke an. Bevor ich die Tür hinter mir schloss, blieb ich im Gang stehen und warf einen letzten Blick in das Haus. Natürlich würde ich oft hier sein, an den Wochenenden oder in den Semesterferien, aber das Haus so leer zurückzulassen, stimmte mich irgendwie traurig.
Ich spürte wie sich Shawns starke Arme um meinen Körper schlangen. "Bist du bereit?", fragte er und sah mich an. Ich nickte. "Ja, wir können gehen." Über die letzten vier Wochen hatte er mir beim Packen und allen anderen Vorbereitungen geholfen. Ich würde in einem Studentenwohnheim leben, zusammen mit einigen anderen Studenten. Ich betete dafür, dass meine Mitbewohner freundlich waren.
Shawn hatte darauf bestanden, mich zu fahren und stieg nun ins voll beladene Auto, während ich einen letzten Blick auf das Haus warf. Ich hatte die Autotür kaum hinter mir zugeworfen, als Shawn schon den Motor startete und losfuhr. Aus dem Radio drang leise Musik, aber meine Nervosität stieg trotzdem immer weiter. "Alles gut?", fragte Shawn, als er bemerkte, dass ich meine Finger knetete. "Ja... Ich bin nur unfassbar nervös", gab ich zu und er griff nach meiner Hand. "Du musst nicht nervös sein. Du bist so schlau, du schaffst das Studium mit links. Und die Professoren werden dich lieben. Genauso wie deine Mitbewohner", versicherte er mir mit einem aufmunternden Lächeln.
"Wie kannst du das wissen?"
"Weil man einfach nicht anders kann, als dich zu lieben, Lyra", sagte er. Sein Blick blieb auf der Straße, aber er hatte ein breites Grinsen im Gesicht. "Danke, Shawn." Ich strich mit meinem Daumen über seine Hand und er drückte meiner kurz fester. "Immer."
Die Verkehrslage war heute ziemlich übersichtlich und es gab zum Glück keine Staus. Ich war immer noch zu nervös wegen des Studiums, dass ich mich die ganze Fahrt über weigerte darüber zu reden, weshalb wir die meiste Zeit nur über belanglose Dinge redeten. Ich war dankbar, dass er mich so gut ablenkte, wie es ihm möglich war und ich wünschte mir, dass die Fahrt noch ewig dauern würde, aber schließlich bogen wir in die Straße ein, in der die Wohnheime standen. "Da wären wir", sagte er und hielt vor dem großen Haus an. Die Straße war zugeparkt mit Autos und Leute trugen ihre Kisten von den Autos in die Häuser. Ich beäugte das weiße Haus für einen Moment und schnallte mich dann langsam ab. Ich stieg aus dem Wagen und keine drei Sekunden später, kam ein Mädchen aus dem Haus gerannt.
"Hey", begrüßte sie mich stürmisch. "Du bist bestimmt Lyra, oder?"
"Ja", antwortete ich unsicher. "Ich bin Erin."
"Freut mich dich kennenzulernen", erwiderte ich und lächelte das blonde Mädchen an.
"Und das ist sicher dein Freund", sagte sie und richtete sich an Shawn. "Ja, der bin ich."
"Okay, dann werde ich dich bestimmt auch mal öfter zu Gesicht bekommen...?"
"Shawn", stellte er sich vor. Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln und wandte sich dann wieder an mich. "Also bevor du deine ganzen Kisten hochschleppst, zeige ich dir erstmal dein Zimmer und gebe dir deine Schlüssel." Ich nickte und folgte ihr in das Haus. Das was ich vom Untergeschoss sehen konnte, war alles ziemlich offen. Es gab einen Art Wohnbereich mit Sesseln und Sofas, die alle etwas zusammengewürflelt aussahen und einem Fernseher. In der Küche standen einige benutze Teller, aber es war ordentlicher als ich es mir vorgestellt hatte. Erin ging jedoch weiter ins Obergeschoss, welches aus einem langen Gang bestand, in dem rechts und links Türen waren. "Hier." Sie öffnete eine Tür. Das Zimmer war ziemlich schlicht und klein. Es hatte weiße Wände und in der Mitte des Raums stand ein Bett. Rechts an der Wand befand sich ein Fenster und daneben eine Kommode für meine Kleidung. Direkt neben dem Bett stand noch ein schmaler Schreibtisch mit einem Stuhl. Ich hatte mir dieses Zimmer im Internet bereits angeschaut und klar, es war nichts im Vergleich zu dem Haus, welches ich die letzten Wochen komplett für mich gehabt hatte, aber es reichte völlig. Erin ließ mir und Shawn einen Moment Zeit, um das Zimmer zu betrachten und öffnete dann die Tür gegenüber von der Tür meines Zimmers. "Und hier wäre das Bad. Am besten kennzeichnest du deine Sachen alle irgendwie, damit sie niemand anders mitbenutzt oder so", erklärte sie grinsend und ich nickte. Sie erklärte mir und Shawn, der uns folgte wie ein Welpe seiner Mutter, alle wesentliche Dinge und drückte mir am Ende des Rundgangs meine Schlüssel in die Hand. Als Erin in ihrem Zimmer verschwunden war, sah mich Shawn durchdringend an. "Ich will nicht dass du hier so allein wohnst." Es klang Besorgnis in seiner Stimme mit, aber ich wusste, dass er es sagte, weil er mich vermissen würde.
"Ich weiß, aber das wird schon", ich schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. "Und jetzt komm, ich bin zu schwach, um die Kisten alleine hochzutragen." Shawn lachte, öffnete den Kofferraum des Wagens und nahm die erste Kiste heraus.Zwei Stunden später hatten wir alle Kisten aus dem Auto getragen und in meinem Zimmer ausgeräumt. Shawn und ich hatten uns auf das kleine, frisch bezogene, Bett gequetscht und starrten beide stumm an die Decke. Er hatte seinen starken Arm um mich gelegt und ich genoss die Wärme seines Körpers und den vertrauten Geruch.
"Ich werde dich vermissen", sagte er plötzlich und ich hob meinen Kopf von seiner Brust und sah in seine schokobraunen Augen.
"Ich werde dich auch vermissen, Shawn, aber wir können uns fast jedes Wochenende besuchen." Gedankenverloren fuhr ich ihm durch das braune Haar und küsste ihn sanft auf den Mundwinkel.
"Ich liebe dich." Er sagte die drei Worte so simpel, dass ich zuerst gar nicht verstand, was gerade passiert war.
"Was?", fragte ich überrascht und richtete mich auf. "Ich liebe dich, Lyra", wiederholte er den Satz und sah mich liebevoll an. Mein Mund verzog mich zu einem breiten Grinsen. Ich war viel zu überrascht, um etwas zu sagen.
"Du musst es nicht sagen, wenn du es noch nicht sagen willst", stammelte er, auf einmal total verunsichert. Nervös fuhr er sich durch die Haare und mein Lächeln wurde noch größer.
"Hey, Shawn", besänftigte ich ihn. "Ich liebe dich auch", erwiderte ich die Worte.
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Deep Waters [german]
FanfictionLyras Leben ist beinahe perfekt. Sie muss sich wegen nichts sorgen und kann jeden Tag genießen. Doch von einem Tag auf den Anderen verändert sich alles. Ihre Familie ist in einen tragischen Autounfall verwickelt und sie ist die einzige Überlende, zu...