"Lyra?", rief Shawn aus der Küche. Ich trocknete mein Gesicht mit einem Handtuch ab. "Ja?" Ich hörte, wie er mir aus der Küche etwas antwortete, doch ich konnte nicht verstehen, was er sagte.
"Was ist denn?", fragte ich, trat aus dem Bad und lief Richtung Küche.
"Du hast absolut nichts mehr da, aus dem ich etwas zu frühstücken zaubern könnte", beschwerte er sich. Er stand in einer Jogginghose und einem grauen Shirt am Herd und blickte verzweifelt auf die leeren Regale.
"Oh Mist!", fluchte ich. "Ich hab total vergessen, einkaufen zu gehen." Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar und sah Shawn entschuldigend an. Er griff nach meiner Hand und zog mich an sich. Seine Hände fanden ihren Weg auf meine Wangen und er schaute mir verschmitzt in die Augen. "Naja... Du warst ja auch anderweitig beschäftigt." Er drückte mir einen Kuss auf die Lippen und ich musste kichern wie ein kleines Schulmädchen. Als er von mir abließ, erwiderte ich: "Und außerdem musst du nicht jedes Mal Frühstück machen, Shawn. Wir haben auch Cornflakes oder einfach nur Brot oder sowas." Shawn erhob geschlagen die Hände und griff nach der Cornflakespackung.
"Aber es ist doch so unfassbar romantisch", äffte er mich wegen des gestrigen Tages nach und brachte mich zum Lachen.
"Lass mich", quengelte ich, nahm zwei Schüsseln aus dem Schrank und reichte sie Shawn. "Frühstück ist nicht romantisch, sondern lecker...und die wichtigste Mahlzeit des Tages." Er verdrehte die Augen und schob sich einen Löffel Cornflakes in den Mund. "Und, ich muss zugeben, wenn du hier oberkörperfrei Spiegeleier braten würdest, sähe dass natürlich sehr heiß aus, aber da du sowieso scheinbar bei allem heiß aussiehst, kannst du genauso gut einfach eine Packung Cornflakes aus dem Regal holen", fügte ich hinzu und grinste Shawn an. "Ich weiß, dass ich heiß bin, du brauchst mich nicht daran erinnern." Seine braunen Augen blitzen schelmisch und ich griff nach einem einzelnen Cornflake und bewarf ihn damit. "Blödmann!"Auch wenn es fürs Frühstück noch gereicht hatte, musste ich wirklich mal wieder einkaufen gehen und Shawn hatte sich bereit erklärt, mich zu begleiten, ehe er nach Hause ging. "Butter, Joghurt und Käse...? Brauche ich sonst noch was aus dem Kühlregal?" Ich sah Shawn fragend an. Er ging ein paar Schritte, griff nach der Milch und legte sie in den Einkaufswagen.
"Danke!" Während ich auf meinem Handy meine Einkaufsliste durchging, begann Shawn zu sprechen: "Also...klar, du kennst ja schon meine Familie, aber mein Cousin heiratet nächste Woche und meine Mom konnte ihre Klappe nicht halten. Lange Rede, kurzer Sinn: Willst du mich begleiten?"
Ich hatte mich so auf die Liste konzentriert, dass ich ihm gar nicht wirklich zugehört hatte.
"Sorry, was hast du grad gesagt?", hakte ich nach.
"Ich wollte wissen, ob du Lust hättest, mich nächste Woche auf die Hochzeit meines Cousins zu begleiten."
Ich lächelte ihn an. "Natürlich komme ich mit."
"Danke! Nur bitte renn nicht vor dem Rest meiner Familie weg... sie sind teilweise sehr überschwänglich", warnte er noch, ehe wir uns in die Schlange an der Kasse einreiten."Und du musst Lyra sein!", begrüßte mich Shawns Tante Emily fröhlich. "Ja, freut mich Sie kennenzulernen." Ich wollte ihr die Hand reichen, doch sie zog mich in eine stürmische Umarmung.
"Oh Schätzchen, du kannst ruhig Emily zu mir sagen. Ich hab schon so viel Gutes über dich gehört!" Sie hielt mich eine Armbreite von sich weg und musterte mich. "Und sieh dich nur an! Bildhübsch! Shawn, da hast du dir wirklich eine Mordsfrau an Land gezogen!"
"Äh, danke Emily.. aber ich sollte Lyra wohl besser noch den anderen vorstellen."
Shawn musste meinen hilfesuchenden, verunsicherten Blick gesehen haben. "Aber natürlich, wir sehen uns später!" Und schon war sie weg.
"Weißt du jetzt, was ich mit überschwänglich meinte?",fragte Shawn lachend.
"Ja, aber das ist schon okay, es war nur sehr überraschend." Er griff nach meiner Hand und führte mich zu einer älteren Frau, die wohl seine Oma sein musste, als jemand seinen Namen rief.
"Shawn!" Ein gut gebauter Mann mitte 20 gesellte sich zu uns. Ich sah sofort seine Ähnlichkeit zu Shawn. "Kyle! Na, schon Bammel?", wollte Shawn wissen.
"Ach was, ich hab meine Kleine im Griff." Er und Shawn begrüßten sich mit einer brüderlichen Umarmung. "Und du bist dann wohl Shawns Kleine, Lyra, richtig?" Ich nickte lächelnd.
"Hey, ich bin Kyle, der Bräutigam." Ich schüttelte seine Hand und stellte mich ebenfalls vor. Dann wartete ich, bis er und Shawn ihr Gespräch beendet hatten und folgte dann Shawn, der mich noch einem Dutzend anderer Leute vorstellte. Die Zeremonie war wirklich schön gewesen und das Essen hatte fantastisch geschmeckt. Shawn hatte sich gerade bei mir abgemeldet, da er auf die Toilette musste, als Patrick, einer der Trautzeugen, verkündete, dass es nun Zeit für den ersten Tanz des Brautpaares sei. Alle Gäste im Saal jubelten solange, bis Kyle und seine Frau grinsend aufstanden und sich auf den Weg zur Tanzfläche machten. Auf der kleinen Bühne dahinter waren Instrumente aufgebaut, was bedeutete, dass es Live Musik gab. Ich war gespannt, welche Band spielen würde.
"Auf das Brautpaar!" Auch ich erhob mein Glas, doch ich wunderte mich, wieso Shawn solange brauchte. In diesem Moment sah ich ihn. Er kam jedoch nicht wieder zu mir an den Tisch, sondern ging auf die Bühne, nahm sich eine Gitarre und stellte sich ans Mikro. Er räusperte sich kurz und begann dann zu sprechen: "Kyle, Naomi. Ihr seid wirklich ein Traumpaar und ich freue mich wirklich, dass ihr zwei zueinander gefunden habt. Ich hab einen Song für euch geschrieben... Ich hoffe er gefällt euch." Seine Finger zupften die Saiten und die ersten Töne erklangen. Meine Kinnlade klappte herunter, als er zu singen begann. Auch dieser Song war unfassbar schön und der Gedanke daran, dass ich nicht die einzige war, die ihn hörte, machte mich stolz. Kyle und Naomi bewegten sich zum Takt der Musik und als der Song endete klatschten alle und einige begaben sich ebenfalls auf die Tanzfläche. Shawn spielte noch ein paar Songs ehe er von einer Band abgelöst wurde und leicht verschwitzt wieder zu mir kam.
"Wow!", begrüßte ich ihn und applaudierte.
"Hat es dir gefallen?", fragte er nervös.
"Nicht nur mir, Shawn! Du warst unglaublich!" Ich gab ihm einen Kuss und reichte ihm ein Glas Wasser. Der restliche Abend verging wie ihm Flug, wir tanzten, lachten und unterhielten uns mit den anderen. Als wir uns entschieden zu gehen, war es schon ziemlich spät und die meisten anderen Gäste waren bereits fort. "Shawn, warte mal!", rief uns Kyle hinterher. Er drehte sich um und wir blieben stehen. "Ich muss dir noch jemanden vorstellen." Wir warteten, bis Kyle und ein anderer Mann mit Brille zu uns gestoßen waren. "Das hier ist ein Freund von mir, Andrew." Shawn reichte ihm die Hand.
"Hey! Freut mich." Shawn warf Kyle einen fragenden Blick zu.
"Andrew ist Talentmanager", klärte Kyle auf.
Nun meldete sich Andrew selbst zu Wort: "Also dein Auftritt vorhin, der war echt gut. Du hast wirklich Talent!"
"Danke!" Shawn war sichtlich überrascht.
"Also was ich sagen will, ich glaube wir sollten uns vielleicht mal zusammensetzten und reden. Du hast großes Potenzial. Ich will euch aber nicht länger aufhalten. Hier ist meine Karte, du kannst mich jederzeit anrufen." Er reichte Shawn das kleine Kärtchen, lächelte und zu und ging zusammen mit Kyle, der Shawn zuzwinkerte, davon.
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Deep Waters [german]
FanfictionLyras Leben ist beinahe perfekt. Sie muss sich wegen nichts sorgen und kann jeden Tag genießen. Doch von einem Tag auf den Anderen verändert sich alles. Ihre Familie ist in einen tragischen Autounfall verwickelt und sie ist die einzige Überlende, zu...