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Meine erste Woche an der Universität war wirklich anstrengend. Nicht, weil mir die Fächer nicht gefielen, sondern weil ich mich täglich etwa tausend Mal auf dem Campus verlaufen hatte. Zum Glück hatte ich es immer relativ pünktlich zu meinen Vorlesungen geschafft, die wie erhofft sehr interessant waren. Schon nach ein paar Tagen hier hatte ich erkannt, dass ich mich für das richtige Studienfach entschieden hatte. Zwar würden noch einige anstrengende Jahre vor mir liegen, doch ich war bereit dafür.
Bis jetzt hatte ich mich nur in meinem Wohnhaus eingelebt. Mit Erin verstand ich mich ziemlich gut und auch mit unseren anderen Mitbewohnern. Es würde vielleicht noch ein wenig dauern, bis wir uns richtig anfreunden würden, doch sie schienen sehr nett.
An meinem 5. Tag an der Universität irrte ich mal wieder auf dem Campus rum. Die verschiedenen Gebäude waren überall verteilt und dazu noch riesengroß, sodass ich mich fragen musste, ob ich mich je auskennen würde.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich nur noch zehn Minuten hatte, den Hörsaal zu finden und mein Verstand verriet mir, ich würde den Saal niemals in innerhalb von zehn Minuten finden.
"Verdammt", murmelte ich und blickte erneut auf den Plan in meiner Hand. Hektisch setzte ich mich in Bewegung, bevor ich mit einer anderen Person zusammenkrachte. Meine Bücher fielen zu Boden und ich musste mich erst aufrichten, bevor ich die Person ansehen konnte, die ich angerempelt hatte. "Tut mir leid!"
Vor mir stand ein großer, braunhaariger Typ, etwa in meinem Alter, der mich mit seinem weißen Lächeln angrinste. "Schon gut, ich hab auch nicht aufgepasst."
Er kniete sich zu mir runter und half mir meine Bücher einzusammeln, bevor er sie mir reichte.
"Du siehst ziemlich verloren aus", stellte er fest.
"Das bin ich auch", erwiderte ich und blickte wieder auf meinen Plan.
"Du studierst Medizin?", fragte er nach und blickte auf meinen Plan.
"Ja... Ich bin neu und ich kenne mich noch nicht aus."
"Wenn du zum B-Gebäude willst, warst du in die falsche Richtung unterwegs", sagte er und lachte. "Zum Glück bin ich auch Medizinstudent. Ich war sowieso auf dem Weg."
Erleichtert atmete ich auf. "Du bist meine Rettung."
"Ach, das höre ich oft", sagte er und setzte sich in Bewegung.
"Ach ja?", erwiderte ich lachend. "Ich bin übrigens Lyra."
"Lyra", wiederholte er. "Das ist ein schöner Name. Habe ich noch nie gehört."
"Das höre ich oft", äffte ich ihn grinsend nach, worauf er lachte. "Wie ist dein Name?"
"Nate", stellte er sich vor.
"Bist du auch neu hier?"
"Ja", erwiderte er. "Aber ich hatte schon Zeit mich ein wenig umzusehen. Der Campus ist riesig, man kann sich leicht verlaufen."
"Amen", erwiderte ich, worauf er loslachte.
"Wo kommst du her?", fragte er mich.
"Pickering", erwiderte ich. "Du?"
"Barrie", sagte er. "Und von Pickering habe ich noch nie gehört."
"Ernsthaft?", fragte ich gespielt überrascht.
"Tut mir leid", erwiderte er grinsend.
"Eigentlich wollte ich in Vancouver studieren", sagte ich.
"Das wollen wir alle. Fast niemand bekommt eine Zusage", antwortete er.
"Ich hatte eine Zusage", erwiderte ich, als wäre es nichts, worauf Nate mich entgeistert anblickte.
"Du machst Witze", entgegnete er. "Bitte sag mir, dass du Witze machst."
"Leider nicht", sagte ich entschuldigend.
"Nenn mir einen guten Grund, warum du Ontario Vancouver vorgezogen hast."
"Mein Freund", gab ich zurück. "Er lebt in Pickering."
"Wow, du musst ihn ja wirklich lieben, wenn du für ihn auf die Chance deines Lebens verzichtest", sagte Nate und öffnete die Tür zum B-Gebäude.
"Ja, das tue ich wirklich", erwiderte ich mit einem Lächeln.

"Wie war deine erste Woche?", hakte Shawn nach und grinste mich an. Es war erst eine Woche her und schon sehnte ich mich nach ihm. Sein Gesicht nur auf meinem Laptop zu sehen, war nicht genug.
"Gut", erwiderte ich. "Es gefällt mir hier gut."
"Ich bin so stolz auf dich", sagte Shawn. "Meine Freundin wird Ärztin."
"Danke, Shawn", erwiderte ich lächelnd.
"Ich vermisse dich", sagte er und blickte mit seinen braunen Augen in die Kamera.
"Ich dich auch."
"Hast du schon Freunde gefunden?", fragte er.
"Naja, meine Mitbewohner eben. Und einen anderen Medizinstudenten, Nate."
"Weiß er, dass du Zuhause einen heißen Freund hast?"
"Ist da jemand eifersüchtig", fragte ich grinsend.
"Ich?", sagte er und lachte.
"Keine Sorge, Shawn", entgegnete ich lächelnd. "Ich gehöre nur dir."
"Ich liebe dich, Lyra O'Brien."
"Ich liebe dich mehr."

Deep Waters [german]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt