Es war nicht vorbei zwischen mir und Shawn, noch lange nicht. Dafür zogen wir uns zu sehr an, liebten uns zu sehr. Auch wenn es keiner von uns beiden gesagt hatte, konnte ich spüren, was er für mich empfand. 3 Tage, an denen man seinen Freund nicht sieht, sind normalerweise kein Problem. Doch wir hatten immer noch einen riesigen Konflikt zwischen uns stehen, den wir nicht geklärt hatten. Um ehrlich zu sein, hatten wir die letzten drei Tage überhaupt nicht geredet. Ich weiß, ich hätte manche Sachen besser nicht gesagt und ich hatte ihn damit verletzt, aber es frustrierte mich so sehr, dass er so schwarz für eine mögliche Fernbeziehung sah und mir ein Ultimatum gestellt hatte.
Vancouver oder er.
Mit Vancouver hätte ich eine perfekte Zukunft vor mir.
Aber Shawn war alles für mich. Neben meinen Freunden war er alles, was ich hatte. Seit dem Tod meiner Familie war er die Konstante in meinen Leben gewesen. Er hatte mich über Wasser gehalten, als ich zu schwach war, um selbst zu schwimmen und ich konnte mich nicht von ihm lösen. Er bedeutete mir zu viel.
Ich starrte auf mein Handy, doch natürlich kam keine Nachricht von ihm.
Ganze 5 Minuten rang ich mit mir selbst, ob ich nachgeben und ihn anrufen sollte oder nicht, doch schließlich gab ich mir einen Ruck und wählte seine Nummer, in der Hoffnung, er hatte sich beruhigt oder war sogar zu Vernunft gekommen."Hey", begrüßte er mich unsicher.
Ich hatte seine Stimme vermisst.
"Hey Shawn", antwortete ich, beinahe nervös. "Hör mal es tut mir Leid, was ich gesagt habe, ich habe es nicht so gemeint. Ich will nicht, dass wir streiten, können wir das Problem einfach aus der Welt schaffen und wie Erwachsene reden?", bat ich.
"Ich dachte wir hätten alles beredet?", erwiderte er trocken und ich schluckte. Verzweifelt fuhr ich mir mit der Hand durchs Haar.
"Bitte, Shawn", flehte ich leise.
Er seufzte am anderen Ende der Leitung. "Na gut. Aber ich kann jetzt gerade nicht. Ich bin bei Andrew", gab er endlich nach.
"Andrew? Andrew von der Hochzeit?" "Ja."
"Seit wann seid ihr Freunde?", wollte ich wissen.
"Wir sind eher... Sowas wie Geschäftspartner. Oder sowas in der Art", erklärte er.
"Oh",war alles was ich sagte. Ich war wirklich überrascht. Ich hatte schon vergessen, dass Andrew Shawn seine Visitenkarte gegeben hatte.
"Also ich komme dann nach nachher vorbei okay? So gegen 8?"
"Ja. Danke Shawn."
"Ist kein Problem." Er meinte es nicht, er klang genervt, aber immerhin hatte er eingewilligt, sich zu treffen. Wir verabschiedeten uns kurz voneinander und legten dann auf.Ich beschloss noch ins Ballettstudio zu gehen, da ich noch gute zwei Stunden Zeit hatte. Das Wetter war endlich mal wieder schön, zwar kalt, aber schön. Ich entschied mich zum Studio zu laufen. Ich warf meine Sachen in meine Sporttasche und machte mich auf den Weg. Die Sonne schien mir ins Gesicht und ich versuchte viel davon in mich aufzusaugen.
Das Studio war bis auf eine Klasse wie leergefegt und ich kostete es aus, mich zu der Musik zu bewegen und mich frei und unbeschwert zu fühlen. Die Gedanken an die Unis und and Shawn wurden in den Hintergrund gedrängt, während ich meine Beine und Arme im Takt der Musik bewegte. Nach etwa einer Stunde füllte sich das Studio langsam mit anderen Klassen und ich machte mich wieder auf den Weg nach Hause. Die Sonne ging unter und tauchte alles in ein goldenes Licht, während meine Füße mich nach Hause trugen. Ich stoppte noch kurz, um einige Sachen zu besorgen und als ich in meine Straße einbog, war es wieder bitterkalt und dunkel. Ein Auto stand in der Einfahrt.
"Shawn?", fragte ich, als ich den Schatten an der Türe sah.
"Ja?" Erleichtert atmete ich auf und lief zu ihm. Ich erwartete um ehrlich zu sein nichtmal ein Lächeln zur Begrüßung, doch sobald ich neben ihm stand um die Tür aufzuschließen, zog er mich sanft zu sich und küsste mich liebevoll.
"Bin ich zu spät?", wollte ich wissend, während ich mir ein Lächeln verkniff. Er schien mich genauso vermisst zu haben wie ich ihn.
"Nein, ich bin zu früh", erklärte er und ich nickte, als ich aus meinen Schuhen schlüpfte.
"Du und Andrew also?", Fragend hob ich eine Augenbraue.
Er zuckte nüchtern mit den Schultern. "Ja, sowas in der Art. Er ist Talentmanager und ich wollte die Chance nicht vorbeiziehen lassen." "Ja. Solche Chancen hat man nicht oft", erwiderte ich und versuchte fröhlich zu klingeln, obwohl ich nur daran denken konnte, wie er an seine Zukunft dachte, während er mich zwischen meiner und ihm entscheiden ließ. Es entstand eine beinahe peinliche Stille.
"Also willst du jetzt reden?", fragte er schließlich und kratzte sich peinlich berührt am Hinterkopf.
"Äh ja..kannst du nur kurz warten? Ich war gerade tanzen und würde noch gerne duschen."
"Klar." Die Tatsache, dass ich Sport gemacht hatte, war nur einer der Gründe warum ich diese Dusche jetzt brauchte. Ich wollte mir meine Worte ein letztes Mal zurechtlegen.Das heiße Wasser prasselte auf meine Haut und entspannte meine Muskeln. Hätte Shawn nicht unten gewartet, wäre ich gerne nie aus der Dusche gestiegen, doch nun wickelte ich mich bereits in mein Handtuch und huschte in mein Zimmer, um mich umzuziehen.
Als ich wieder nach unten kam saß Shawn auf dem Sofa und tippte etwas auf seinem Handy. Ich rubbelte mir die nassen Haare mit einem Handtuch so gut wie möglich trocken, hängte es an einen Wäscheständer und setzte mich zu ihm.
Er legte sein Handy weg und sah mich erwartungsvoll an, trotzdem konnte ich die Angst in seinen Augen sehen.
"Okay. Shawn, ich habe mich entschieden."
Er schluckte und knetete nervös seine Hände.
"Ich bleibe hier", brachte ich hervor.
Die Angst fiel von Shawns Gesicht und wurde von seinem strahlenden Lächeln ersetzt. Ohne ein Wort zu sagen, fiel er mir um den Hals.
"Danke! Lyra, das bedeutet mir so viel. Du bedeutest mir so viel", jubelte er leise in mein Ohr und küsste mich.
Vorsichtig befreite ich mich aus seinem Griff und sah ihn an.
"Ich bleibe. Aber ich will, dass du weißt, was ich für ein Eingeständnis gemacht habe. Okay? Ich habe quasi die Chance meines Lebens aufgegeben, um bei dir zu sein. Und ich will von dir nie, nie wieder ein Ultimatum gestellt bekommen, Shawn. Nie wieder!"
Er sah much schuldbewusst an.
"Ich weiß, es tut mir wirklich Leid. Es ist nur, dass ich für niemanden so empfunden habe wie dich und ich hatte so Angst, dich zu verlieren, dass ich dachte, es wäre die einzige Möglichkeit", stammelte er. "Und ich weiß, wieviel dir Vancouver bedeutet und ich bin dir unfassbar dankbar, dass du dich trotzdem dagegen entschieden hast. Du wirst es nicht bereuen!"
"Das hoffe ich für dich", scherzte ich und er lachte inbrünstig.
"Und jetzt komm endlich her." Er zog mich an meinem Oberschenkel auf seine Schoß und küsste mich erneut. "Ich hab dich vermisst", murmelte er in mein Haar.
"Ich dich auch, Baby...", erwiderte ich seine Geste und verdrängte die kleine Stimme in meinem Kopf, die sich fragte, ob es die richtige Entscheidung gewesen war.
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Deep Waters [german]
FanficLyras Leben ist beinahe perfekt. Sie muss sich wegen nichts sorgen und kann jeden Tag genießen. Doch von einem Tag auf den Anderen verändert sich alles. Ihre Familie ist in einen tragischen Autounfall verwickelt und sie ist die einzige Überlende, zu...