40. Kapitel

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Einen Augenblick schwiegen wir, dann murmelte ich unsicher: "Ich hatte so Angst um dich"
Harry räusperte sich leise und sagte schließlich: "Es wäre wirklich tragisch gewesen, wenn du die Wahrheit nie erfahren hättest"
"Was ist die Wahrheit?", hakte ich nach und sah ihm tief in die grünen Augen.
"Ich wollte fliehen", murmelte Harry und erwiderte meinen Blick.

"Wie fliehen? Vor was? Und wohin?", sprudelte es aus mir heraus. Er atmete geräuschvoll aus. "Als ich dich mit Mia gesehen habe, war das das schlimmste Gefühl, was ich je gespürt habe. Ich habe mir totale Vorwürfe wegen Louis gemacht. Ich wollte es nie wahr haben, weshalb ich mit aller Macht versucht habe dich zu vergessen"

Seine Worte hallten in meinem Kopf wider. Ich erkannte mich in ihnen, als hätte ich sie selbst ausgesprochen. Noch immer seine Hand haltend, erhob ich mich langsam und ließ mich auf die Bettkante nieder.
"Das mit Mia war ein Missverständniss!"

Harry wich einen Moment meinen Blick aus und starrte zur weißen Zimmerdecke empor.
"Ja, das weiß ich jetzt auch. Aber da ich davon ausging, dass du deine Auserwählte doch noch gefunden hast, konnte ich nicht mehr und bin ins Auto gestiegen. Mir war egal wohin, aber ich musste weg"
"Und dann hattest du den Unfall?", fragte ich leise. Hustend richtete sich Harry halb auf und meinte schließlich: "Auf halber Strecke, habe ich den Fahrer wieder um drehen lassen"

Nach einer kurzen Pause, fügte er hinzu: "Ich wollte zu dir, Niall!"
Gedankenverloren schaute ich ihn an und kam zurück zum Anfang: "Aber dazu ist es nicht gekommen"
Harry nickte, doch zuckte leicht zusammen. Mit schmerzverzogenden Gesichtsausdruck rieb er sich über die Stirn. "Du solltest dich besser noch mal ausruhen", bat ich ihn ernst.
"Das tue ich schon lang genug", entgegnete Harry und deutete auf seine liegenden Beine.

Darauf konnte ich nichts erwidern. Mir lagen so viele Worte auf der Zunge, doch ich wagte es nicht, sie auszusprechen. Auf diesen Moment hatte ich so lange gewartet. Ich hatte mir so oft Sätze durch den Kopf gehen lassen. Und jetzt wo es so weit war, hatte es mir auf einmal die Sprache verschlagen.
"Ich...ich ", stotterte ich unbeholfen und sah auf unsere Hände. "Das ist..."
Harry sah mich mit seinem unbeschreiblichen Harry-Lächeln an.

"Sehe ich da etwa so was wie Verwirrung, Horan", lachte er leise und sah mich erwartungsvoll an.
"Nicht mal eine halbe Stunde wach und schon wieder Sprüche reißen", konterte ich bemüht. Jedoch wurde ich gleich wieder ernst. "Aber du hast Recht, es ist... ist verwirrend. Bevor ich erfahren habe, was passiert ist, habe mit Greg gesprochen. Ich habe mir vorgenommen, endlich aufzugeben", erklärte ich und schaffte es nicht, den Blick von ihm zu nehmen. "Das hat ja super geklappt", schmunzelte Harry und schaute auf unsere übereinanderliegenden Hände.
Ruckartig zog ich meine Hand zurück und zwang mich in eine andere Richtung zu sehen.

"Ich wollte nicht..", versuchte Harry die Situation zu retten. Ich schüttelte schnell den Kopf, um zu verdeutlichen, dass er keine Schuld hatte. "Ich glaube, ich muss nur mal an die frische Luft", murmelte ich und erhob mich vorsichtig. Mein Kopf schmerzte, als würden die vielen Gedanken auf meine Schädeldecke ein schlagen.

"Niall", rief Harry, kurz bevor ich um das Bett herum die Tür erreichen konnte. Ich verstand meine Reaktion selbst nicht, so wollte ich vermeiden, sie erklären zu müssen. Dennoch drehte ich mich langsam um und blickte in sein Gesicht. Die Farbe war tatsächlich zurück in seine Wangen gekehrt, bloß sahen seine grünen Augen noch immer getrübt aus.

"Ich...", fing Harry an zu murmeln. Unsicher strich er über die Bettdecke und ließ den Blick durch das Zimmer huschen. "Vielleicht ist das der Zeitpunkt für einen Neuanfang!"
Ich sah ihn einen Moment stumm an.
Schließlich öffnete ich meinen trockenen Mund: "Ja, vielleicht"

Auf Umwegen zu dir (Narry) Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt