32

384 19 0
                                    

„Wollen sie heute wieder nach draußen?" fragte mich die Pflegerin, aber ich schüttelte den Kopf. „Nein." ich hasste es draußen, schon die ganze Zeit, die ich hier war. Aber heute hasste ich es ganz besonders. Ich wollte nicht nach draußen, weil jemand zu mir kam, den ich nie und nimmer verpassen wollte.

Langsam und vorsichtig legte ich mich auf mein Bett und versuchte dabei nicht die Decke unter mir einzuklemmen. Das war mir schon so oft passiert, und ich hasste es, weil ich dann nochmal aufstehen musste, und mir dazu eigentlich die Kraft fehlte. Mir fehlte die Kraft mich noch einmal aufzurichten und aus dem Bett zu steigen.


„Hallo Finn." besorgt beugte sich Kylie über mein Bett. Es war eine schöne Überraschung ihn zu sehen. Auch wenn er ziemlich müde aussah und mein Anblick erbärmlich war. „Kylie!" ich richtete mich in meinem Bett auf und umarmte ihn irgendwie. „Warum bist du hier? Ich dachte du studierst jetzt in Minnesota? Und warum setzt du dich nicht zu mir, damit ich mit die kuscheln kann?" überschüttete ich ihn mit Fragen, aber er lächelte nur schwach, setzte sich zu mir auf das Bett und legte die Finger unter mein Kinn.

Mit diesen drückte er es nach oben und verwickelte mich in einen Kuss, der so intensiv war, dass ich oben und unten nicht mehr unterscheiden konnte. Seine Küsse schmeckten wie er roch. Mild und Sanft. Und männlich. Kylie war für mich die Definition von Männlichkeit. Während wir unseren Kuss immer mehr intensivierten, hielt ich mich an seinen Schultern fest und er Stützte meinen Rücken, sodass wir uns aufrichten konnten und ich auf seinen Knien saß.

Jetzt konnte ich meine Hände in seinen Haaren vergraben, mich an ihnen festhalten und ihn noch näher zu mir drücken. Ich wollte das der Kuss niemals aufhören würde, aber leider mussten wir uns wegen des Luftmangels irgendwann doch lösen. „Ich habe dich vermisst Finn." Kylie drückte mich fest an sich und ich vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge und atmete seinen Duft tief ein.

Er hatte mir so sehr gefehlt! „Ich liebe dich Kylie." flüsterte ich leise gegen seinen Hals. „Ich liebe dich auch Finn." Kylie küsste meinen Kopf und streichelte beruhigend meinen Rücken.

„Du hast mir meine Fragen noch immer nicht beantwortet!" ich piekte Kylie in den Bauch und er lachte ein bisschen. Ich wusste, dass ihm bei meinem Anblick sicher das lachen vergangen war, aber es war schön, dass ich es wieder hören durfte. „Ok, ja, ich studiere jetzt in Minnesota. Und ich habe mich nicht zu dir auf das Bett gesetzt, damit du nicht aufwachst.

Du hast so friedlich ausgesehen als du geschlafen hast und ich wollte das nicht stören." er strich mit dem Zeigefinger kurz über meine Nasenspitze und brachte mich damit zum lachen.

„Aber warum bist du hier? Das hast du vergessen!" „Ich bin hier, weil ich dich einfach wieder sehen musste." er küsste mich halb auf den Mund, halb auf die Wange und lächelte ein wenig. „Danke Kylie!" ich zog ihn am Kinn zu mir und drückte ihm einen feuchten Kuss auf den Mund.

„Du siehst du kaputt aus. Hast du noch mehr abgenommen?" er schaute besorgt an mir herunter. „Nein, das machen diese blöden Kittel, die sie mich hier tragen lassen. Auf zwei Monate nimmt man in einem Krankenhaus nicht ab." ich musste lachen.

Aber Kylie schüttelte nur den Kopf. „Hab gehört dein Vater verklagt gerade Sebastian wegen Kindesmissbrauchs, Vergewaltigung und Misshandlung?" fragte er dann und ich nickte. „Ja, nachdem ich es ihm erzählt habe, hat er seinen Anwalt angerufen und seitdem macht er Tag und Nacht nichts anderes mehr. Außer mich in dieses Privatkrankenhaus einzuweisen, dass sich aufführt, als wärs ne Psychiatrie." beschwerte ich mich.

„Ich finds gut, dass er für den Scheiß den er angestellt hat, jetzt geradestehen muss. Und ich werde gegen ihn aussagen." er lächelte schwach. „Auch wenn ich als verantwortungsvoller Erwachsener sofort auf eine Anzeige deinerseits hätte bestehen müssen. Nur weil ich meinen blöden Freund schützen wollte, hab ich dir nicht sofort Hilfe geholt, es ist alles meine Schuld." warf er sich vor.

„Ist es nicht Kylie. Willst du mir nicht lieber erzählen was du die letzten drei Monate getan hast?" fragte ich ihn. „ Nicht viel. Ich hab studiert, einen neuen besten Freund gefunden, der nicht so sehr auf der schiefen Bahn hängt wie die letzten, und eine ziemlich lange Zeit über alles nachgedacht." erzählte er. „Hört sich toll an. Erzählt du mir mehr über diesen Freund?"

„Ich kann ihn Mal mitnehmen. Finn, bist du eigentlich gar nicht sauer, dass ich dich einfach so sitzen lassen hab?" fragte er. „Nein. Ich war verletzt und entäuscht, aber ich hatte andere Dinge, über die ich mir den Kopf zerbrechen musste. Und ich liebe dich ja trotzdem noch." er drückte mich an sich. „Wow, ich würde mir niemals vergeben können." er gab mir einen Kuss auf die Stirn.

Während ich mich an ihn kuschelte, ging die Tür auf, und mein Vater kam herein. „Hallo Kylie. Schön sie endlich Mal persönlich kennenzulernen." er gab ihm die Hand und zog sich einen Stuhl heran. „Die Freude ist ganz meinerseits."

Mein Vater und Kylie unterhielten sich über das Verfahren gegen Sebastian, welches gerade lief und darüber, wie es mir ging. Lange hörte ich sowieso nicht zu, weil ich mich viel lieber damit beschäftigte, Kylie von Kopf bis Fuss zu bestaunen.

Er war so muskulös und schön wie vor drei Monaten und hatte sich auch sonst kaum verändert. Vielleicht war er ein bisschen brauner geworden. Aber er war hier und das war das wichtigste. Ich hatte ihn nicht erwartet, oder zumindest nicht, bis ich gestern eine Nachricht über WhatsApp bekommen hatte, dass er zu mir kommen würde.

Verstanden hatte ich es nicht, aber gefreut umso mehr. Ich verstand auch nicht, warum ich ihm böse sein sollte. Na klar, er hatte mich verlassen und mir wirklich wehgetan damit, aber ich liebte ihn doch trotzdem und Tayler hatte recht mit seiner Aussage, dass Kylie genauso wie ich nur unsicher war.

„Erde an Finn!" mein Vater schnipste mir vor dem Gesicht herum und brachte mich so aus meinen Gedanken wieder in die reale Welt. „Was denn?" ich schaute zwischen Kylie und meinem Dad hin und her und beide mussten grinsen. „Ich hab dich gefragt ob du Lust hast, mit Kylie und mir zu uns nach Hause zu kommen. Wir haben noch ein paar Dinge zu besprechen und wollen das ungern hier machen." bot er mir an und ich klatschte begeistert in die Hände.

„Klar will ich mit! Aber darf ich denn?". Ich wusste, dass es mir verboten war, die Einrichtung zu verlassen. Immerhin war ich psychisch anscheinend richtig durch und musste dauerhaft beobachtet werden. Sie hatten mich sogar aus einem Doppelzimmer genommen, weil ich eine Gefährdung für andere Patienten darstellte.

„Natürlich darfst du! Das hier ist eine Privatklink, ich zahle dafür das sie dich hier versorgen und ich darf dich jederzeit wieder mitnehmen. Es ist ja nur für ein paar Stunden." mein Vater legte mir die Hand auf den Kopf und lächelte mir aufmunternd zu. „Gut, ich warte im Auto auf euch. Wenn du dir was richtiges angezogen hast, kommt ihr einfach nach."

Kylie holte mir ein paar schöne Anziehsachen aus meinem Kleiderschrank und ich zog sie natürlich sofort an. „Warum trägst du eigentlich diesen blöden Kittel?" er pfefferte das Ding auf mein Bett und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Weil sie mir das immer geben wenn ich in meinem Zimmer bin. Damit es mir nicht zu warm wird, und da kann man auch besser schauen, ob ich mich selbst verletze." antwortete ich.

„Du tust dir also wieder selbst weh?" er sah ziemlich müde aus, als er die Frage stellte. „Ja. Manchmal. Es gibt ja niemanden, der mich davon abhält. Und sie sagen es nicht meinen Eltern. Die sollen ja denken, ich mache Fortschritte." 

Wanted to be lovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt