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Finns Sicht

„Also wirklich Finn, du hast Probleme! Bitte hör auf, dich gegen Hilfe zu wehren!" mein Vater nahm mich in den Arm und ich schüttelte den Kopf. „Mir geht es doch gut! Ich fühle mich super!" versprach ich, aber er glaubte mir nicht. „Finn, du wiegst keine Vierzig Kilo mehr! Da kannst du doch noch so super fühlen, das ist eine Tatsache die wir nicht einfach ignorieren können! Du bist unser Sohn und wir machen uns Sorgen um dich!" er legte mir einen Arm um die Schulter.

Natürlich, jetzt ging es mir auf einmal schlecht und ich war wieder sein Sohn, früher hatte er mir nie so viel Aufmerksamkeit gegeben, wie jetzt. Und da hatte man doch schon einen weiteren positiven Effekt meines geringen Gewichtes! Die Aufmerksamkeit meines Vaters.

Auch Ian saß mit besorgten Blick auf unserem Sofa und sah aus, als würde er such in Grund und Boden schämen. „Wir hätten von Anfang an viel härter durchgreifen müssen. Beim nächsten Mal zwingen wir dich einfach dazu, zu essen und dann kannst du dich nicht mehr so einfach dagegen wehren!" drohte er mir, aber es schien so, als würde er mehr mit sich selbst reden.

Ein weiteres Mal nippte mein Vater an seinem Alkohol. „Lange Rede kurzer Sinn, wir werden dich in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen, damit du professionelle Hilfe bekommen kannst!" erklärte er und ich riss erschrocken die Augen auf. Nein, das wollte ich nicht! Das konnte er mir nicht antun! Er wusste doch aus eigener Erfahrung, wie es dort teilweise zuging!

„Schau nicht so verschreckt, du hättest wissen müssen, das wir irgendwann etwas gegen deinen Gewichtsverlust unternehmen, auch wenn es anscheinend schon ein bisschen spät ist." ermahnte er mich und ich nickte. „Soll ich meine Sachen schon packen?" „Wäre von Vorteil."

„Willst du auch das man mich in eine Psychiatrie steckt?" ich lehnte mich an den Zaun und streichelte sanft die Nüstern des Pferdes meines Vaters. Wir waren umgezogen, weil meine Eltern dachten, es würde mir helfen, alles zu vergessen. In der Schule war ich auch schon lange nicht mehr.

Jetzt standen die Pferde, die meine Eltern normalerweise bei Verwandten in Louisiana hatten, bei uns selbst. „Darf ich mich auf deinen Rücken setzen? Was hältst du davon?" fragte ich Dixie. Dixie war noch nicht sehr alt. Drei Jahre, um genau zu sein. Wir hatten sie bekommen, als ich zwölf geworden war, und damals hatte ich ihr den Namen Xenia gegeben.

Jetzt nannte ich sie Dixie, nach einem meiner Lieblingslieder. „Du bist eine brave! Ja Dixie, das bist du!" lobte ich die Stute, als ich auf ihrem Rücken saß. Sie war wundervoll. Und so brav! „Ich hoffe, ich darf dich besuchen, meine Kleine. Wir hatten gar keine Zeit für unsere langen Ausritte! Aber ich verspreche dir, wenn ich wieder zurück bin, dann reiten wir jeden Tag mindestens vier Stunden aus!" versprach ich meinem Pferdchen.

„Du liebst dieses Pferd wirklich, huh?" Tayler stellte sich an den Zaun, an dem gerade ich noch gelehnt hatte, und schaute zu, wie ich auf Dixies Rücken saß und sie nur mit meinen Händen in eine Richtung lenkte. „Ja. Sie ist wundervoll. Ich würde am liebsten den ganzen Tag nur bei ihr sein." gestand ich ihm und er zündete sich lachend eine Zigarette an. „Du hast Vorstellungen Finn! Sie war ein richtiger kleiner Teufel, als ich sie eingeritten habe!"

Dixie schüttelte ihren Kopf und wieherte. „Sie ist nicht so ganz deiner Meinung!" ich musste ebenfalls lachen und Tayler setzte sich auf den Zaun. „Ich glaube sie will nicht, dass deine Eltern dich in eine Psychiatrie abschieben. Will ich übrigens auch nicht. Soll zwar jetzt besser sein als damals, als ich auch in einer war, aber ich will dich trotzdem gerne hier haben." er hielt mir die Zigarette hin, die ich dankend annahm.

„Solltest du deinen Eltern davon erzählen, dass ich dich rauchen lasse, bist du ein toter Junge, ich hoffe dir ist das klar." drohte er mir und ich lachte. „Würde ich doch niemals, Mom." neckte ich ihn. „Nen mich wie du willst. De facto war ich eine bessere Mutter als deine es jemals sein wird." er nahm mir die Zigarette wieder.

„Naja, du hast mich auch großgezogen. Ich will nicht wieder von hier weg, alles ist so toll hier. Du bist hier, Dixie ist hier, es ist schön leise und ich muss mir nicht die ganze Zeit Gedanken darüber machen, dass ich in diese blöde Schule zurück muss! Es ist die Hölle da, so schlimm, dass du es dir niemals vorstellen könntest!" Dixie begann wieder zu grasen und Tayler klopfte mir auf den Oberschenkel.

„Glaub mir Finn, ich weiß wie schrecklich die Schule für Leute wie uns ist." „Na klar weißt du das, du bist aber anscheinend der einzige. Mein Dad findet die Schule auf der ich bin nämlich unglaublich geil!" beschwerte ich mich. „Bei deinem Vater war das kompliziert. Es war die erste Schule, auf der er kein totaler Außenseiter war. Aber für Menschen wie uns, die sich nicht richtig anpassen können, ist es echt schwer da zu überleben." er wusste wovon er redete.

Tayler hatte es auch niemals einfach im Leben. Er wusste wie es war, keine Freunde zu haben und alleine zu sein. Immer nur die blöden Seitenblicke und Sprüche abzubekommen. Wie es war ausgeschlossen zu werden. Und er war der einzige, mit dem ich mich jemals identifizieren konnte.

„Gibst du mir die Zigarette nochmal?" bat ich, aber er schüttelte den Kopf. „Nein, du solltest nicht so viele Zigaretten rauchen. Versuchs mal mit Joints." er gab mir seine Zigarettenschachtel und ich nahm mir daraus eine der Tüten und das Feuerzeug. „Du denkst also das wäre eine gute Idee?" fragte ich und er nickte. „Alles ist besser, als Alkohol und Zigaretten. Also ja. Bevor du dir weiterhin deine Leber kaputtsäufst, rauch Gras."

Ich musste lachen und er stimmte mit ein. „Weißt du Finn, du bist ein guter Junge. Hör auf dir diese ganze Scheiße anzutun." er drehte sich um und wollte gehen. „Tayler, denkst du ich bin schwul, weil alle meine männlichen Vorbilder es auch sind?" warf ich ihm die Frage hinterher und er drehte sich augenblicklich um.

„Wie meinst du das? Wer sagt den sowas?" er war sofort umgedreht und hatte sich an den Zaun gelehnt. Ich ließ mich langsam von Dixies Rücken gleiten und stellte mich zu ihm. „Die Jungs aus meiner Klasse sagen das. Sie hassen mich und sie hassen Schwule, aber könnte es nicht so sein? Ich meine, sie könnten doch recht haben!" fragte ich ihn und er schüttelte energisch den Kopf.

„Nein Finn! Du hast auch Beziehungen zwischen Frauen und Männern erlebt. Und du weißt das du nicht schwul sein musst, nur weil wir es sind. Also warum sollte es so sein? Na klar, Homosexualität kann vererbbar sein, aber dafür kannst du nichts. Es liegt nicht daran, wie du aufgewachsen bist. Glaub mir. Dein Vater wurde auch von Vater und Mutter großgezogen. Und siehe da, heute fickt er einen anderen Mann. Also hör nicht auf solche Sprüche!" riet er mir.

„Du darfst die Schachtel behalten!" mit einem zwinkern drehte er sich um und ging in die Richtung seines Hauses davon. Tayler war wirklich ein toller Mann! Er sollte viel mehr Kinder großziehen! Auch wenn er etwas speziell war und auch nicht wirklich viel Respekt vor anderen Menschen hatte, er war der einzige Erwachsene, von dem ich mir wünschte, ich hätte mehr von ihm gelernt. 

Wanted to be lovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt