Kapitel 11

195 7 0
                                    

"Seine Hoheit wird nicht erfreut darüber sein, Euch nicht anzutreffen", meint Francisco, während er neben mir die Pferde aus dem Hof führt.

"Vermutlich nicht nur darüber", murmle ich und streiche dem Rappen, der für mich gesattelt wurde, übers Fell. Er erinnert mich an meinen eigenen schwarzen Hengst Negro. Vor meiner Abreise konnte ich mich nicht einmal mehr von ihm verabschieden. Doch so sehr mir mein nachlässiges Verhalten in diesem Moment leidtut – ich muss mich dennoch auf etwas anderes konzentrieren.

"Bitte, lasst mich aufsetzen, Francisco, wir haben es sehr eilig"

Er macht Anstalten, mir auf das Pferd zu helfen, doch ehe es dazu kommt, habe ich mich bereits auf den Rücken des schwarzen Pferdes geschwungen und streiche ihm sanft über den Hals. "Ich hoffe, Sie können schnell reiten", sage ich und sehe Francisco von der Seite an.

"Selbstverständlich", murmelt er, als er auf seinem Schimmel sitzt und langsam neben mir her trabt.

Ich lächle, rufe: "Galope!" und der Rappe und ich stürmen durch das Palasttor und hinaus in die Freiheit.

Freiheit, denke ich und lächle. Ich schließe die Augen und lasse mir den Wind durch die Haare wehen. Die Luft duftet nach Sonne und Gras und Wasser und für einen kurzen Augenblick habe ich das Gefühl, ich wäre zu Hause in Avenia, würde auf einem unserer Pferde durch die Berge reiten und meine Freiheit genießen.

"Francisco!", rufe ich und blicke nach hinten.

Mit wenigen Schritten holt sein Schimmel uns ein, sodass er sich neben mir befindet. "Eure Hoheit?"

"Wie gelangen wir so schnell wie möglich an den Rand des Zentrums?"

Schockiert sieht er mich an. "Was sucht Ihr am Rand des Zentrums, Eure Hoheit?"

"Ich glaube, das können Sie sich denken", antworte ich und blicke weiterhin geradeaus. "Und vermutlich können Sie sich auch denken, dass Prinz Santiago sehr wütend sein wird, wenn wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurück sind. Also antworten Sie mir lieber schnell."

Er seufzt leise und beschleunigt sein Pferd.

Lächelnd reite ich ihm nach und genieße das Gefühl, für wenige Stunden dem Palast entfliehen zu können, auch wenn ich aus irgendeinem Grund glaube, jemand würde uns nachblicken. Und dieser Jemand wäre ganz bestimmt nicht gut auf diesen Ausritt zu sprechen

"Wie weit ist es noch?", frage ich, nachdem wir über eine halbe Stunde die Berge entlanggaloppiert sind.

"Wir sind gleich da, Eure Hoheit", erklärt Francisco und tatsächlich kann ich bereits die Kamine der Industrien erkennen, die sich am Rand der Stadt befinden.

Ich blicke hinauf in den Himmel, der vor wenigen Minuten noch hellblau war und jetzt schmutzig grau ist. Wie kann es sein, dass die Natur und die Menschen wegen der Industrie so sehr leiden müssen?

Auf einmal bringt Francisco sein Pferd zum Stehen und blickt mich an. "Wir sind da"

Wir befinden uns vor einem dunkelgrauen, offenstehenden Stahltor, das verbunden ist mit einem ebenso grauen Zaun, der das Elendsviertel von der Umgebung abgrenzt.

Sie werden im wahrsten Sinne des Wortes abgegrenzt, denke ich fassungslos und steige von meinem Pferd ab. Mit langsamen Schritten gehe ich auf das offene Tor zu, während ich die Zügel des Rappen in der anderen Hand halte und ihn mit mir führe. Fast ist es, als würde man eine andere Welt betreten. Links und rechts von mir reihen sich hölzerne Hütten mit morschen Stellen und notdürftig mit Stoff reparierten Dächern. Der Boden ist trocken und staubig von der langen Trockenzeit und dünne Kinder in dreckiger Kleidung spielen lachend mit einem geflickten Ball.

Die Grenzen zwischen uns *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt