Kapitel 2

265 9 0
                                    

"Lucía? Lucía, geht es dir gut?"

Ich blinzle vorsichtig und werde von grellem Licht geblendet. Ich will mich aufsetzen, doch ein Schmerz in meinem Kopf lässt mich schlagartig zusammenfahren.

"Ruft den Medico! Venga!"

Ein leises Stöhnen entfährt mir, doch ich versuche mich weiterhin mit meinen Armen aufzustützen und sitzen zu können.

"Rosa?", flüstere ich, als ich die Stimme meiner Amme wiedererkenne. Ich blinzle ein weiteres Mal und endlich gelingt es mir, klar zu sehen.

"Bleibe liegen, mein Kind", sagt sie ruhig und streicht mir vorsichtig über mein Haar.

"Was ist passiert?", frage ich und blicke mich im Zimmer um. "Wie bin ich in mein Schlafzimmer gekommen?"

Rosa blickt von mir zu der offenstehenden Flügeltür, die aus meinem Schlafzimmer hinausführt. Abrupt steht sie von ihrem Stuhl, der neben meinem Bett steht, auf und schließt sie hinter sich.

"Der Medico wird sicherlich nicht lange brauchen", murmelt sie, während sie zu mir zurückkehrt und mir ein Glas Wasser reicht.

Hastig trinke ich ein paar Schlucke und räuspere mich ein wenig. "Was ist los, Rosa?", frage ich etwas bestürzt. So aufgewühlt habe ich sie noch nie erlebt.

Rosa legt einen Finger an die Lippen und schüttelt den Kopf. "Uns bleibt nicht viel Zeit, Lucía. Du musst mir jetzt gut zuhören, ja?"

Tausend Gedanken strömen durch meinen Kopf, als ich mich an das, was geschehen ist, zu erinnern versuche. Während mir Bilder des Balls und das Gespräch mit Pablo in den Sinn kommt, ist es auf einmal nur noch ein Name, dem ich meine Aufmerksamkeit schenke: König Mateo Castilla.

"Die Hochzeit!", kommt es mir schlagartig und ich starre Rosa fassungslos an. "Rosa ich –"

"Niemandem von uns war klar, dass es so weit hätte kommen können", fällt sie mir ins Wort und greift nach meiner Hand. "Die Ernten sind schlecht, doch dass sie so schlecht sind, hätte niemand gedacht. Deinem Vater blieb keine andere Wahl, als sich mit unserem Feind zu verbünden. Im Moment ist das Wohlergehen des Volks wichtiger, als alles andere."

"Sie sind unsere Feinde, Rosa!", protestiere ich und schlage die Bettdecke zurück. Lediglich in einem weißen Unterkleid bin ich gekleidet.

"Sie sind der Grund für den Barrierekrieg vor fünfzig Jahren –"

"– als der alte König regiert hat", berichtigt sie mich. "Mateo Castilla ist ein vollkommen anderer Mensch. Er selbst ist auf deinen Vater zugekommen und hat ihm seine Hilfe durch diese Hochzeit angeboten. 

Hilfe? Wie kann sie das Hilfe nennen?

"Das hätte ich niemals von ihnen gedacht", sage ich leise und stehe auf. Carazita ist unser Feind! Sie haben eine völlig andere Kultur! Schlagartig dreht sich alles in meinem Kopf, doch ich ignoriere den wankenden Boden unter mir, sondern gehe in mein Ankleidezimmer und ziehe mir ein cremefarbenes Morgenkleid über.

"Lucía?" Rosa kommt mir entgegengestürmt und sieht mich fassungslos an. "Was machst du da? Du gehörst ins Bett!"

"Ich gehöre zu meinem Vater", verbessere ich sie und streiche mein Haar schnell ein wenig zurecht.

"Lucía Elena de Garcia!"

Doch ich lasse die Stimme meiner Amme schnell hinter mir, öffne die Flügeltür und folge den Treppen hinunter zum Thronsaal.

"Fernando!", rufe ich dem Wächter meiner Eltern zu, der vor den Türen des Thronsaals positioniert ist.

"Eure Hoheit" Überrascht starrt er mich an. "Leider muss ich Euch enttäuschen, die Majestäten –"

"– haben mit Sicherheit Zeit, ihre Tochter anzuhören", vollende ich seinen Satz, öffne die Tür – und erstarre schlagartig.

"- so werden wir die Hochzeit selbstverständlich hinauszögern, bis es die Gesundheit der Prinzessin zulässt", höre ich König Mateo noch sagen, ehe er verstummt und meine Eltern und er sich zu mir umdrehen.

"Lucía!", ruft meine Mutter und kommt mir entgegen.

"Estoy bien", versichere ich ihr, während sie mich in ihre Arme schließt.

"Es tut mir so unendlich leid, mi amor", flüstert sie mir ins Ohr und streicht mir sanft übers Haar. "Ich wollte dich dem nie aussetzen. Doch wenn wir nicht handeln, treibt uns unsere Wirtschaft noch in den Ruin."

Ich nicke lediglich und sehe über die Schulter meiner Mutter auf die beiden Männer, die mich mit ernsten Blicken betrachten.

"Es erfreut mich, Euch zu sehen, Eure Hoheit", begrüßt mich König Mateo.

Ich löse mich von meiner Mutter und verbeuge mich vor ihm. "Die Ehre ist ganz meinerseits" Mit langsamen Schritten gehe ich auf ihn zu. "Ich muss mich entschuldigen, Eure Majestät, meine Gesundheit scheint mich ein wenig geschwächt zu haben" Meine Blicke wandern zu meinem Vater, der mir eine eindeutige Nachricht zu vermitteln versucht.

"Selbstverständlich benötigen wir keine Hinauszögerung. Die Hochzeit wird wie geplant vollzogen werden und falls es Euch recht ist, würde ich mich freuen, heute Abend von Euch in Carazita empfangen zu werden."

"Eure Hoheit, ich möchte Eure Gesundheit nicht aufs Spiel setzen", erklärt König Mateo. Auf einmal scheinen seine Augen nicht so starr wie Eis. Ist er tatsächlich besorgt? Womöglich könnte er tatsächlich anders, als sein Vater sein. Ob dies auch auf seinen Sohn zutrifft?

"Das tut Ihr in keinster Weise", versichere ich lächelnd. "Ich fühle mich geehrt Eure Hilfe für unser Volk zu erhalten und stehe Euch und Eurer Familie tief in der Schuld."

"Ihr ehrt unserer Familie genug, indem ich Euch in zwei Tagen als meine Schwiegertochter bezeichnen darf", erwidert er und hebt die Mundwinkel ein wenig.

"So ist es beschlossene Sache", sagt mein Vater. "Lucía wird mit dem Abendzug eintreffen. Aus Vorsichtsmaßnahmen hoffe ich, ihre Amme mitsenden zu dürfen?"

"Selbstverständlich Majestät" Mit diesen Worten verbeugen er und mein Vater sich.

"Gehabt Euch wohl, Eure Hoheit"

Die Grenzen zwischen uns *abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt