"Ihr glaubt gar nicht, wie dankbar ich Euch bin, Eure Hoheit" Ein mittelalter Mann mit breiten Schultern und kurzen Haaren begrüßt uns. Er trägt eine sandfarbene Uniform und verbeugt sich vor mir. "General Tomás, Eure Hoheit."
"Die Dankbarkeit kommt von meiner Seite, General", erwidere ich, während wir von ihm von der Haltestelle geführt werden. "Wir ernst ist die Situation einzuschätzen?"
"So ernst, wie noch nie", erwidert er ohne jegliche Emotion. "Mittlerweile ist es uns gelungen, den Großteil des Volkes aus dem Zentrum zu befreien. Doch es ist nicht so, wie damals, Eure Hoheit."
Auf einmal werde ich hellhörig. "Ist es nicht?"
"Nein", erwidert General Tomás. "Damals hatten wir es mit Menschen aus unserem eigenen Volk zu tun. Doch nun", er schüttelt den Kopf, "haben wir keine Ahnung, wer es ist, gegen den wir kämpfen. Die Gegner sind maskiert, geben sich nicht zur Kenntnis."
Eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus, während Fernando, unsere Soldaten und ich dem General zu den Stützpunkten folgen.
"Gibt es Anhaltspunkte, dass es dieselben Gegner, wie vor fünf Jahren sein könnten?"
"Nein, Eure Hoheit. Die Diktatur hat mit dem Krieg damals ein Ende gefunden." Er versucht zu lächeln. "Eigentlich könnte es unserem Land nicht besser gehen. Doch dann fingen die Angriffe wieder an..." Kurz hält er inne.
Schnell nicke ich. Mir genügt dieses Schweigen als Beschreibung der Katastrophe, die daraufhin entstanden ist.
Mehrere breite, großräumige Zelte aus braunen Leinen tun sich vor uns auf und Fernando schiebt den Stoff für mich beiseite, sodass ich eintreten kann.
Die Luft im Inneren ist warm und trocken von der Sommersonne, die auf uns niederbrennt und kaum, dass wir das Zelt betreten, verstummen jegliche Gespräche.
Ich spüre die Blicke der Männer, gekleidet in dergleichen Uniform, wie der General, auf mir liegen. Ob sie gutes heißen, kann ich momentan noch nicht sagen.
"Soldaten!", ruft General Tomás in diesem Augenblick und tritt neben mich. "Ihre Hoheit Prinzessin Lucía Elena de Garcia hat sich auf die lange Reise hierher begeben, um uns beim Kampf gegen den Feind zu unterstützen." Er macht eine Pause und sieht in die Runde. Doch das von ihm erwartete Jubeln bleibt aus.
"Welcher Feind?", höre ich eine tiefe Stimme und einer der Soldaten tritt nach vorne. "Mit Verlaub, General, aber wir wissen nun seit über vier Monaten immer noch nicht, gegen wen wir unsere Waffen richten. Wegen wem unsere Familien, unsere Nachbarn sterben mussten!"
"Das ist ein Problem, bei dem ich Ihnen allen helfen will", mische ich mich ein und blicke dem Soldaten in die Augen. Er scheint noch recht jung zu sein. "Ich habe mehrere Truppen Soldaten hierher-"
"Eure Hoheit", ertönt da auf einmal eine weitere Stimme und ein älterer Soldat mit tiefen Furchen im Gesicht sieht mich mit harter Miene an. "Ich denke wir müssen uns nicht vormachen, dass Ihr mit Hoffnungen, Prinz Santiago lebend hier herauszubekommen, nach San Salvador gekommen seid. Und wegen nichts anderem." Er hebt eine Augenbraue. "Zusätzliche Truppen hättet Ihr auch vor vier Monaten und vor allem alleine senden können. Doch Eure Anwesenheit kommt mir mehr als merkwürdig vor."
Schlagartig wird mir heiß und kalt zugleich, während ich dem Soldaten in die kühlen Augen blicke und Angst, Hass und Trauer zugleich verspüre. Und dennoch. Ich kann und werde ihm nicht widersprechen. Denn wozu? Wenn doch niemand so gut wie ich weiß, dass er gerade die reine Wahrheit ausgesprochen hat. Die reine, grobe und schmerzende Wahrheit.
"Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich diese Truppen vor vier Monaten gesendet habe", sage ich mit vor Anspannung zitternder Stimme. "Ich habe sie vor vier Monaten und vor zwei Monaten gesendet. Und der Grund meiner Anwesenheit ist in dieser Situation gleichgültig. Was zählt, sind die Menschenleben, die wir mit jeder Sekunde verlieren." Ich nehme meine Blicke von dem Soldaten und blicke die gesamte Truppe an. Sie alle sehen mich mit ihren dunklen und trüben Augen an. Sie sind erschöpft. Und sie besitzen keinerlei Hoffnung mehr.
"Nur gemeinsam können wir es schaffen, diesen Krieg zu stoppen!", sage ich lauter und ich spüre, wie Fernando neben mir überrascht zusammenzuckt.
"Und nur wenn wir gemeinsam an die Hoffnung auf ein Ende dieses Krieges glauben, können wir es auch tatsächlich schaffen!" Meine Blicke wandern zu General Tomás. "Würden Sie mir bitte meine Unterkunft zeigen, General? Ich würde gerne alles für morgen vorbereitet haben."
Und mit diesen Worten drehe ich mich um und lasse die Soldaten und das Zelt hinter mir.
Und selbst ohne mich noch einmal zu ihnen umdrehen zu müssen weiß ich, dass sie mit einer Sache nicht gerechnet haben: dass sie nicht die Einzigen sein werden, die in den Krieg ziehen werden.
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Die Grenzen zwischen uns *abgeschlossen*
Romansa„Es ist mir eine große Ehre, Euch kennenzulernen, Prinzessin Lucía" Unwillkürlich durchfährt mich ein weiterer Schauer, während er meine Hand langsam an seinen Mund legt und sie vorsichtig küsst. Mein Atem stockt. „Die Ehre ist ganz meinerseits"...