Kapitel 12

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Allmählich stellte sich auch bei Lara ein Gefühl nach Freiheit und Freude am Fliegen ein.

Sie und Hazla teilten sich ihre Gefühle zwar nur ansatzweise, aber trotzdem genug, sodass Lara ihre leichte Höhenangst vollkommen vergaß. Sie wurde einfach von Hazlas unbändiger Freude überschwemmt und davongetragen.

Plötzlich machte der Drache eine Rolle in der Luft. Lara wurde aus dem Glücksgefühl herausgerissen. Sie wollte etwas sagen, aber der Gegenwind riss ihre Worte mit sich fort. Bist du wahnsinnig? Ich hätte herunterfallen können. Und aus dieser Höhe... tschüss Leben, auf Nimmerwiedersehen.

Jetzt mach mal langsam mit den Jungtieren. Ich habe alles unter Kontrolle. Und solang dein Geist mit meinem verbunden ist, wirst du auch nicht fallen. Das Fliegen liegt uns im Blut, meinte Hazla gelassen, während ihre Flügel immer noch arbeiteten und sie unermüdlich näher an eine Wolke über ihnen brachten.

Lara schnaubte verächtlich und klammerte sich wieder krampfhaft an den Stachel vor ihr, als sie in ein Luftloch gerieten und kurz absackten. Nicht auszudenken, wenn Hazla Unrecht hatte und sie stürzten!

Hazla grummelte kurz, bevor sie mit einem letzten Flügelschlag in die Wolke eintauchten. Augenblicklich setzten sich feine Wassertröpfchen auf ihre Schuppen und Laras Haut. Ohne Orientierung riss Lara die Augen weit auf und sah sich um, aber da war nichts als ein helles Grau, fast so, als würde man durch dichten Nebel gehen.

Als sie wieder aus der Wolke herausflogen, breitete Hazla ihre Flügel aus und ließ sich wieder treiben. Das Wasser auf ihnen wurde aufgesaugt und verschwand einfach, während Lara anfing, zu zittern.

Was ist denn mit dir los? Hazla sah sie kurz fragend, aber unbeschwert an.

Ach, ohne Schuppen und nass rumzufliegen ist nicht wirklich angenehm, weil es sowas wie Physik gibt, gab Lara, inzwischen schlotternd, zurück. Könnten wir langsam wieder runter? Es ist kalt.

Hazla schnaubte kurz abfällig, und Lara meinte, einen kleinen, unschönen Gedankenfetzen über Menschen aufgefangen zu haben, ging aber trotzdem in den Sinkflug.

Sie waren schon wieder so nah am Boden, dass Lara einzelne Bäume identifizieren konnte, als Hazla ohne Vorwarnung einen gewagten Schlenker zur Seite flog, nur um sich dann in eine scharfe Kurve zu legen.

Damit hatte Lara nicht gerechnet und rutschte jetzt langsam, aber sicher, von Hazlas Rücken. Den Stachel hatte sie schon verloren und etwas Anderes zum festhalten gab es nicht.

Als Hazla dann auch noch mit einem Ruck aufstieg, nur um sich gleich wieder wie ein Stein fallen zu lassen, rutschte Lara endgültig ab und stürzte auf die Baumkronen zu. Sie schrie nicht, dafür war sie viel zu erstaunt.

Sie sah während ihres Absturzes den Grund für Hazlas Manöver. Fast musste sie lachen, als sie sah, wie der Drache von einem anscheinend sehr wütenden Schwarm etwa katzengroßer Wesen, also etwa so groß wie Hazlas Vorderbein bis zum Kniegelenk, mit Schmetterlingsflügeln verfolgt wurde. Anscheinend hatte Hazla nicht gemerkt, dass Lara von ihrem Rücken gefallen und, etwas langsamer als vorher, aber immer noch sehr schnell, auf dem besten Weg demnächst zu sterben war.

Plötzlich spürte Lara kleine, aber scharfe Krallen in ihrem Arm und sah zur Seite. Zwei von diesen Wesen klammerten sich an ihm fest und flatterten mit den Flügeln, um ihren Sturz zu bremsen. Ein paar weitere kamen noch hinzu, bis Lara eher durch die Luft glitt, als zu fallen und langsam ins Blätterdickicht des Waldes eintauchte.

Vorsichtig setzten die Wesen sie auf einem großen Ast ab, ließen sich neben ihr nieder und starrten sie aus riesigen schwarzen Augen an. Lara schauderte, als sie in diese sah.

Die Augen sahen aus wie dunkle Löcher. Sie schluckten das ganze Licht in ihrer Umgebung und glänzten nicht einmal. Blinzeln mussten die Wesen anscheinend auch nicht. Den Anstarrwettbewerb mit ihnen musste sie also verlieren. Schnell wandte Lara des Blick ab und musterte ihren restlichen Körper.

Die Schmetterlingsflügel gab es in allen erdenklichen Farben und Mustern. Von einem einfachen hellgrün bis hin zu wilden schwarz-roten Kringeln war wirklich alles vertreten. Dagegen war das kurze, glatte Fell der Wesen sehr unauffällig in Brauntönen gehalten.

Sie hatten vier Beine. An den vorderen saßen an drei fingerähnlichen Gliedern die kleinen, spitzen Krallen, mit denen sie vorhin Lara festgehalten hatten. Auf den hinteren Beinen saßen sie die ganze Zeit. An ihnen waren längere Krallen, die die Wesen in das Holz geschlagen hatten und sich damit festhielten. Zehen hatten sie nicht, ihre Füße waren nur zweigeteilt.

Als eines sein Maul aufriss, um einen Schrei von sich zu geben, offenbarte es spitze Zähne.

Dämliche Senooli! Die sind echt nervig... Pass auf, die Schmetterlingsflügel täuschen dir nur ein friedliches Bild vor. Trau ihnen nicht, in Wirklichkeit sind sie Fleischfresser, meldete sich Hazla endlich wieder zu Wort. Wo bist du eigentlich?

Oh, weißt du, ich bin nur von deinem Rücken gefallen, weil du es nicht für nötig gehalten hast, mich vor deinen Manövern zu warnen. Warum auch immer haben diese reizenden Tierchen hier mich gerettet und jetzt sitze ich mit ihnen in irgendeinem Baum, während du geflüchtet bist. Vielen Dank dafür, gab Lara zurück.

Du bist mit ihnen... ach, warte einfach und rühr dich nicht von der Stelle. Ich komme gleich. Hazla brach die Verbindung ab und Lara richtete ihren Blick wieder auf die Wesen, diesmal aber etwas aufmerksamer.

Eines trat vor. Seine Flügel schillerten in einem blendenden Weiß, sonst unterschied es sich in nichts von den anderen. Es machte ein paar Klickgeräusche und sah Lara dabei an. Sie breitete entschuldigend die Arme aus. "Tut mir leid, ich verstehe dich nicht", meinte sie.

Im nächsten Moment sprangen mehrere der Tiere gleichzeitig mit ohrenbetäubendem Kreischen auf sie los und fingen an, sie mit ihren Krallen zu bearbeiten.

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