Lara stieg von Hazlas Rücken und ging auf das Holzhaus zu. Bevor sie klopfte, drehte sie sich noch einmal zu dem Drachen um.
Nur zu, meinte Hazla und zwinkerte kurz. Lara lächelte und klopfte dreimal kräftig an die Tür.
Lautlos schwang sie auf und offenbarte einen langen, hellen und aufgeräumten Flur. Vorsichtig trat Lara ein. Trotz der freundlichen Atmosphäre war sie angespannt.
Irgendetwas stimmt hier nicht, knurrte Hazla, die alles durch ihre Augen sah, angriffsbereit. Wo ist das Gerümpel? Komm lieber wieder zu mir.
Welches Gerümpel? fragte Lara verwirrt und ging einfach immer weiter den Gang entlang.
Plötzlich sah sie Elisa in einer Ecke kauern, die sie mit geweiteten Augen anstarrte. "Lara?" flüsterte sie ungläubig, "Du musst verschwinden! Geh zurück zu Hazla. Und sag den Ältesten, dass es noch nicht vorbei ist! Sie sind wieder da!" Ein leises Schaben ertönte und Elisa erbleichte. "Lauf", flüsterte sie eindringlich, "Lauf und dreh dich nicht um, egal was du hörst oder siehst."
Lara sah sie an und wollte etwas erwidern, aber ihr Mund wollte sich nicht öffnen. Nach einigen Versuchen gab sie auf. Elisa sah sie beschwörend an. Schließlich drehte Lara sich zögernd und widerwillig um und lief los.
Auf einmal schwoll das unangenehme Schaben zu einem eiligen Schlurfen, begleitet von einem Schleifgeräusch an. Ein Windhauch strich über ihre Wange und brachte einen schweren, süßlichen Geruch mit sich, der sie zum Würgen brachte. Hustend und nach Atem ringend rannte das Mädchen auf den Ausgang zu.
Ein lauter Ruf hallte durch den Gang. "Hier bin ich! Bist du jetzt vollkommen verblödet, dass du mich nicht bemerkst? Komm schon und hol mich!" Elisa klang entschlossen, obwohl ein leiser Anflug von Trauer in ihrer Stimme mitschwang.◇
Erschrocken richtete Lara sich ruckartig auf. Elisas Worte klangen noch in ihren Ohren nach.
Erst allmählich merkte sie, dass sie nicht mehr auf Hazlas Rücken saß, sondern dicht an den Drachen, der einen Flügel über sie gelegt hatte, gekuschelt dalag. Hazla? flüsterte sie vorsichtig. Zur Antwort bekam sie nur ein leises Rascheln, als die ihre Flügel öffnete und ein leises Grummeln. Lara musste lächeln und stand vorsichtig auf.
Als sie ihren Kopf in den Nacken legte, um nach oben zu schauen, knackte es hörbar. Lara verzog das Gesicht und rieb sich mit der Hand ein paar Mal über die Stelle, während sie sich weiter umsah.
Anscheinend hatte sie am Waldrand geschlafen, nah genug am Strand um das leise Rauschen der Wellen zu hören, aber trotzdem auf dem weichen Waldboden unter den Bäumen. Hazla lag dösend zusammengerollt unter einem von ihnen und schien erst jetzt wach zu werden. Morgen, gähnte sie, riss ihr Maul weit auf und offenbarte ihre riesigen, scharfen Zähne. Lara betrachtete interessiert, wie die klackten, als Hazla es wieder schloss.
Jetzt tu nicht so unbeeindruckt, meinte der Drache amüsiert, in Wirklichkeit fragst du dich doch, was ich alles mit ihnen anstellen könnte und zitterst dann innerlich vor Angst.
Lara zog nur die Augenbraue nach oben. Alte Angeberin... Ach wirklich? Und was ist, wenn ich in Wirklichkeit einfach darauf vertraue, dass du mich nie mit ihnen angreifst?
Hey! meinte Hazla empört. Ich bin nicht alt! Und nenn mir einen Grund, warum ich dich nie angreifen würde!
Das Mädchen lächelte nur überlegen. Tja, liebes Hazlalein... Ich kenne einen Grund. Du bist egoistisch.
Hazla schnaubte empört. Ich bin Ewigkeiten den Wald nach dir abgeflogen, habe aufgepasst, dass du nicht runterfällst und mich sogar als Schlafplatz zur Verfügung gestellt. Und was hast du gestern gemacht? Du hast gejammert, dich nett mit der Senoola unterhalten, dich dann weiter beschwert und geschlafen. Wer ist hier egoistisch?
Lara klappte der Mund auf und zu. So hatte sie es noch gar nicht betrachtet. Tut mit leid, murmelte sie niedergeschlagen. Ich schätze mal, ich war gestern echt anstrengend. Aber lass uns doch bitte nicht streiten.
Plötzlich schlug Hazla ihr mit einer schnellen Bewegung die Füße weg, bevor sie langsam auf Lara zukam. Nervös rutschte die zurück, bis sie von Hazla aufgehalten wurde, deren Schwanz sich einmal komplett um sie gewickelt hatte. Lara machte sich so klein wie sie konnte, als Hazlas Zähne nur wenige Zentimeter entfernt krachend aufeinandertrafen.
Siehst du? Natürlich hast du Angst vor ihnen, meinte Hazla triumphierend. Und das hier ist für das Hazlalein. Vorsichtig stupste sie das Mädchen mit der stumpfen, kleinsten Kralle des Vorderfußes in die Seite. Lara konnte nicht verhindern, dass sie automatisch versuchte, sich in die andere Richtung zu biegen und ihre Mundwinkel anfingen zu zucken, während sie erstickte Laute von sich gab. "Nein, nicht, Hazla! Hör auf, bitte", brachte sie nach Luft schnappend hervor.
Hazla lachte inzwischen ebenfalls, allerdings klang es sehr seltsam, wie sie im Geist hell und klar lachte, fast schon wie ein Mädchen, außerhalb aber nur ein tiefes Grummeln zu hören war. Lara fand das aus irgendeinem Grund so lustig, dass sie, ganz ohne gekitzelt zu werden, loslachte, bis sie keine Luft mehr bekam.
◇
Irgendwann richtete Lara sich wieder auf und betrachtete Hazla, die einfach dalag und die Sonnenstrahlen genoss. Als hätte der Drache ihre ernsteren Gedanken gespürt, drehte er sich um und sah ihr in die Augen.
Wir müssen zurück, sprach Lara es schließlich aus. Ich muss zu Elisas Haus. Ich will wissen, was los ist.
Hazla schüttelte den Kopf. Das ist keine gute Idee. Ich habe zwar nur Bruchstücke von deinem Traum mitbekommen, aber er hat etwas zu bedeuten. Und mit Sicherheit nichts Gutes.
Das ist eine Vermutung. Ich will aber Klarheit haben, hielt Lara dagegen und sah sie bittend an. Kannst du vielleicht mitkommen? Ich habe trotzdem ein schlechtes Gefühl und du könntest mir dagegen helfen.
Du weißt doch, dass ich sowieso mitkomme. Aber mir gefällt das nicht. Wirklich. Wir fliegen nur kurz hin und wenn etwas nicht stimmt, verschwinden wir wieder, okay? Hazla scharrte nervös über den Boden und riss langsam ein großes Loch hinein.
Spontan wollte Lara sie erleichtert umarmen, musste dann aber feststellen, dass der Drache dafür zu groß war, und begnügte sich damit, kurz sein Bein zu tätscheln. Natürlich, bestätigte sie. Wenn mein Traum zutrifft, sind wir ganz schnell weg. Und danke, dass du mitkommst.
Hazla knurrte nur noch einmal gutmütig und ließ endlich von dem vollkommen zerwühlten Boden ab, während sie sich duckte. Hoch mit dir. Je schneller es losgeht, desto schneller haben wir es hinter uns.
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Kristallfeuer
Fantasía!Dieses Buch ist weder perfekt noch überarbeitet, mehr Infos dazu im ersten Teil! (das heißt für euch: Lesen auf eigene Gefahr) Lara lebt ihr ganz normales Leben. Sie liebt Musik, Bilder und fantastische Geschichten. Bis sie diesen einen seltsamen K...