Kapitel 6

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"Wer sind eigentlich die Ältesten und was machen sie?" Lara keuchte, während sie Sally hinterherrannte, die ein schnelles Tempo angeschlagen hatte und derenBeine fast über die Brücken flogen.

Sally schien nicht einmal außer Atem, als sie Lara antwortete: "Drei Menschen mit unterschiedlichen Kräften und Charaktern, die trotzdem alle aus Valsara kommen. Keiner kennt ihre richtigen Namen, die mussten sie ablegen, als sie in das Amt eingeführt wurden. Jetzt nennen sie sich Emily, Esmeralda und Jakob. Eigentlich ist nur Jakob wirklich alt, die anderen beiden sind aber so durch ihre Erfahrungen gekennzeichnet, dass sie trotzdem angenommen wurden. Aber das ist jetzt nicht wichtig, bleibe einfach höflich und fass nichts Seltsames an."

Lara nickte, obwohl ihr tausend Fragen durch den Kopf gingen, aber zum Sprechen fehlte ihr der Atem.

In dem Moment, in dem sie vor einer weiteren Tür stehen blieben wurde diese aufgerissen und ein buntes Etwas kam herausgeschossen.

Bevor Lara sich von ihrer Überraschung erholt hatte, war es schon ein paar Mal um sie herumgewirbelt und blieb schließlich vor ihr stehen.

Eine schlanke Frau in einem knallbunt gemusterten Kleid stand mit verschränkten Armen da.
Lara starrte in zwei herausfordernde, funkelnde grüne Augen in einem sonst eher unscheinbaren Gesicht, umrahmt von blonden Locken. Aber das ungewöhnlichste war das Kleid, das, anders als die, die Lara in dieser Welt bereits gesehen hatte, nicht nur in einer Farbe gehalten war, sondern in kräftigen Regenbogenfarben leuchtete.

Langsam neigte die Frau den Kopf, allerdings ohne den Blickkontakt abzubrechen. Ihre Augen schienen Lara festzunageln und ihre Gedanken zu durchsuchen.

Ein komisches Gefühl stieg in dieser auf und ließ sie schaudern. Nach einer kurzen Ewigkeit trat die Frau wortlos zur Seite, winkte Lara heran und schob sie leicht, aber bestimmt in das Haus hinein. Sally folgte ihnen.

Aus dem Augenwinkel sah Lara, wie die Frau sich etwas in den Mund schob.

Dieses Haus besaß nicht so lange Gänge, wie Elisas und Sallys. Nach ein paar Metern trat man in ein kreisrundes Zimmer, von dem fünf Türen abgingen.

Zielstrebig wählte die Frau den ganz rechten mit einer Treppe dahinter und schob Lara in einem kleinen Saal, dessen Boden aus einer Mischung von Erden und glatten Steinen bestand. An einem Ende, vor einer weiteren, dunklen Tür, standen drei große, unbequem aussehende Stühle, auf der anderen Seite einige andere, die gemütlicher aussahen.

Die Frau eilte ohne ein weiteres Wort durch die Tür hinter den großen Stühlen, während Sally Lara zu den anderen zog. "Jetzt musst du warten, bis sie dich zum Setzen auffordern", wisperte sie noch schnell, bevor sich die Tür wieder öffnete und die Frau mit zwei weiteren Erwachsenen in einer kurzen Reihe hereinkam.

In der Mitte lief ein älterer Mann mit klaren, eisblauen Augen und weißgrauen Haaren und einem weißen Bart mit - Lara blinzelte kurz ungläubig und sah noch einmal hin - neonblauen Spitzen, die auf und ab wippten und ein Eigenleben zu führen schienen. Er trug einen ebenfalls blauen Anzug.

Ganz zum Schluss kam noch eine Frau, mit kastanienbraunen Haaren und sanften, dunkelbraunen Rehaugen. Ihr Kleid war schwarz, genauso wie das, das Lara anhatte, die sich gleich weniger allein mit dem Traueroutfit fühlte.

Die drei setzen sich auf die großen Stühle und musterten Lara schweigend. Schließlich durchbrach der Mann die Stille.

"Setzt euch doch", er deutete auf die bequemen Stühle. Obwohl er nicht laut sprach, hallte jedes Wort wider und schien immer bedeutungsvoller zu werden.

Lara und Sally setzten sich langsam. Jetzt sprach die Frau mit den sanften Augen: "Guten Tag, Lara. Wir sind die Ältesten, aber das weißt du bestimmt schon. Hoffentlich hat dir Sally auch erzählt, was unsere Aufgaben sind und warum du hier bist."

Sie sah Lara die Unsicherheit an, sodass sie gleich fortfuhr. "Also nicht. Gut, wie fange ich an... Also, man verdient sich seinen Stand als Ältester. Es ist eher eine Art Titel, den man durch Erfahrung oder Weisheit erlangt, wenn man gewählt wird.
Emily arbeitet zum Beispiel als Lehrerin, dafür muss man bei uns sehr lange reisen, also wurde sie wegen ihres Wissens, aber auch wegen ihrem Gerechtigkeitssinn ausgewählt.
Jakob ist auch ohne Titel der Älteste in der Stadt und vor allem für das Organisieren von Großereignissen verantwortlich, seine liebste Beschäftigung ist das Feiern.
Und ich bin eine ganz gute Strategin und Kriegerin, löse Konflikte aber lieber ohne Kämpfe, also wurde ich wahrscheinlich eher wegen meiner diplomatischen Fähigkeiten gewählt.
Unsere Aufgaben bestehen also darin, die Stadt sowohl in Friedens- als auch Kriegszeiten zu führen und für Gerechtigkeit zu sorgen."

Lara nickte, langsam kam sie mit dem ständigen Informationsfluss besser zurecht. "Sie... - oder darf ich du sagen?"

Esmeralda lächelte ermutigend: "Natürlich darfst du das, es duzt sich hier sowieso jeder."

"Du weißt, wer ich bin", stellte Lara fest. "Aber ich habe immer noch keine Ahnung, was ich hier machen soll. Und eine Frage habe ich noch. Du hast gesagt, in Friedens- oder Kriegszeiten. Was ist jetzt für eine?"

Es folgte eine kurze Stille, während der die Ältesten in sich hinein zu hören und lautlos auszutauschen schienen.

Emily ergriff das Wort, nachdem sie aus ihrem weiten Kleid genausoeine kleine Frucht hervorgeholt und gegessen hatte, wie vorhin schon. Sally rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum und räusperte sich.

"Also"- Emily schluckte -"wir haben einen Grund zu der Annahme, dass du uns helfen wirst, einen Krieg zu verhindern. Dafür musst du aber erst ausgebildet und deine magischen Kräfte geweckt werden. Diese Aufgabe werden wir Elisa, Sally und Thomas, der aber gerade unterwegs ist und später helfen wird, anvertrauen."

"Aber ich habe doch keine magischen Kräfte." Lara schüttelte verwirrt den Kopf.

Jetzt schaltete sich auch noch Jakob ein: "Wenn du hierher gekommen bist, musst du welche besitzen. Und zwar ziemlich stark und vielseitig, sonst hättest du unsere Schilde nie durchdringen können."

Mit leichten Kopfschmerzen verließ Lara das Haus der Ältesten. Wer bin ich? Die Behauptung, dass sie magische Kräfte habe, hatte ihr Weltbild vollkommen auf den Kopf gestellt.

Einerseits war das wissenschaftlich gesehen unmöglich, andererseits war sie durch Licht hierher gekommen und die Menschen sprachen von Magie, als wäre es das Natürlichste der Welt.

Die Ältesten und Sally schienen nicht verrückt zu sein, also glaubten sie wirklich daran.

Elisa und Sally sollen mich ausbilden. Wenn ich mich weigere, werde ich sie blamieren, aber wenn sich herausstellt, dass ich keine Kräfte habe... Was dann?

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