Kapitel 29

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Lara stürzte zu der allmählich dicker werdenden Wand aus schwarzem Stein und schlug dagegen. Sie versuchte, zu schreien, aber kein Ton kam aus ihrer Kehle. Irgendetwas drückte klebrig auf ihre Stimmbänder und hinderte sie daran, etwas zu sagen. Entsetzt hämmerte sie noch fester gegen die Wand, aber davon begannen nur ihre Hände zu schmerzen.

Schließlich trat sie einen Schritt zurück. Die Wand sah jetzt aus, als wäre gar nichts dahinter. Sie war genauso glatt und schwarz wie der Rest der Höhlen. Stur starrte Lara sie an. Sie wollte sich nicht umdrehen. Solange sie den Rest hinter sich nicht sah, konnte sie sich einreden, dass alles in Ordnung war.

Es ist alles ist gut. Alles wunderbar. Alles... ach egal. Das ist doch dämlich. Das Mädchen drehte sich lautlos seufzend um und sah in den schwarzen Tunnel vor sich.

Lara trat zögernd einen Schritt nach vorne. Ein Stein rollte über den Boden, ebenfalls lautlos. Sie stutzte. Warum kann ich ihn sehen?

Der Tunnel lag stockdunkel und ohne jedes Geräusch da. Trotzdem erkannte sie im Umkreis von etwa zwei Metern den Boden ganz genau, als würde sie in einem Lichtkegel stehen, auch wenn alles schwarz-weiß war. Vorsichtig machte Lara noch einen Schritt. Der Lichtkegel, oder was auch immer es war, bewegte sich mit ihr. Seltsam, wunderte Lara sich. Aber was ist hier schon normal?

Die Höhle verschluckte das Geräusch ihrer Schritte. Die unnatürliche Stille führte dazu, dass Lara sich seltsam verloren und ausgeliefert vorkam. Hinzu kam noch die Sorge um Hazla. Diese lastete schwer auf Lara wie ein Gewicht, das einfach nicht leichter werden wollte, egal wie oft sie sich an das Nicken von Rote Klinge erinnerte. Hoffentlich war das keine Einbildung gewesen und die Ara half ihr wirklich...

Irgendwann wurden ihre Schritte langsamer. Lara tastete nach der Wand, an der sie sich die ganze Zeit vorwärts geschoben hatte und sich trotzdem immer noch so fühlte, als hätte sie sich gar nicht bewegt. Eine Kante schnitt in ihren Finger. Dunkles Blut lief zähflüssig über die Haut. Es sah schwarz aus. Lara musste trotz der Schmerzen lächeln, streckte sich dem Finger in den Mund und leckte das Blut ab. Anscheinend hatte sie den Einflussbereich der Ara verlassen. Diese rauen Wände waren der Beweis. Sie waren natürlich entstanden.

Sie tastete sich weiter. Was auch sonst, der Ara hatte den Eingang verschlossen und es musste einfach irgendwo auch einen Ausgang geben. Was Lara aber noch viel mehr beschäftigte, waren andere Fragen.

Der Ara hatte gesagt, dass das hier das richtige Gefängnis war. Aber wäre er wirklich so dumm, ein Gefängnis außerhalb seiner Kontrolle zu benutzen? Und wenn er dumm wäre, wäre er doch kein Anführer, oder? Müssten hier nicht noch andere Gefangene außer ihr unterwegs sein? Warum konnte man sich in diesem Gefängnis eigentlich frei bewegen? Und wie zum Teufel, konnte es so viele unterschiedliche Grautöne geben? Überhaupt, so schlimm war es hier gar nicht. Das Einzige, wirklich Unangenehme hier, war ihr leicht schmerzender Finger und das sie noch kein Essen oder Wasser gefunden hatte. Und natürlich die Dunkelheit, die ihr gleichzeitig Hindernis und Schutz war.

Die Aras sind echt ein seltsames Volk, dachte Lara und schob die Fragen an das Ende ihrer unendlichen Liste. Langsam wäre es zur Abwechslung wirklich nett, einmal Antworten zu bekommen.

Schließlich trat Lara einen weiteren Schritt nach vorn und links von ihr sah sie keine Wand mehr. Sie knickte einfach zur Seite in die Dunkelheit ab. Auf der anderen Seite war auch die andere Wand verschwunden.

Eine Höhle? fragte Lara sich. Als sie eine Stück weiterging, vergrößerte sich ihr Kreis, in dem sie sehen konnte plötzlich und wuchs auf einen Durchmesser von vielleicht zehn Metern an. Vor ihr lag tatsächlich eine Höhle. Und in der Mitte befand sich ein reißender Fluss.

Es war irgendwie gruselig, ihn wild schäumen, die Wellen gegen das Ufer schlagen und das Wasser mit irrsinniger Geschwindigkeit dahinfließen zu sehen, dabei aber nicht das kleinste Geräusch zu hören. Zusammen mit der schwarz-weißen Farbe fühlte Lara sich wie in einem alten Film gefangen. Einem Stummfilm.

Trotzdem hatte sie Durst. Vorsichtig kniete sie sich neben ein kleines, ruhigeres Becken hin und streckte ihre Hand ins Wasser. Es fühlte sich eiskalt an. Lara zuckte zurück. Es war seltsam, andere Sinneseindrücke als das Grau der Steine, oder die immer gleich riechende Luft zu empfangen. Gleich darauf schöpfte sie trotzdem eine Handvoll und probierte vorsichtig.

Es schmeckte wie normales klares Wasser, obwohl der Fluss so reißend aussah. Das Wasser rann kalt ihren trockenen Hals hinunter und sorgte dafür, dass Laras Kopf schlagartig wieder wach wurde. Gierig trank sie noch etwas mehr, bis ihr Magen sich anfühlte, als wäre er voller Wasser.

Danach sank Lara, plötzlich müde geworden, nach hinten und starrte am sie Höhlendecke. Direkt über ihr hing ein riesiger Stalaktit. Seufzend rollte sie sich vorsichtshalber ein Stück zur Seite und schloss dann die Augen, um zu schlafen. Ich tue so, als würde ich schlafen, um zu schlafen, ging es ihr noch durch den Kopf und sie musste kichern.

Dann rollte sie sich gegen die Kühle in der Höhle zusammen und glitt in einen Zustand, der Schlaf und Wachheit zugleich war. Ihre Augen blieben fest geschlossen und ihr Atem ging ruhig. Aber sie konnte sich selbst dabei beobachten. Ihr Geist schwebte langsam aus ihrem Körper heraus bis unter die Höhlendecke. Nein, nicht ihr Geist. Lara schlief tief und fest.

Elára sah auf den Körper des Mädchens unter ihr hinab. Sie kannte es nicht, aber irgendwie war es ihr wichtig. Sie beschloss, es zu beschützen, bis es wieder aufwachte. Dann sah sie sich um.

Sie bestand aus einer Art silbrigem Rauch. Elára betrachtete sich ausgiebig. Diese Form war ihr bekannt und zugleich auch wieder nicht. Sie schwebte und konnte fliegen. Das war ihr ebenfalls fremd und vertraut.

Elára musste lachen. Silberne Blasen blubberten aus ihrem Rauchkörper. Sie mussten sie in eine andere Welt geschickt haben. Und dieses Mädchen dort unten war irgendwie wichtig für sie. Neugierig flog Elára hinunter. Armes Ding, es zählte vielleicht erst fünfzehn Sommer.

Elára strich über seine Haare. Es schauderte und bewegte sich unruhig im Schlaf. Elára musste lächeln. "Schlaf ruhig, ich werde auf dich aufpassen, kleines Mädchen." Ihre Stimme stieg in silbernen Fäden aus ihr auf, die sich zu einer feinen, leuchtenden Decke um das Mädchen, das zu lächeln begann, woben. "Schlaf", flüsterte Elára ihm sanft zu.

Dann flog sie zurück zur Höhlendecke. Ruhig schwebte sie dort, Nacht für Nacht, bis sie spürte, wie das Mädchen sich wieder regte.

Ja hallo,
weiß noch jemand, wie ich mich über 100 Reads gefreut habe? xD
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~Honigduft

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