Lara setzte sich langsam auf. Ahnungslos, wie lang sie geschlafen hatte. Um sie herum schien ein Kokon aus silbernem Rauch zu schweben, aber nach einem Blinzeln war er plötzlich verschwunden. Sicher nur eine Einbildung. Lara gähnte ausgiebig und streckte sich. Ihr Rücken tat ein wenig weh, aber nicht so sehr, wie es nach einigen Stunden auf einem Höhlenboden wohl normal wäre.
Plötzlich schien etwas in ihr zu zucken. Lara hielt inne und horchte in sich hinein. Es zuckte noch einmal, direkt an der Stelle, wo normalerweise Hazlas Stimme ertönte, wenn sie mit ihr sprach. Lara glaubte sogar, ein leises Flüstern zu hören. Es zog sie in die Dunkelheit hinein. Schnell trank Lara noch ein wenig aus dem stummen Fluss, der unverändert heftig gegen den Fels schäumte, und folgte dann dem leisen Ruf.
Je weiter sie ging, desto lauter schien Hazlas Stimme zu werden, obwohl sie immer noch nicht zu verstehen war. Eilig lief Lara immer schneller durch die Gänge. Langsam drückten die Stille und die ständige Dunkelheit auf ihre Schultern. Dieser zugleich lautlose und doch deutlich vernehmbarer Ruf war ihre einzige Orientierung, ihr Anker, genau wie die Hoffnung, dass Hazla auf sie wartete.
Endlich schimmerte vor ihr nicht nur der tiefschwarze Gang, sondern ein dunkelgraues Licht, gedämpft durch eine halb durchsichtige Wand aus Stein. Glattem Stein. Sie war den ganzen Weg wieder zurückgelaufen, wurde ihr plötzlich klar. Jetzt stand Lara wieder da und horchte. Tatsächlich konnte sie hinter der Wand Hazlas Anwesenheit vernehmen. Und ihre Seelengefährtin ihre ebenfalls.
Hallo Lara, meinte die erfreut. Wie geht es dir? Du hast mich gehört? Unsere Verbindung noch stärker geworden, kannst du das fassen, so oft wie wir getrennt sind?
Ja, ich habe dich gehört. Aber die wichtigere Frage ist doch, wie es dir geht und wie ich hier rauskomme. Lara legte die flache Hand an die Wand und lehnte ihre Stirn dagegen. Ich bin ewig gelaufen, habe aber niemanden getroffen oder einen Ausgang gefunden. Aber dann wäre es ja auch kein richtiges Gefängnis, nicht? Auch wenn es weiter hinten natürlich geformt wurde, nicht von den Ara. Sie lachte trocken auf.
Mir geht es gut. So ein schwarzer Typ mit weißen Augen hat mich rausgeholt. Ist einfach aus einem plötzlich erscheinenden Loch in der Wand geklettert. Und der steht übrigens gerade neben mir, um diese Wand hier zu sprengen. Es gibt eindeutig zu viele Wände in diesen verdammten Höhlen, antwortete Hazla. Pass auf, wir holen euch gleich da raus und dann sind wir ganz schnell weg, klar? Der Ara sollte hoffentlich nichts mitkriegen, er schläft irgendwo weit weg.
Lara hörte, wie sich etwas Schweres bewegte, ein Poltern und danach ein Unterdrücktes Beim verstümmelten Warab! Sie musst sich ein Lachen verkneifen und trat vorsichtshalber einen Schritt von der Wand zurück.
Einen Moment später erzitterte die auch schon. Sauber, aber trotzdem nicht lautlos, wurde ein Kreis von vielleicht einem Meter Durchmesser aus der Wand geschnitten. Das erste richtige Geräusch. Nur stammte das unangenehme Knirschen von dem Stein, der unfreiwillig durch Magie aus seiner verschmolzenen Form entfernt wurde, gegen die er allerdings nicht ankam. Vorsichtig wurde die ausgeschnittene Scheibe weggezogen und Steinhaut grinste Lara verschmitzt an.
Hazla dagegen war verwirrt. Wo ist die Zweite, die mit dir da drin war? fragte sie und spähte in die Dunkelheit.
*Ich war alleine*, meinte Lara und runzelte die Stirn. Steinhaut unterbrach mit einer schnellen Bewegung ihre Unterhaltung.
Es schien ihm richtig Spaß gemacht zu haben, die Tür zu zerstören. Er winkte sie nach draußen und legte den Finger auf die Lippen. "Wenn du das nach sechs Tagen da drin noch kannst. Dein Drachen macht schon genug Lärm", murmelte er und zwinkerte ihr zu. Dann lehnte er die kreisförmige Scheibe direkt neben das entstandene Loch, nachdem Lara herausgeklettert war. Steinhaut bedeutete ihr und Hazla, ihm zu folgen. Seine Blindheit behinderte ihn in dieser Höhle wirklich überhaupt nicht. Zielsicher führte er die beiden durch die dunklen Gänge. Ab und zu stieß er ein Klicken aus, vielleicht orientierte er sich so ähnlich wie eine Fledermaus oder ein Delfin.
Lara beobachtete ihn dabei fasziniert. Sie selbst hatte keine Ahnung, wo sie hinliefen und musste Steinhaut vertrauen. Obwohl sie ständig über Steine stolperte, was ihr ein genervtes Schnaufen von dem Ora einbrachte, war sie gegen Hazla eine lautlos schleichende Katze. Lara drehte sich einmal um und sah sofort wieder geradeaus, damit ihre Seelengefährtin ihr Grinsen nicht bemerkte.
Der Drache musste die ganze Zeit aufpassen, nicht an die Decke zu stoßen und wenn es doch passierte, ertönte ein lautes Poltern. Gleichzeitig versuchte Hazla, nicht zu stolpern und zu schwer aufzutreten. Deswegen sah es ziemlich merkwürdig aus, wie sie da versuchte, auf ihren Krallenspitzen schleichend durch den Gang zu robben. *Verdammte Höhlen. Vogelschiss und Nirraschleim*, schimpfte Hazla. *Ich merke, dass du mich lustig findest*, grummelte sie verärgert in Laras Richtung und schob sich verbissen weiter.
Steinhaut schüttelte den Kopf. "Das leise Fortbewegen musst du noch lernen. Ich kenne jemanden, der hätte dir das hervorragend beibringen können."
*Na wundervoll. Dann hätte der es mir beibringen sollen, bevor wie diese Aktion hier gestartet haben.* Hazla schien nicht wirklich gut aufgelegt und sich sichtlich zu ärgern.
Lara ging dazwischen, bevor der Drache noch etwas hinzufügen konnte. "Warum hat er es den nicht getan? Einen Tag länger hätte ich auch noch da drin ausgehalten und wir würden jetzt nicht sofort entdeckt werden, wenn jemand wach wird."
Hazla schnaufte empört, aber Steinhaut antwortete schon. "Das musst du sowieso wissen. Flüsterschritt ist kein Ora mehr. Also, er lebt schon noch, aber er... hat sozusagen die Seite gewechselt. Auf der Mission, auf der ich und Rote Klinge waren, bevor wir dich getroffen haben. Es wird Zeit, dass du etwas über unsere Vergangenheit lernst, kleines Mädchen. Und zuerst gehen wir durch diesen Aushang da, Rote Klinge sollte schon warten. Wir müssen sofort aufbrechen, damit wir zu Sonnenaufgang möglichst weit weg sind." Steinhaut zeigte auf einen etwas helleren Fleck. Man hätte ihn für eine weitere Wand halten können, aber ein einziger Stern blinzelte dahinter herein.
Hazla stürmte sofort los und drückte den Ora und Lara an die Wand, als sie auf ihre ersehnte Freiheit zustrebte. Draußen angekommen breitete sie ihre Flügel aus. Der Wind fing sich in ihnen. Das Mondlicht der Sichel am Himmel schimmerte auf ihren Schuppen. So stand Hazla einen Augenblick mit geschlossenen Augen äußerlich bewegungslos da und genoss die Luft. Aber über ihre Verbindung zu Lara spürte das Mädchen die ungezügelte Freude des Drachens und eine unverhoffte Energiewelle riesigen Ausmaßes. Hazla war eben ein freiheitsliebendes Wesen des Windes und des Meeres.
Lara musste lächeln, als sie ihre Seelengefährtin so sah und daneben die Silhouette von Rote Klinge erkannte, die das Schauspiel ebenfalls mit schimmernden Augen betrachtete. Das Mädchen lief ebenfalls hinaus. Die Luft roch und schmeckte frisch nach Regen. Der Wind fuhr kühl durch Laras verknotetes Haar. Freudig begrüßte sie selbst die matten Farben im Mondlicht, nach den dunklen Höhlen. Am Rande registrierte sie mit ihren Fähigkeiten ein kleine Familie Mäuse und hoch über ihren Köpfen einen kreisenden Vogel, vielleicht eine Eule. Lara warf dem Kopf in den Nacken, breitete die Arme aus und ließ sich lachend einmal durchlüften.
Dann schlug sie die Augen auf. "Ich habe Hunger", verkündete sie eifrig.

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Kristallfeuer
Fantasy!Dieses Buch ist weder perfekt noch überarbeitet, mehr Infos dazu im ersten Teil! (das heißt für euch: Lesen auf eigene Gefahr) Lara lebt ihr ganz normales Leben. Sie liebt Musik, Bilder und fantastische Geschichten. Bis sie diesen einen seltsamen K...