Kapitel 8

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Langsam ebbte das dumpfe Pochen hinter ihren Schläfen ab, trotzdem hielt Lara die Augen noch geschlossen, zu müde, um sich zu überwinden, sie zu öffnen. Irgendwo in der Nähe stritten sich ein paar Leute im Flüsterton, aber sie konnte sich nicht darauf konzentrieren und driftete wieder ins Nichts.

Als Lara das nächste Mal erwachte, war es still. Zu still. Langsam schlug sie die Augen auf in der Erwartung, geblendet zu werden, aber sie lag in einem Raum, der in Dämmerlicht getaucht war, sodass sich ihre Augen langsam einstellen konnten.

Vorsichtig sah sie sich um, um ihre Kopfschmerzen im erträglichen Bereich zu halten.

Neben dem Holzbett auf dem sie lag, das mit einem riesigen Kissen und gleich mehreren Decken ausgestattet war, stand ein kleiner Tisch mit einer Öllampe und einer Kerze, die allerdings beide nicht brannten, und zwei Stühlen. Ihr direkt gegenüber befand sich eine dunkle, schon etwas zerkratzte Tür und hinter ihr mehrere kleine Fenster, die mit roten Tüchern verhängt waren. Dieser Raum kam ihr gar nicht bekannt vor.

Vorsichtig streckte Lara ihre Füße aus dem Bett. Sie trug immer noch die gleiche, schwarze Kleidung, die mit kleinen Erdkrümeln übersät war und, freundlich ausgedrückt, nicht mehr so gut roch.

Lara verzog das Gesicht und stellte fest, dass ihre Schuhe wohl abhanden gekommen sein mussten und sie barfuß war. Trotzdem musste sie einfach aus diesem kleinen Raum raus. Die Stille war erdrückend und langsam wurde es auch stickig.

Nach ein paar unsicheren Schritten auf den glatten Dielen erreichte Lara schließlich die Tür und griff nach dem Knauf.

Wie geht so eine nochmal auf? Zu Hause hatten alle Türen eine Klinke, aber ihr Vater hatte doch einmal erklärt...

Kurz entschlossen drehte Lara den Griff und hoffte einfach, dass die Tür aufging, was die natürlich nicht tat. Schon hektischer versuchte sie es wieder. Die Tür ging nicht auf.

Lara versuchte, tief durchzuatmen, um nicht durchzudrehen und zwang sich zum Nachdenken. Plötzlich schlug sie sich mit der Hand an die Stirn.

Natürlich! Oh man, ich bin so dumm... Schnell drehte sie den Knauf noch einmal, aber diesmal in die andere Richtung. Die Tür sprang sofort auf und gab den Blick auf einen vollgestopften Flur frei, der Lara sehr bekannt vorkam.

Erleichtert grinste sie und trat in den schmalen Gang zwischen den bunten Häufen.

Sally und Elisa sprangen auf, als Lara die Küche betrat, um zu ihr zu eilen.

"Alles gut?", fragte Elisa fürsorglich, "Möchtest du vielleicht etwas trinken?"

Lara nickte und erst jetzt fiel ihr auf, wie trocken sich ihr Hals anfühlte. "Ja, bitte." Sie räusperte sich kurz.

Sally huschte schnell zum Tisch und nahm dort ein mit Wasser gefülltes Glas, um es Lara zu reichen. "Tut mir leid. Ich hätte wissen müssen, dass du noch nicht bereit warst. Und dann hat etwas mächtiges sich in das Ritual gedrängt.", meinte sie niedergeschlagen. Ihre linke Hand huschte zu ihrem Hals und sie nestelte verlegen unbewusst an einem Lederband, bevor sie es merkte und die Hand sinken ließ.

Lara runzelte die Stirn, verschob ihre Überlegungen aber auf später und versuchte sich zu erinnern. Zuerst war da das berauschende Gefühl gewesen, eins mit allem um sie herum zu sein und plötzlich dieses fremde Bewusstsein, der Schmerz.

"Da war irgendwas Fremdes", sagte sie verwirrt.

"Ja", bestätigte Sally, "ich habe das Ritual unterbrochen, weil plötzlich überall diese fremde Macht war. Ich habe versucht, sie anzugreifen, aber sie hatte zu viele Sinneseindrücke von Pflanzen und Tieren aus dem Umgebung um sich als Schutzwall errichtet. Trotzdem hatte ich sie fast, aber da hast du aufgeschrien und mich aus der Konzentration gerissen. Danach muss die Macht ziemlich schnell verschwunden sein."

Lara dachte nach. Sie war doch überall gewesen. Hätte sich da noch jemand anderes einschleichen können? Nein, das hätte sie gemerkt, vor allem, wenn er so mächtig war, wie Sally meinte. Konnte sie vielleicht... aber das war unmöglich!

Ihr Mund bewegte sich von allein, noch bevor sie es merkte.
"Ich war da", meinte sie leise, "Ich habe mit diesen Lebewesen ihre Sinne geteilt. Da war kein anderer."

Lara hielt den Kopf gesenkt, während die Ältesten ihr gegenüber lautlos diskutierten und dabei ab und zu Blicke herüberwarfen. Schließlich verließen Esmeralda und Jakob schnell den Raum, während Emily auf Lara zukam, die erwartungsvoll den Kopf hob.

"Also", setzte die Älteste an und rieb sich müde die Augen, "Sally hat uns erzählt, was passiert ist. Das wird natürlich unsere Pläne über den Haufen werfen, was deine Ausbildung angeht, weil wir zurzeit keinen Erdmagier hier haben, deshalb wird es bei deinen jetzigen Lehrern bleiben.
Insofern ist es praktisch, das du gerade die Erde beherrschst, weil dieses Element hier eine sehr große Rolle spielt und alles verbindet.
Erdmagier haben meist ein Tier, das ihnen sogar die Möglichkeit zur Beherrschung eines zweites Element öffnet. Das heißt, wir müssen herauszufinden, welches zu dir gehört.
Und jetzt zu deiner ungewöhnlich großen Macht. Wenn du so allgegenwärtig warst, dass Sally dich sogar als Bedrohung aufgefasst hat, musst du noch viel stärker lernen, deine Kraft zu kontrollieren. Sonst stellst du eine Gefahr für uns dar, die wir im Moment wirklich nicht gebrauchen können. Wie du weißt, liegt Noanay seit langem im Krieg mit Dämonen. Was sie sind, werden dir deine Lehrer erklären. Bei der letzten Schlacht haben wir sie zwar vernichtend geschlagen und sie haben sich zurückgezogen, aber das war mit Sicherheit nur ein Sieg auf Zeit.
Sie werden zurückkommen und dann kann uns nur 'ein treuer Bund, geschlossen in höchster Not, Erde die Kohle, Wind der Blasebalg, Feuer die Hitze, Wasser zum Löschen und ein Mädchen zur Vollendung des Werkes' retten.
Diese Prophezeiung empfingen wir kurz nach dem Sieg und wussten, dass es noch nicht vorbei war. Und wir glauben, das Mädchen bist du."

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