Kapitel 18

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Nach einigen Verrenkungen passte auch Hazla durch die Öffnung und sie folgte Lara und Kora durch den Vorhang.

Direkt nach einem kurzen, und zumindest für den Drachen engen, Durchgang, traten sie in eine großen Höhle und blieben staunend stehen.

Die Höhle war riesig. An ihren Wänden waren zahllose Vorsprünge oder Eingänge zu weiteren, kleineren Höhlen zu sehen. Durch viele winzige Löcher und Spalten in der Decke blickte der Mond hinein und hüllte sie in einen geheimnisvollen, weißen Schleier aus Lichtstrahlen.

Ein paar müde Senooli flatterten zu einigen Höhlen, andere verließen sie gerade und flogen zu einem großen flachen Stein in der Mitte der Höhle, auf dem hunderte kleinere Kristalle lagen und hielten die neben ihre Köpfe. Nach einiger Zeit legten sie die Kristalle wieder zurück und flogen fast lautlos in unterschiedliche Richtungen davon. Vollkommen still war es nie, immer war ein leises Rascheln, Gemurmel oder ein kleiner Stein, der sich gelöst hatte, zu hören. Trotzdem war es nicht mit der lärmenden Geschäftigkeit am vorherigen Tag auf der Lichtung zu vergleichen.

Kora bemerkte Laras interessierten Blick auf den großen flachen Stein und führte sie hinüber. Dann suchte sie einen leuchtenden hellgrünen Stein heraus und hielt ihn dem Mädchen hin. "Lara hören", sagte sie und lächelte wieder.

Lara hielt sich den Stein, der genau die richtige Größe für ihre Hand hatte, an ihr Ohr und hielt die Luft an, um nichts zu verpassen, was auch immer geschehen würde. Eine Gänsehaut überzog ihre Arme, als aus dem Kristall eine raue, eindeutig männliche Stimme in einer fremden Sprache erklang. Sie hörte ihr kurz fasziniert zu. Dann gab sie den Stein Kora. "Was sagt er?" fragte sie neugierig.

Kora hielt sich den Stein ebenfalls an ihr Ohr und lauschte konzentriert, bevor sie das Gesicht verzog. "Kora sollen kommen. Wichtig", meinte sie unwillig. Dann nahm sie einen größeren, mattschwarzen Stein und flüsterte etwas in der fremden Sprache dagegen. "Lara warten", lächelte sie. "Donor kommen" Die Senoola breitete ihre Flügel aus, winkte Lara noch einmal ungelenk zu und flatterte davon.

Was hat das denn jetzt schon wieder zu bedeuten? meinte Hazla genervt und ließ sich wachsam auf dem Boden nieder. Zu dem Horcherstein hat sie irgendwas mit 'Cherakh' und 'Lara' gesagt, der Rest war für mich unverständlich. Dein Name erklärt sich wohl von selbst und 'Cherakh' ist das einzige Wort ihrer Sprache, das ich verstehe und es heißt 'Drache'. Hat sie jetzt einem ihrer Artgenossen mitgeteilt, dass wir da sind oder was?

Keine Ahnung. Das einzige, was ich mit Sicherheit weiß ist, dass ich müde bin, gab Lara zurück und lehnte sich an den Drachen. Was ist ein Horcherstein?

Ein Horcherstein ist so ein Kristall wie die da. Hazla nickte zu dem Haufen auf dem flachen Stein hinüber. Jeder von ihnen ist vermutlich mit einem der Senooli verbunden. In Horchersteinen kann man Nachrichten für denjenigen hinterlassen. Wenn er leuchtet, enthält er eine neue Nachricht und man kann sie so beliebig oft anhören, bis jemand eine neue Nachricht darauf spricht. Auf diese Weise wurde sehr viel Wissen bei uns Drachen aufbewahrt, denn solche Steine können ihren Besitzer lange überdauern und sind praktisch fast unzerstörbar. Hier dienen sie anscheinend zur einfachen Kommunikation.

Klingt praktisch, gähnte Lara und schloss kurz die Augen. Ich bin echt fertig, passt du auf und weckst mich, wenn etwas Wichtiges passiert?

Natürlich, meinte Hazla und legte sich so hin, dass es für sie und Lara bequemer war, blieb aber trotzdem aufmerksam wach, während Lara langsam davon driftete.

Sie stand wieder in dem seltsamen runden Raum im Haus der Ältesten.
Esmeralda schob sie zur Tür. "Du kennst sie nicht." Ihre Stimme hallte merkwürdig nach, während Lara sie versuchte zu verstehen. "Kennst du nicht... Du kennst sie nicht." Esmeraldas Gesicht verzog sich zu einem Grinsen und sie hüpfte kichernd herum. "Kennst sie nicht! Nicht! NICHT!" Ihre Stimme war plötzlich befehlend und sie starrte Lara drohend an.

Die wandte lieber den Blick zu der Frau im roten Kleid. Sie richtete sich auf... Karamellfarbene Augen starrten Lara aus Elisas blassem Gesicht an, bevor die schwarzen Haare wieder vor ihr Gesicht fielen... karamell... rot... schwarz... karamell... Elisa!... Nein, das war eine fremde Frau in einem Wirbel aus Farben gefangen...
"Du kennst sie nicht." Zischte Esmeralda in ihr Ohr und Lara nickte benommen und wandte sich ab.

Eine Fremde... "Ich... kenne... sie... nicht", murmelte sie schleppend und trat mit Esmeralda durch die Tür. "Kenne sie nicht", wiederholte sie noch einmal, aber diesmal mit fester Stimme.

"Genau, gutesss Mädchen", zischelte Esmeralda. Ihre Haare zogen sich ein Stück in die Kopfhaut zurück, bis sie nur noch kinnlang waren und färbten sich dunkelgrün. Auch ihre Haut veränderte sich, sie verblasste zu einem reinen Weiß, während sich feine Narben ihre Arme entlangzogen. "Aber mich kennst du. Nenn mich den weißen Alptraum." Das Wesen grinste und fing dann an, zu lachen.
Das Lachen wurde immer lauter und lauter, ohrenbetäubend, bevor es sich endlich entfernte und mit sich die Erinnerung nahm.

Lara schreckte auf und sah verwirrt zu Hazla, die besorgt auf sie heruntersah. Was... ach, nur ein Alptraum, murmelte sie erleichtert.

Alles in Ordnung? Du hast mich ein paar Mal ziemlich fest getreten und geschlagen, meinte Hazla skeptisch.

Habe ich? Tut mir leid. Das war keine Absicht. Wie gesagt, es war nur ein Traum, meinte Lara verlegen und wechselte schnell das Thema. Wer ist eigentlich der Senool da neben dir?

Der? Hazla wandte kurz ihren Kopf und starrte ihn misstrauisch an. Er ist ein paar Minuten nachdem Kora weg war einfach aufgetaucht, spricht nicht, bewegt sich nicht und starrt uns einfach nur an. Ich finde ihn echt beunruhigend und gruselig.

Warum hast du mich denn nicht geweckt? Ach, ist eigentlich egal. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du Angst vor den Senooli hast, meinte Lara neckend und lehnte sich seufzend an den Körper des Drachens, während sie den Senool näher betrachtete, der immer noch regungslos dasaß.

Der Senool erwiderte ihren Blick reglos aus den gleichen schwarzen Augen wie Kora. Allerdings waren seine Flügel in einem matten Schwarz gefärbt und etwas größer. Unter seinem glatten, dunkelbraunen Fell zeichneten sich viele Muskeln ab. Trotzdem schien er kein typischer Muskelprotz zu sein, denn er wirkte genauso intelligent und sogar noch erfahrener als Kora. Diesen Senool durfte man nicht wegen seiner Größe oder den großen, schimmernden Augen unterschätzen, erkannte Lara und schluckte.

Du hast Recht, sagte sie zu Hazla, die beleidigt still auf ihr Ergebnis der Musterung gewartet hatte und jetzt wieder zu ihrem selbstverliebten Normalzustand fand. Der ist wirklich gruselig. Könnte er nicht mal woanders hinschauen, oder sich zumindestens ein kleines bisschen bewegen? Ich hasse es, wenn man mich anstarrt.

Hab ich doch gesagt. Tja, an das Starren wirst du dich wohl gewöhnen müssen, wenn du mit mir durch dir Gegend fliegst, läufst oder was auch immer, erwiderte Hazla trocken und drehte dann ihren Kopf zu Kora und einer kleinen Gruppe von Senooli, die vor ihnen landeten und sie dabei neugierig und ungeniert beäugten.

Lara fühlt sofort ihren Kopf rot anlaufen und versuchte, sich unauffällig kleiner zu machen. Wundervoll. Ich habe den Eindruck, das Schicksal kann mich irgendwie nicht wirklich leiden.

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