Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Sally stürzte herein. "Ich... draußen... Drache!", japste sie, bevor sie zu Atem kommen versuchte.
Emily eilte zu ihr und redete ruhig auf sie ein. "Alles ist in Ordnung, Sally, kannst du uns sagen, was passiert ist? Oder brauchst du noch kurz?"
Sally nickte und erholte sich langsam. Anscheinend war sie die ganze Strecke über die schaukelnden Brücken gerannt. Lara wurde schon bei dem Gedanken daran ganz komisch.
"Also", begann Sally, "Ich bin mit Elisa in den Wald gegangen, um ihren Kräutervorrat aufzufüllen. Nach ein paar Minuten war so ein weit entferntes Grollen zu hören, aber wir dachten, es wäre ein Gewitter und sind schnell zurück gegangen, als es lauter wurde. Ja, und als wir ankamen, saß da ein Drache auf unserem Haus..."
"Welche Farbe?", fragte Emily und warf einen kurzen Blick zu Lara, die immer noch erstarrt dasaß und alles beobachtete.
"Blau, also Wasser", meinte Sally und sah ebenfalls kurz zu Lara, die jetzt gespannter zuhörte.
Emily nickte und dachte kurz nach. Dann richtete sie sich wieder auf. "Sally, such bitte Esmeralda und bring sie zu eurem Haus. Für den Fall der Fälle soll sie ihren Stock mitbringen. Lara, du kommst mit mir, wir werden uns diesen Drachen mal vorsichtig ansehen."
Gerade als Sally protestieren wollte, fuhr Emily fort. "Ich weiß, dass Lara noch nicht ausgebildet ist, aber ich habe schon daran gedacht. Und jetzt schnell, bevor der Drache Schaden anrichtet oder alle in Panik versetzt."
Sally schluckte ihre Worte herunter. Sie ging aus dem Saal, während Emily Lara zuwinkte.
Die stand langsam auf. In Gedanken sah sie vor sich ein brüllendes Monster, das die Stadt zerstörte und alle umbrachte, so, wie es immer in Filmen war.
Jetzt komm schon. Denk nicht immer gleich an das Schlimmste. Emily hat gesagt, dass es ungefährlich ist. Außerdem werde ich dich ganz sicher nicht umbringen. Aber wenn du nicht bald kommst, krieg ich schlechte Laune.
Laras Augen weiteten sich überrascht. Die letzten Gedanken kamen mit Sicherheit nicht von ihr.
Natürlich nicht! Meine Güte, da hab ich ja wieder was Tolles abgekriegt... ich bin hier draußen, du Menschenhirn. Dein Tier, wenn dir das was sagt. Hallo! Und jetzt beweg dich endlich.
Ohne ihre Zustimmung trugen Laras Füße sie hinter Emily her, die fast schon über den Boden und die Brücken flog.
Rennen sah bei ihr so mühelos und elegant aus... Warum waren hier nur alle so sportlich?
Lara heftete ihre Augen einfach auf Emilys Rücken und ließ ihre Füße alles machen, bis die auf einmal stockten und Lara gegen die Älteste lief, die stehen geblieben war. Von ihrem Schwung verlor sie das Gleichgewicht, fiel um und knallte auf die Brücke, wurde aber, kurz bevor sie ins Wasser fallen konnte, zurückgerissen.
Lara starrte erschrocken in Emilys braune Augen, die belustigt funkelten.
"Ich würde sagen, bis zum nächsten Mal solltest du das Bremsen üben. Und versuche bitte, dich nicht selbst zu ertränken. Das ist momentan auch nicht die beste Idee", empfahl Emily ihr und lächelte.Lara nickte perplex und rieb sich unauffällig den schmerzenden Arm. Zum Glück war sie auf die Seite gefallen und nicht auf den Kopf, trotzdem tat es ganz schön weh.
Pff... jetzt halt mal die Luft an. Da hab ich schon Schlimmeres gesehen. Und es wäre nett, wenn du mich jetzt mal nicht mehr ignorierst. Das ist nämlich gar nicht nett.
Lara riss den Kopf nach oben und sah, dass sie schon vor Sallys Haus standen. Und auf dem Dach saß ein Drache, dessen Schuppen in den unterschiedlichsten Blautönen schimmerten und sie blendeten.
Er war ohne den langen, eleganten Schwanz vielleicht sechs Meter lang und sah sehr furchterregend, gleichzeitig aber auch wunderschön aus. Sein glänzendes Schuppenkleid umgab ihn wie einen blauen Panzer, der nur die Flügel ausließ, die der Drache in diesem Moment ausbreitete und anscheinend aus einer Art durchscheinenden Hautschicht bestanden. Wie riesige Segel breiteten sie sich aus und warfen einen Schatten auf Emily, die gerade angekommene Esmeralda und Lara.
Langsam musterte das Mädchen den langen Hals des Drachen, bevor es seinen Blick auf den, verhältnismäßig kleinen, Kopf richtete.
Aus den Nüstern stiegen leichte Dampfschwaden auf, die sich in der Sonne gleich wieder auflösten. Dunkle, fast schwarze Augen musterten sie neugierig, aber auch abschätzig und etwas herablassend.
Der Drache kniff die Augen zusammen. Bitte sag mir nicht, dass ich an dich gebunden worden bin. Du siehst aus wie ein Schwächling. Wir hätten dich schon längst aus dem Nest geworfen. Das geht einfach nicht. Außerdem bist du ein Mensch.
Lara riss die Augen auf. Es klang nach ihren Gedanken, aber der Drache sprach. Er war also wirklich ihr Seelengefährte. Und er hörte sich jetzt schon anstrengend an.
Das letzte Wort betonte er mit einem solchen Ekel und Arroganz, dass es Laras trotzige Seite weckte, die noch im Kinderalter feststeckte. Sie verschränkte die Arme.
Dann sag ich es dir halt nicht. Und ich kann mit Sicherheit nichts dafür, ein Mensch zu sein, so wie du genauso wenig dafür kannst, ein Drache zu sein. Außerdem siehst du nicht so aus, als hättest du viel Platz für ein Gehirn in deinem Kopf, also tu nicht so... so großkotzig.
Als Reaktion richtete sich der Drache auf dem Dach mit funkelnden Augen auf. Er fixierte Lara mit den Augen, ehe er das Maul öffnete und sie mit einem eiskalten Wasserstrahl übergoss.
Emily und Esmeralda waren rechtzeitig geschickt ausgewichen, sodass Lara nun allein, nach Luft schnappend und triefnass auf der Brücke stand. Der Drache gab ein belustigtes Grummeln von sich.
Ich dachte, eine kurze Abkühlung könnte nicht schaden. Du scheinst die freundlichen Sitten, die hier herrschen, vergessen zu haben. Seinem Seelengefährten gegenüber sollte man sowieso immer freundlich sein. Ich heiße übrigens Hazlabramakh, weil dir das, im Gegensatz zu Drachen, die sich weit mehr merken können als Menschen, jedoch zu schwierig sein wird, erteile ich dir die Erlaubnis, mich Hazla nennen zu dürfen.
Lara sah den Drachen wütend an. Ihren Seelengefährten hatte sie sich deutlich netter vorgestellt, so, wie immer alle von ihnen sprachen und nicht so arrogant, unwillig und herablassend.
Sehr freundlich von dir... Hazla. Würdest du die Güte besitzen, dich von dem Dach herunter zu bewegen, bevor es zusammenbricht?
Der Drache streckte sich ausgiebig, ehe er anmutig vom Dach ins Wasser glitt, erstaunlicherweise sogar ganz ohne Kommentar.
Lara betrachtete ihn und bewunderte kurz widerwillig seine Eleganz. Sie wurde von Emily aus ihren Gedanken gerissen, als die ihr auf die Schulter tippte und drehte sich um.
Emily schmunzelte. "Dramatischer Auftritt, wirklich. Und? Ist er dein Seelengefährte?"Das Mädchen nickte und sah dann irritiert zu Esmeralda, die sich halb kaputt lachte und dabei die merkwürdigsten Verrenkungen machte.
"Ja, ist er... leider.", antwortete Lara, bevor sie "Ähm, was ist mit Esmeralda los?" fragte.
Emily grinste ebenfalls. "Guck dich mal an", meinte sie schließlich, "Du siehst aus, als wärst du vorhin doch ins Meer gefallen, hättest von dort ein paar Pflanzen aufgesammelt und dich anschließend damit behängt. Dein Seelengefährte hat dich nicht nur vollgespuckt, sondern gleich auch ein bisschen nach seinen Wünschen geschmückt."

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Kristallfeuer
Fantasia!Dieses Buch ist weder perfekt noch überarbeitet, mehr Infos dazu im ersten Teil! (das heißt für euch: Lesen auf eigene Gefahr) Lara lebt ihr ganz normales Leben. Sie liebt Musik, Bilder und fantastische Geschichten. Bis sie diesen einen seltsamen K...