Kapitel 27

40 5 0
                                    

Rote Klinge stapfte aus einem Nebengang. Lara konnte nicht erkennen, ob sie wütend war, aber die Rote schien es eilig zu haben.

Schnell glitt das Mädchen hinter der Wand hervor. In dem glatten Fels gab es zwar keine Nischen, aber Biegungen taten es auch. Leise tastete es sich voran. Ara konnten anscheinend im Dunkeln sehen. Eigentlich schon eine praktische Fähigkeit.

Plötzlich spürte Lara ein Stechen, dass durch ihren Kopf fuhr. Ein fremder Geist drang gewaltsam in ihren ein. Nicht schon wieder, konnte sie gerade noch denken. Sie krümmte sich und biss die Zähne aufeinander, um nicht zu schreien.

Spitze Nadeln fuhren durch ihre Gedanken, durchwühlten sie und hinterließen ein einziges Chaos. Feuer raste durch ihren Körper. Lara glühte, als hätte sie Fieber. Sie wollte schreien, aber etwas schnitt ihr die Luft ab. Verzweifelt versuchte sie, sich gegen den Eindringling zu wehren, konnte sich aber nicht genug konzentrieren. Schließlich gab sie nach und flüchtete sich in den Teil ihres Bewusstseins, der immer noch im Fels steckte und verschont blieb. Plötzlich ließ der Schmerz von ihr ab. Lara stolperte ein paar Schritte nach vorn bis zur nächsten Wand und stützte sich keuchend daran ab.

Ihr Herz schlug schnell und kräftig gegen ihren Brustkorb, als wolle es sie in die Gegenwart zurückholen. Sie hatte ein nervtötendes Fiepen im linken Ohr. Bunte Muster tanzten vor ihren Augen in der Dunkelheit. In ihren Schläfen stach es noch, aber der Schmerz stumpfte langsam ab und Lara konnte wieder nachdenken.

Was ist dieses Wesen? Warum hat es mich angegriffen? Da bemerkte sie erst den leicht rötlichen Schimmer im Gang. Sie verfluchte ihre Neugier, zog aber trotzdem ihr Bewusstsein aus dem Boden und sand es um die Biegung aus. Erschrocken sog sie Luft ein. Anscheinend lauerten dahinter zwei riesige Lebewesen. Allerdings schien eines davon zu schlafen. Gerade das kam ihr aber bekannt vor.

Lara ging langsam zu ihnen, nachdem ihr Geist wieder vereint war. Das Erste, was sie hinter der Ecke sah, war eine seltsam glühende Fläche. Alte Glut von einem Feuer? Das War aber ganz schön groß...

Dann bewegte sich die Fläche mit einem lauten Rumpeln. Irgendwo knackte etwas besorgniserregend, aber Lara starrte fasziniert den riesigen Drachen an, der noch ein Stück größer als Hazla war. Sein Körper füllte den gesamten Gang aus, deswegen sah sein Schuppenkörper aus wie eine glühende Wand. Eine sich bewegende Wand aus Schuppen.

Alte Glut? brummte eine Stimme langsam. Gefangenschaft geht nicht spurlos vorbei, Mädchen. Wenn jemanden gab, der wirklich alt klang, dann der Besitzer dieser Stimme. Sie war tief, leicht kratzig und müde, aber man hatte das Gefühl, dass hinter jedem Wort mehrere Andeutungen versteckt waren. Trotz der Erschöpfung klang sie weise. Alt eben.

Wer bist du? staunte Lara und lehnte sich vorsichtig etwas zurück.

Du kannst also sprechen. Der Drache schien zu überlegen. Sie haben dich nicht geschickt... Ich hoffe, du glaubst nicht an diesen Quatsch mit der Macht über dich durch den Namen, oder? Bei mir funktioniert es sowieso nicht, das kannst du gleich wieder vergessen. Die Rote, die immer kommt, hat das schon verstanden. Rote Klinge, du kennst sie.

Ähm ja, meinte Lara und betrachtete die glühenden Schuppen immer noch fasziniert. Woher... Achso, jetzt weiß ich... Sie bringt mich nach Westen und hilft mir dabei ein paar Techniken mit Waffen zu lernen.

Ohne Gegenleistung? fragte der alte Drache verwundert. Alles hat seinen Preis, Mädchen. Wir Drachen wissen das aus eigener, schmerzhafter Erfahrung, sowohl Feuer als auch Wasser. Nimm dich in Acht, Rote Klinge ist zwar rebellisch, aber trotzdem ihrem Anführer treu.

Ich glaube, sie möchten, dass ich etwas für sie mache, weiß aber nicht, was. Lara schloss resigniert die Augen. Warum hat hier jeder Geheimnisse? Und warum erzähle ich dir davon?

Die Schuppen bewegten sich, bis der Kopf des Drachens zu sehen war. Seine Augen funkelten warm wie Bernstein. Du bist nicht von hier, verbindest aber alles. Es ist keine Schande, aus einer anderen Welt zu kommen. Bewahre deine Andersartigkeit gut. Du könntest sie bald brauchen, wenn sie dir das auftragen, woran ich denke.

Lara zuckte zurück. Aus einer anderen Welt? In diesem Moment zupfte etwas schwach an ihrem Bewusstsein. Es War das andere Wesen, das ihr so bekannt vorgekommen war.

Lara? flüsterte Hazla leise.

Hazla! Lara schrie freudig auf. Wo bist du? Was machst du hier? Wie bist du hergekommen?

Oh, dann gehört sie wohl zu dir, meinte der alte Drache und rollte sich etwas weiter auseinander, sodass hinter seinem Körper eine weitere Höhle zum Vorschein kam. Hazla lag darin. Ihre Augen schimmerten müde und trüb.

Tja, ich lebe wohl noch, sagte sie trocken. Ich schätze mal, diese Leute haben mich hergebracht. Seitdem mache ich nicht so viel. Hauptsächlich schlafen und zwischendurch mal ein ein bisschen mit Teliab plaudern. Mal richtig schön entspannen vor dem Tod.

Lara kletterte eilig über Teliab hinweg. Entschuldige bitte, dass ich dich trete, murmelte sie verlegen und fiel dann Hazla um den Hals. Ich hab dich vermisst. Du kannst mich doch nicht einfach fallen lassen, lachte Lara und wischte sich eine Träne von der Wange. Siehst du? Ich heule schon wieder. Wegen dir. Warte... Tod? Du und tot?

Hmm... ja, es war schon ein bisschen langweilig ohne dich. Vielleicht habe ich dich auch vermisst. Ein winziges bisschen, grummelte Hazla mürrisch, aber ein Lächeln schwang in ihrer Stimme mit. Dann schob sie Lara vorsichtig weg. Ähm... diese Höhle ist nicht wirklich förderlich für meine... Gesundheit, deswegen. Sie wurde mit Feuer aus Stein geschaffen. Hier kann ich nicht so leicht mit dir kommunizieren oder meine Kräfte anwenden. Ich muss hier raus, in die Freiheit und irgendwie Wasser suchen, aber allein schaffe ich es nicht, dafür bin ich zu geschwächt und Teliab kann mir nicht helfen, ohne einen Alarm auszulösen.

Der alte Drache nickte bedauernd. Ich arbeite seit Jahren ständig daran, meine Kräfte zu vergrößern, um irgendwann diese Fesseln sprengen zu können. Trotzdem bin ich noch nicht bereit. Morgen Abend werden sie die dir auch anlegen, wenn du noch lebst, Hazlabramakh.

Was?! Okay, später. Das ist jetzt egal. Was kann ich tun? fragte Lara gespannt.

Keine Einwände? Hazla lächelte sie mental überrascht und dankbar an. Gut, ich habe eine Idee. Du bist ja als Gast hier, nicht wahr? Also... Langsam begann sie, ihren Plan zu erläutern.

Lara hörte interessiert zu, schüttelte dann aber den Kopf. Das ist noch nicht einmal eine Idee. Höchstens ein Ideenansatz. Dein ganzer Plan besteht zusammengefasst daraus, dass ich irgendwie Chaos stifte und wir dann improvisieren.

Was hast du erwartet? Ausgetüftelte Pläne mit tausend Möglichkeiten, wenn etwas schief geht? Ich weiß selbst, dass die nicht so gut durchdacht sind. Hazla schnaubte frustriert. Du bist vorhin erst aufgetaucht und ich habe vorher ständig geschlafen.

Wenn ich mich einmischen dürfte, meinte Teliab amüsiert. Ich würde es so machen....

Alles klar, sagte Lara entschlossen. Bis morgen, oder eher heute. Wünscht mir Glück!

Hazla nickte. Wenn etwas schiefgeht, stellst du dich unwissend. Oder improvisiere einfach.

Ganz sicher nicht, schmunzelte Lara. Das würde dann wirklich schiefgehen. Vielen Dank für die Hilfe, Teliab. Ich hoffe, du kannst dich bald auch befreien.

Der alte Drache nickte nur einmal freundlich. Lara drehte sich um, sandte ihr Bewusstsein aus und suchte sich ihren Weg zurück. Hazla sah ihr besorgt nach.

Viel Glück, wisperte es den Gang entlang.

KristallfeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt