Kapitel 1

250 16 28
                                        

Lara wachte auf, weil ihr der Geruch von Spiegeleiern mit Speck in die Nase stieg.

Unwillig blieb sie noch etwas liegen, bevor sie seufzend die Decke zurückschlug, sich langsam aufsetzte und vergeblich nach ihren Hausschuhen suchte.

Als sie langsam in die Küche schlurfte, empfing ihr Vater sie wie jeden Morgen mit fast unerträglich guter Laune: "Guten Morgen Schatz! Gut geschlafen?"

Als Antwort brummte Lara etwas vor sich hin, das
sich anhörte wie: "Frühammorgengansschlechtmüde. Hausschuhe?"

Sie ließ sich mit noch halb geschlossenen Augen auf ihren Platz am Tisch fallen und stöhnte genervt auf, als ihre Füße an ihre weichen Hausschuhe stießen. Anscheinend hatte sie sie mal wieder hier vergessen. Schnell schlüpfte sie hinein und genoss das warme Gefühl.

Ihr Vater lächelte einfach weiter. "Du solltest langsam mal wach werden, in spätestens einer Stunde sollten wir los, wenn wir nicht zu spät kommen wollen."

"Wohin", nuschelte Lara. Sie war definitiv kein Morgenmensch.

Dann schien ihr Gehirn langsam anfangen zu arbeiten. Ihre Augen öffneten sich ganz und schauten etwas interessierter.

Eine paar Minuten später fiel es ihr endlich ein: "Stimmt, wir wollten ins Museum mit Mama und Martin", stellte sie fest, schaufelte sich Müsli in die Schüssel vor ihr und kippte Milch darüber.

Jetzt war sie wirklich langsam wach, aß und trank noch eine Tasse Tee, natürlich nicht, ohne sich vorher noch daran zu verbrennen und schimpfend zum Wasserhahn zu rennen.

Tatsächlich war sie mal wieder als Erste fertig, weil dem Rest ihrer Familie noch tausend kleine Dinge einfielen, die noch mitmussten und sich dabei trotzdem nicht aus der Ruhe bringen ließen.

Um die anderen nicht groß zu nerven und sich selbst von Martin, ihrem kleinen Bruder, der die ganze Zeit jammerte, weil er sein Polizeiauto nicht fand, abzulenken, setzte sie sich auf die Treppe vor ihrer Zimmertür, hörte sie ihr derzeitiges Lieblingslied in Dauerschleife und summte leise mit.

Das Museum war in einem alten Schloss untergebracht, das dadurch, dass es neben einem kleinen See stand und von Bäumen umrahmt wurde, sehr verwunschen und geheimnisvoll wirkte. Lara stieg der Duft von frisch gemähtem Gras in die Nase. Vögel zwitscherten vollkommen durcheinander und ein leises Platschen war zu hören, als ein Frosch ins Wasser sprang.

Lara war so in diesen Eindrücken versunken, dass sie gar nicht merkte, wie lang sie einfach nur dastand und das Schloss anstarrte.

Erst als Martin loslief, weil er ein paar Enten erschrecken wollte, tauchte sie aus ihren Gedanken wieder auf und rannte ihren Eltern hinterher, die schon gemütlich losgeschlendert waren und die Führungszeiten studierten. Dabei stritten sie scherzhaft, ob sie zuerst in den West- oder in den Ostflügel zur Geschichte des Schlosses gehen sollten.

Allerdings war die Führung, der sie sich spontan angeschlossen hatten, ziemlich langweilig und die Stimme von der alten Frau, die ihre Geschichten herunterleierte so einschläfernd, dass die Familie beschloss, die Ausstellung lieber auf eigene Faust zu erkunden.

Auf diese Weise wurde der Besuch doch noch interessant und Lara konnte sich fast nicht von dem detaillierten Modell der Miniaturstadt mit Fachwerkhäusern, Geschäften und vielen Personen, die dazwischen herumliefen, losreißen, während Martin vor einem Bildschirm mit einem Film klebte.

Nachdem sie überall waren, setzte sich die Familie erschöpft in der Cafeteria hin und sie gönnten sich ein paar Stücke Kuchen.

Martin war erstaunlicherweise sehr ruhig, seit er sie dazu gebracht hatte, eine geschlagene Stunde lang alte Foltergeräte anzusehen, obwohl Lara zugegeben mit der ein oder anderen Gruselgeschichte nachgeholfen hatte, ihm den Mund zu stopfen und ihn da wegzukriegen.

Kurz vor der Abfahrt bettelte er allerdings noch, zum Seeufer gehen zu dürfen, weil er dort etwas gesehen hätte. Vermutlich wieder Enten.

Seine Eltern stimmten zu, aber unter der Bedingung, dass Lara mitkäme. Die beiden wollten inzwischen noch ein 'Erwachsenengespräch' führen.

Trotz dem finsteren Blick von Lara, stapfte diese kurze Zeit später mit Kopfhörern in den Ohren ihrem Bruder hinterher zum Ufer.

Dort angekommen, setzte sie sich müde auf einen flachen Stein und sah Martin teilnahmslos dabei zu, wie er versuchte, auf eine Wurzel zu klettern, die knapp über dem Wasser verlief, und dabei fast ausrutschte.

Als er dann aber anfing, darauf herumzuspringen und mit Steinchen  auf sie zu werfen, rief Lara hinüber: "Du hast doch was gesehen, oder? Wie wäre es, wenn du dich darum kümmerst, mich in Ruhe lässt und wir dann endlich nach Hause fahren?!"

Obwohl Martin sich kurz sträubte, sprang er schließlich von der Wurzel und buddelte am Ufer herum. Langsam begann auch die Sonne, tiefer zu sinken und seine Schwester schoss schnell ein Foto von dem schlammigen Jungen mit der Sonne im Rücken.

Plötzlich blendete Lara etwas. Sie ruschte ein wenig hin und her, aber dieser Lichtstrahl schien ihr zu folgen, obwohl er manchmal seine Farbe von weiß zu rot änderte.

Schließlich stand Lara seufzend, aber trotzdem neugierig, auf und fischte das blendende Etwas aus dem flachen, eiskalten Wasser.

Sie schauderte kurz, betrachtete dann aber den gefundenen Stein genauer.

Es war ein durchsichtiger Bergkristall, der kurz aufzublitzen schien, als ihre Hand ihn berührte, dann aber sein seltsames, anmutiges Farbenspiel wieder aufnahm, egal, wie sie ihn auch drehte und wendete. Irgendwie schien er sie immer anzuleuchten.

Schulterzuckend schob Lara den Kristall in ihre Tasche. "Martin! Können wir jetzt los?"

KristallfeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt