Folge 5.2

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Panisch springe ich von der Couch und stoße mir dabei den Zeh am Bein des Beistelltisches. Der Schmerz zuckt durch meinen ganzen Körper.

«Kein Grund zur Panik», lacht Aiden.

«Wie bist du hier reingekommen?», fauche ich auf einem Bein hüpfend.

Er stößt sich lässig von der Wand ab und kommt zu mir herüber.

«Findest du ernsthaft, dass Conrads Geburtsdatum ein sicheres Passwort für ein ganzes Appartment ist?» Seine linke Augenbraue zieht sich in die Höhe. Über die untere Hälfte seines Gesichts verteilt sich sein typisches Grinsen.

«Es ist in umgekehrter Reihenfolge!», protestiere ich. Passwörter und Zugangscodes sind eben nicht meine Stärke. Muss sich deshalb gleich jeder eingeladen fühlen, sie herauszufinden?

«Das hat die Sache sehr viel schwieriger gemacht, wie du siehst.» Er lässt sich auf die Bettkante fallen und stützt die Arme nach hinten. «Also? Was hast du für mich?»

«Die Frage lautet, was du für mich hast!», fahre ich ihn an. Schluss mit seiner Bitte-hilf-mir-Nummer. «Ich wusste ja, dass du mich in Schwierigkeiten bringen würdest, aber nicht so! Mason macht mir die Hölle heiß. Ich lüge meine beste Freundin an. Conrad glaubt mir sowieso nicht. Und lernen kann ich auch nicht, wenn dieser blöde Computer alle meine Aktivitäten aufzeichnet!»

Das Grinsen fällt aus seinem Gesicht.

«Der Computer macht was?»

«Ich hab die Datenbank durchsucht und ein paar seltsame Mitteilungsstatistiken zur Lotterie gefunden.» Eigentlich wollte ich ihm das erst später sagen. «Aber damit habe ich ein Sicherheitsprogramm aktiviert, dass meine Abfragen, meine Aktivitäten, Standbilder und was weiß ich noch an das Concilium geschickt hat.»

«Scheiße!» Aiden springt auf und fährt sich mit beiden Händen übers Gesicht. Danach ist es fleckig.

«Was?»

«Das Programm aktiviert zuerst die Webcam. Es nutzt sie dauerhaft als Überwachungskamera.» Wieder fährt er sich über die Stirn. «Verdammt!»

«Dann wissen sie jetzt, dass du hier bist?»

«Sie wissen, dass wir hier sind!»

Ich halte die Luft an, als könnte ich so auch die Zeit anhalten.

«Und jetzt?» Wenn sie mich mit Aiden hier finden, dann ...

«Komm mit!» Er packt mich am Arm und zerrt mich zur Tür. Seine Finger graben sich in meine Haut.

«Was hast du vor?», flüstere ich, als er sich um den Türrahmen beugt, um den Korridor nach Sekretären abzusuchen.

«Wir verschwinden!»

«Verschwinden? Wohin?»

Ich bekomme keine Antwort. Aiden schleppt mich auf den Flur, dann nach links und an der nächsten Abzweigung nach rechts. Hinter uns poltern Schritte über den Teppichboden. Im Laufen schaut er über seine Schulter. Ich folge seinem Blick. Am Ende des Ganges leuchten weiße Uniformen und sofort werden meine Knie weich. Sekretäre.

Aidens Griff verstärkt sich, aber ich habe keine Zeit über den Bluterguss nachzudenken, der sich unter seinen Fingern bildet. Wir fallen in Laufschritt. Wir stürmen den Korridor entlang. Ich habe Mühe Schritt zu halten. Aiden zieht mich hinter sich her.

«Sofort stehen bleiben!», brüllt ein Sekretär.

Wir laufen noch schneller.

«Was, wenn sie schießen?», hechle ich.

«Tun sie nicht. Das ist ein Vilex-Deck.»

Ja, es ist ein Vilex-Deck. Mein Deck. Ich werfe einen kurzen Blick zurück. Der Sekretär hebt seine Waffe.

Er wird nicht schießen. Nicht auf mich. Ich bin privilegiert. Aber Aiden nicht.

Mich durchläuft eine Welle purer Energie. Meine Füße fliegen über den Boden. Der Luftzug verwirbelt meine Haare, zieht mir übers Gesicht wie ein Schwall kaltes Wasser.

Weil ich zufällig ein paar richtige Zahlen aufgeschrieben habe, wird man nicht auf mich schießen. Soll das alles sein, was man tun muss, um derart bevorzugt zu werden?

Aiden stürmt das Treppenhaus hinunter. Das Brennen in meinem Rachen raubt mir den Atem. Ich sehe kaum die Stufen, aber meine Füße laufen einfach weiter. Weiter und weiter und immer weiter nach unten.

Only Water - Kenne deinen FeindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt