Mitbewohner? In dieser Gefängniszelle?
«Hi», macht Basketballhosen-Joe und wedelt mit der Hand wie ein Kleinkind.
«Hi», antworte ich gedehnt.
Cassy sagt gar nichts.
«Wie auch immer, sie übernachtet jedenfalls hier», sagt Aiden und entfernt endlich seinen Arm von meinen Schultern.
Ich hole tief Luft und mir wird klar, wie flach ich geatmet habe, während er so nah bei mir war. Verdammt nochmal, das ist nur Nick Sullivan oder Aiden Cala-Dingsbums oder wie auch immer.
«Und wo soll sie schlafen?», keift Cassy.
Immerhin denkt sie lösungsorientiert und blockt nicht gleich das ganze Problem ab.
«Sie kann mein Bett haben», trällert Joe. «Ich schlafe auf dem Boden.»
«Welches Bett? Du schläfst auf dem Sofa», berichtigt Cassy mit vollem Mund.
«Eigentlich hatte ich gehofft, dass sie deinen Schlafplatz haben kann», sagt Aiden zu Cassy.
Sie feuert ihm einen hasserfüllten Blick entgegen. Selbst jemand wie er, sollte dabei eigentlich tot umfallen.
«Komm schon», bettelt er stattdessen, «Nur für eine Nacht.»
«Damit du in meinem Bett mit ihr rummachen kannst? Vergiss es!» Sie streckt die Beine von sich und blockiert so die gesamte Bettkante.
«Ich nehme das Sofa», werfe ich schnell ein, bevor ich Gefahr laufe, im Schlaf ermordet zu werden. Oder mit Aiden das Bett teilen zu müssen. «Danke, Joe.»
Basketballhose zwinkert mir zu und schnalzt passend dazu mit der Zunge. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Keine Ahnung wie dieser Typ, der etwa aussieht wie ein senkrecht aufgestellter, komplett ausgeklappter Zollstock, auf einem Sofa schlafen kann, das selbst für mich zu klein ist. Und meine Beine sind so kurz, dass meine Füße auf keinem handelsüblichen Stuhl den Boden erreichen, wenn ich darauf sitze. Aber allein die Vorstellung, neben Aiden in einem Bett zu schlafen, macht das Sofa unwiderstehlich.
Keine zehn Minuten später liegt Aiden ausgestreckt und leise schnarchend in den Kissen. Sein Gesicht ist zur Wand gedreht und irgendwie ärgert mich das. Ich hätte gern gewusst, wie er im Schlaf aussieht. Aus reiner Neugier.
Joe hat die Hände hinter dem Kopf verschränkt und starrt die Lampe vom Fußboden aus an. Nicht mal seine Decke wollte er haben. Cassy kramt wenig rücksichtsvoll in einem Plastikbeutel herum. Aiden hat sie im Halbschlaf gebeten, mir doch ein Schlafshirt auszuleihen. Ich bin zwar froh, dass ich keines von ihm anziehen muss, aber wenn Kahlkopf-Cassy noch lange mit dem Beutel kämpft, drehe ich durch.
«Hier», sagt sie schließlich viel zu laut und hält mir ein schwarzes Nachthemd mit Spitzenbesatz vors Gesicht.
Vielen Dank auch! Ich habe mir schon immer gewünscht, in einem Negligé unter lauter Fremden zu übernachten. Auf Deck 1!
«Träum was Schönes, Vilex», zischt Cassy, sodass nur ich es hören kann. Dann kriecht sie unter ihre Decke, direkt neben Aiden. Sie wirft mir einen letzten, eindeutig anzüglichen Blick zu und mir wird klar, dass ich in dieser Nacht kein Auge zutun werde.
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Only Water - Kenne deinen Feind
Science FictionDie Flut. Eine Katastrophe. Die Lotterie. Der Gewinn eines Privilegs. Die Wahrheit. Manipuliert. Henrietta ist eine Privilegierte. Sie darf zur Schule gehen, kann sich einen Beruf aussuchen und wohnt allein in einem großen Apartment. Da ist es fast...