«Zurück zum Plan», lenke ich ab.
Judith atmet tief durch, wobei ihre Schultern nach unten sacken.
«Du musst auf das Schuldeck», sagt sie dann. «Im Computerraum bringst du diesen Stick an einem der Rechner an und meldest dich mit diesem Zugang an.» Sie überreicht mir ein Zettelchen, auf dem wirre Codes verzeichnet sind. «Danach treffen wir uns wieder hier und ich mache den Rest.»
«Was ist da drauf?» Ich nehme ihr den winzigen USB-Stick aus den Fingern und drehe ihn im Licht.
«Ein Backdoor-Trojaner. Wenn sie nicht genau aufpassen und wenn ich nichts übersehen habe, schiebst du eine Datei auf den Server, die formal wie ein Mitteilungssentwurf aussieht. Ich komme damit in ihr System. Wie gesagt, eigentlich war der für Ryan bestimmt.»
«Und du bist sicher, das es funktioniert?», frage ich.
«Sicher ist kein Wort, das ich verwenden würde.» Sie zuckt die Schultern. «Deine Entscheidung.»
Ich nicke ein wenig. Meine Entscheidung ist schon vor Stunden gefallen. Mein Plan ist detailliert ausgearbeitet. Ich habe eine reelle Chance von etwa dreißig Prozent es wieder zurück zu Judith zu schaffen. Wenn das Universum es so will, etwas mehr. Und trotzdem komme ich mit meiner Entschlossenheit nicht gegen die Leere in meinem Inneren an.
«Und wenn es auf dem Schuldeck nicht klappt?»
«Dann bleibt uns nur noch der Zentralrechner auf dem Oberdeck», seufzt sie. «Aber wir sollten das Beste hoffen.»
«Okay», höre ich mich sagen.
Judith nickt mit hängenden Mundwinkeln. Ich falle meiner besten Freundin um den Hals. Ihre Hand legt sich auf meinen Rücken.
«Danke für alles», flüstere ich über ihre Schulter.
«Ich warte hier mit Eiskaffee auf dich, also bilde dir nicht ein, du könntest dich einfach von den Wachtrupps umlegen lassen.»
Ich will schmunzeln, kann es aber nicht. Stattdessen verlasse ich die Wohnung. Im nächsten Korridor ziehe ich meine Jacke aus und überprüfe jede Faser. Kein Sender.
Phase 1 meines Plans habe ich damit erfolgreich abgeschlossen, auch wenn mein Magen sich immer noch verkrampft, wenn ich an all die Informationen denke, die ich Judith überlassen habe.
Wenige Minuten später betrete ich eine marode Fensterputzerplattform. Mir wird ganz anders, als der Wind mich gegen die Panoramafront von Deck 14 drückt und unter mir das Meer seine schäumenden Klauen ausstreckt. Ich kralle mich in das Bedienfeld und versuche, meinen Pulsschlag unter Kontrolle zu bringen. Aiden wäre die Ruhe selbst, denke ich. Er würde sich nichts machen aus dem Wind und dem Wasser und er würde mich an sich drücken, um mich vor dem Wetter zu schützen. Sein Blick wäre verwegen beim Anblick der Fensterfront der Wohnung meines Vaters. Ich dagegen habe einfach nur Schiss.
Ich hämmere mit der Faust gegen die Scheibe. Dad fährt in seinem Stuhl herum und erleidet fast einen Herzinfarkt, so bleich wie er plötzlich aussieht. Trotzdem öffnet er planmäßig das Fenster und lässt mich hineinklettern. Froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, nagle ich meinen Vater auf seinem Stuhl fest.
«Was machst du hier?», wispert er perplex und wirft einen Blick zur Tür.
«Ich stelle heute die Fragen, Dad, und wenn du versuchst die Wachhunde dort draußen um Hilfe zu rufen, weiß ich nicht, was ich als nächstes tun werde, klar soweit?»
Zum ersten Mal in meinem Leben sagt mein Vater kein Wort.
«Womit hast du unseren Platz bezahlt?», komme ich direkt zur Sache.
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Only Water - Kenne deinen Feind
Science FictionDie Flut. Eine Katastrophe. Die Lotterie. Der Gewinn eines Privilegs. Die Wahrheit. Manipuliert. Henrietta ist eine Privilegierte. Sie darf zur Schule gehen, kann sich einen Beruf aussuchen und wohnt allein in einem großen Apartment. Da ist es fast...