Folge 14.2

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Das ist es!

«Vielleicht läuft es unter seinem echten Namen», platzt es aus mir heraus. «Kannst du nach Videos suchen, in denen sein Name vorkommt?» Ich springe auf und klebe mit der Nase so dicht vor dem Bildschirm, dass es knistert.

«Nur eine Sequenz auf dem Privatrechner von ...»

«Bob Coleman.»

Judith öffnet das Video. Es ist tatsächlich Aiden, der dort an einem metallenen Tisch sitzt in einem Verhörraum wie ich noch vor wenigen Stunden. Die Sequenz dauert kaum zwei Minuten. Ein Sekretär platziert sich ihm gegenüber, schlägt eine Mappe auf und beginnt mit der Befragung.

«Ihnen werden zahlreiche Verbrechen angelastet», sagt er mit blecherner Stimme. «Können Sie sich vorstellen, welche das sind?»

«Nichtmeldung eines gesuchten Straftäters, Mittäterschaft in einem Komplott, Verschulden des Todes eines Sekretärs in zwei Fällen und Mord an einer ranghohen Sekretärin», zählt Aiden auf ohne seinen Blick von dem Mann abzuwenden.

Meine Kehle schnürt sich zu. Das sind meine Verbrechen. Abgesehen von dem Mord. Welcher Mord?

«Und sind Sie bereit sich für diese Vergehen schuldig zu bekennen?», fragt der Sekretär.

«Nur unter einer Bedingung.»

«Sie sind nicht in der Lage ...»

«Wenn Henrietta Palmer frei- und ihre Anklage fallengelassen wird.»

Weiße Streifen flimmern über das Bild.

Judith sieht sich das Band weitere vier Mal an. Perry schaut nach dem dritten Mal weg. Ich komme im zweiten Durchlauf bis zu der Stelle, als Aiden seine Verbrechen aufzählt. Judith aktiviert ein kryptisches Analyseprogramm und zerlegt das Video in seine Einzelteile.

Mir bleibt die Luft im Hals stecken. Wann hat Aiden einen Mord begangen? Und weshalb? An wem? Gänsehaut überzieht meine Arme, als ich begreife, wie wenig ich eigentlich über ihn weiß. Mein Hals beginnt zu krabbeln, zu jucken, zu brennen. Haben sie ihn wirklich gefangen genommen? Hätten sie ihm seinen Wunsch gewährt? Wie lang werden sie dann noch brauchen, um mein Verschwinden zu bemerken? Wie soll ich ihn retten?

«Es ist ein Fake», sagt Judith in meine Gedanken hinein. Das Karussell wird langsamer und mein Herzschlag normalisiert sich. «Das ist eine Aufnahme eines anderen Mannes, der sich letztes Jahr gestellt hat. Aus den Sprachsequenzen, die sie von Aiden hatten, haben sie den Text zusammengebastelt. Seht ihr diese Sprünge in der Tonfolge? Sowas entsteht, wenn billige Programme sich an Sprache versuchen. Und sein Gesicht ist reingeschnitten. Er sieht noch ziemlich jung aus. Vermutlich ist es bei irgendeinem Verhör kurz vor dem Downgrade aufgezeichnet worden.»

«Also ist er noch dort unten», schlussfolgert Perry zufrieden.

«Zumindest ist er nicht im Gefängnis.»

«Dann los.»

Perry ist schon auf halbem Weg zur Tür, als Judiths warme Hand sich auf meinen gesunden Arm legt.

«Ich habe gesehen, was sie mit dir gemacht haben», flüstert sie. «Es tut mir unendlich leid.»

Wir haben uns oft gegenseitig leidgetan nach der Flut. Wir haben unser Zuhause verloren. Judith hatte Großeltern und einen ganzen Haufen Verwandte, die gleich in der Nähe gewohnt haben. Niemand davon hat es an Bord von Modul 7 geschafft. Und trotzdem war ihr Mitleid noch nie so echt und noch nie hat sie gleichzeitig so wütend ausgesehen.

«Dir muss überhaupt nichts leidtun.» Ich lächle schwach. «Danke, dass du mir hilfst.»

«Immer gern», trällert sie zurück in Heute-ist-ein-guter-Tag-Stimmung. «Und wenn du mal wieder jemanden brauchst, der sich in den technischen Untiefen des Conciliums auskennt ...» Sie deutet mit beiden Daumen auf ihre Brust. Ihre Lippen verziehen sich zu einem breiten Grinsen.

«Ich komme bestimmt darauf zurück.» Ich lasse mich von ihrer guten Laune anstecken. Ja, heute ist ein guter Tag. Ich bin nicht im Gefängnis und Aiden auch nicht. Wir können es schaffen.

«Los jetzt!», zischt Perry. «Sie werden bald hier sein und wir haben noch ein ganzes Stück vor uns.»

Ich folge ihr zur Tür und werfe einen letzten Blick auf meine beste Freundin, die grinsend unseren Abgang verfolgt. Ich glaube, so eine Aktion war schon immer ihr Traum. Hätte ich ihr doch nur früher alles erzählt.

Perry schleicht sich durch das Apartment, den Korridor entlang und zum nächsten Treppenhaus. Mir fällt auf, dass sie den Fähigkeiten ihres Bruders in nichts nachsteht. Beide sind schnell und lautlos.

«Wohin bringst du mich eigentlich?»

Sie wirft mir über die Schulter einen funkelnden Blick zu. Ihr Mundwinkel hebt sich zu einem verschmitzten Grinsen, aber ihre Augen sprechen eine deutliche Warnung aus.

«Deck 0.»

Only Water - Kenne deinen FeindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt