Folge 8.2

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«Soll ich dich schonmal beglückwünschen, dass du bald zu einem dieser fiesen Conciliumspsychologen wirst?», knufft Judith mich in die Seite, noch ehe ich unseren Tisch erreiche.

Ich halte Ausschau nach Conrad, aber er ist nicht da. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und ich weiß nicht wieso.

«Wenn überhaupt werde ich der fieseste Conciliumspsychologe, den dieser schwimmende Koloss jemals zu Gesicht bekommt.» Darauf können sie Gift nehmen. Vorausgesetzt ich komme aus der ganzen Sache mit Aiden an einem Stück raus.

Mein Blick fällt auf die Tafel. 219 Punkte. Angela Fiori hat 225. Da konnte wohl jemand Masons Angebot nicht ablehnen. Conrad hat 207.

«Nur zu, aber zuerst solltest du eine modernere Berufsbezeichnung durchsetzen. Mind Control Agent zum Beispiel. Das wird deine Autorität um ein Vielfaches steigern.» Judith hantiert mit einem schwarzen Apparat herum, der aussieht wie ein Diktiergerät. «Dann kannst du diese Dinger mit Helion ausrüsten und dir alle Daten holen, die du brauchst, um die Herrschaft an dich zu reißen.»

Das Wort «Helion» zieht mich in seinen Bann wie ein Strudel im Meer. Ich hätte wissen können, dass sie etwas darüber weiß.

«Das hier», sie hält mir das Teil unter die Nase, «ist nämlich das neue IPhone. Eine Mischung aus Pager und Smartphone. Alles, was du in Zukunft brauchen wirst, um jeden verdammten Vilex dieser Welt zu erreichen.» Judith dreht das Ding in den Händen. «Das Concilium hat es entwickeln lassen, um die Kommunikation an den alten Standard anzunähern. Nur lassen sich die Teile scheißeschwer programmieren, weil die Software absolut urzeitlich ist.» Sie schüttelt den Kopf.

Ich bewundere immer wieder die Leichtfertigkeit, mit der meine Freundin strenggeheime Projektinformationen an mich weiterleitet. Mein Gewissen würde mich erdrücken.

«Was weißt du über Helion?», platzt es aus mir heraus, bevor ich es verhindern kann.

Judiths Gesicht erstarrt erst, bevor sich ihr Mund zu ihrem gönnerhaften Computerfreak-Lächeln verzieht. Keine halbe Stunde später sitzen wir in ihrem abgedunkelten Zimmer.

Das Apartment von Judiths Eltern gleicht bis aufs Haar unserer alten Wohnung. Die vor Moms Tod. Und vermutlich sieht jede Wohnung für Familien mit einem Kind so aus. Zumindest auf den Vilex-Decks.

«Okay, du hast schon mal nicht die höchste Warnstufe», stellt Judith fest, den Blick auf die kryptischen Zeilen auf ihrem Monitor geheftet. «Und so weit ich das sehen kann, ist das Programm schon länger aktiv, als du sagst.»

«Was meinst du damit?»

«Du hast es nicht durch die Datenbankanfrage aktiviert. Helion hat deine Kamera um genau 15:38 Uhr letzten Freitag übernommen.»

«Wieso?», frage ich mehr mich selbst als sie. «Da habe ich ganz brav für die Simulation gelernt, da war nichts ...» Ungewöhnliches, möchte ich sagen. Aber das stimmt nicht. Zu diesem Zeitpunkt ist Aiden fast abgestürzt. Und ich hatte Besuch von Sekretären.

Judith dreht sich auf ihrem Stuhl zu mir herum und verschränkt die Arme vor der Brust.

«Gibt es vielleicht irgendetwas, das du mir sagen willst?»

Ich schweige verlegen und kneife mir versehentlich so fest in den Arm, dass ich zusammenzucke.

«Henrietta, dieses Programm aktiviert sich nicht von selbst. Entweder du hast es ausgelöst oder jemand hat es absichtlich eingeschaltet.»

«Wie du sagst, kann ich es nicht gewesen sein. Ich schwöre, dass ich mir nur die Protokolle angesehen habe. Kannst du nicht rausfinden, warum es aktiviert wurde?»

Judith dreht sich wieder zum Monitor. Sie tippt etwas auf der Tastatur.

«Hier haben wir was.» Sie lehnt sich weit nach vorn. Ihre Nase berührt fast die Oberfläche des Bildschirms. «Wie ich das sehe, ist deine Version direkt an die Gesichtserkennung des Conciliums gekoppelt.» Wieder hämmert sie auf die Tastatur ein. «Anscheinend ist deine Kamera darauf aus, jemanden mit dem Namen Aiden Callahan zu finden. Na, sieh mal einer an.» Sie plustert sich auf und deutet auf das geladene Foto. «Kein schlechter Typ.»

Ich werfe einen kurzen Blick auf das verschwommene Bild einer Überwachungskamera. Aidens schwarze Augen verschlingen mich.

«Und kannst du das abschalten?»

«Willst du mir nicht erstmal verraten, wer das ist und was du mit ihm zutun hast?» Judith zieht eine Augenbraue in die Höhe und legt ihr verschmitztes Gibt-es-da-was-zu-holen-Grinsen auf.

«Ich hab keine Ahnung, wer das sein soll.» Zu schnell, Jetta. Viel zu schnell. «Schalte es einfach ab.»

Judith verdreht die Augen. Sie macht es sich auf dem Stuhl bequem. Offenbar denkt sie gar nicht daran, weiterzumachen.

«Das mit dem Abschalten ist nicht ganz einfach, weißt du. Das erfordert eine Menge Geschick und Aufwand. Eine kleine Entschädigung fände ich da schon angemessen.»

Jetzt verdrehe ich die Augen.

«Ich gebe dir einen Hinweis und dann schaltest du es ab», biete ich an.

«Ich will Details», hält sie dagegen.

«Ein Hinweis.» Komm schon, Judith.

«Von mir aus.» Sie wedelt mit der Hand, um mir zu bedeuten, dass sie den Hinweis sofort haben will.

«Du kennst ihn auch.»

«Den da?» Sie wirft erneut einen Blick auf das Foto. «Das wüsste ich aber.»

«Doch, du kennst ihn, aber mehr verrate ich nicht.»

«Hat es irgendwas mit deiner Challenge zutun, dass du neuerdings so eine Geheimniskrämerin bist? Du verhältst dich ... anders.»

«Gar nicht wahr», widerspreche ich vehement. Aidens Gesicht hält mich vom Monitor aus fest im Blick. Als wäre er so ein Gemälde, bei dem einen die Augen immer verfolgen, egal von wo aus man es betrachtet.

«Du trägst keine Uniform und ich weiß, dass du nicht zugenommen hast. Du bist nicht geschminkt, was du nur machst, wenn du krank bist. Und du trägst diese fremde Jacke, die nebenbei bemerkt verdammt gut zu dir passt, aber überhaupt nicht dein Stil ist. Und dann ist da noch Conrad, Helion und ein Typ namens Aiden.»

Judiths Zusammenfassung meiner aktuellen Situation ist so präzise, dass mir schwindelig wird. Ich reibe mir die Nasenwurzel. Selbst mit geschlossenen Augen schwankt alles. Dann spüre ich Judiths Hand auf meinem Knie.

«Ich frage nicht weiter nach, wenn du willst, aber sag mir wenigstens, ob ich mir Sorgen machen muss?»

«Musst du nicht», antworte ich automatisch und kann sie nicht ansehen. Aber ich spüre ihren Blick.

«In Ordnung», sagt sie dann leise und dreht sich wieder zum Monitor. Ihre Fingernägel klappern auf den Tasten. «Ich überspiele die aktuelle Aufnahme mit einer Standaufnahme deines Appartements. Sie werden denken, dass du nicht wieder dort warst. Aber besonders lang wird das nicht funktionieren. Wer auch immer Aiden Callahan ist und was auch immer du mit ihm zutun hast, wenn Helion im Spiel ist, überwachen sie dich sowieso.» Sie schnippt auf ihrem Stuhl zu mir herum. Ihre dunklen Augen durchbohren mich. «Und wenn du diesen Aiden das nächste Mal triffst, richte ihm aus, dass er es mit mir zutun bekommt, wenn er dich in Gefahr bringt.»

Only Water - Kenne deinen FeindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt