Folge 7.1

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Er führt mich ein Stück weiter durch den Korridor in einen hell erleuchteten Raum, der aussieht, als hätte man ihn einfach aus der Wand gefräst. Die Decke wird von Leuchtstoffröhren umsäumt und von den metallenen Wänden hallen die Stimmen der Leute tausendfach wieder. In kleinen Tischgruppen sitzen Menschen jedes Alters zusammen und schaufeln grauen Matsch in sich rein. Sieht aus wie unsere Cafeteria auf dem Schuldeck, klingt allerdings wie eine wildgewordene Horde von Affen bei der Jagd durch den Urwald.

Unter der Kapuze beobachte ich einen Mann, der sich mit einem Bein an der Wand abstützt. Er schlürft seinen Kaffee und lässt dabei den Blick über die Menge schweifen. In dem Gewusel erinnert er mich an eine Boje im Sturm.

«Ist das ein Aufseher oder sowas?», murmle ich.

Keine Antwort.

«Joe?» Ich drehe mich um. Basketballhose beugt sich zwei Gruppen weiter tief zu einer jungen Frau in Bikerjacke hinunter. Ich rutsche schnell ein Stück näher heran, damit ich ihn nicht aus den Augen verliere.

Der stille Beobachter löst sich von der Wand und schlendert ein paar Schritte weiter. Dann nimmt er seine Haltung erneut ein, schlürft aus seinem Becher und steckt die andere Hand in die Tasche. Sein Blick verweilt lang am anderen Ende des Raumes. Ich folge ihm, aber da ist nichts. Nur die Reflexion des Lichts auf der glatten Oberfläche der Wand.

Ich spüre ein Zucken in meinem kleinen Finger. Wie eine Schockwelle schickt es ein Kribbeln durch meinen ganzen Arm, doch dann setzt der Mann sich in Bewegung und verschwindet aus meinem Sichtfeld.

«Joe?»

Basketballhose schnippt herum und reißt fragend die Augen auf. Wie ein hyperaktives Eichhörnchen.

«Ich gehe zurück. Danke für den Kaffee», sage ich, hebe den Becher wie zum Toast.

Er zieht seinen imaginären Hut und verzieht seinen Mund zu einem breiten Grinsen. Dann deutet er mit einem Augenzwinkern auf die Frau in Bikerjacke. Hinter ihr erscheint das Gesicht des Aufsehers.

Ich fahre herum und schlängle mich zum Ausgang durch. Mich treffen Ellenbogen in die Rippen und wütende Kommentare. Ich sehe überall nur Füße und Hosenbeine und Metallplatten und Schnürsenkel und ...

«Wohin denn so eilig?»

Ohne ihn berührt zu haben, pralle ich von einem Mann ab, dessen Füße in schwarzen Lackschuhen stecken, die mir nicht ausweichen wollten.

«Lass mich in Ruhe, Penner», fahre ich ihn scharf an. Hoffentlich treffe ich den Deck-1-Ton zumindest ungefähr.

Der Mann lacht.

Mir legt sich ein unsichtbares Tuch um den Hals. Ich habe Schals immer gehasst, weil ich das Gefühl habe, sie schnüren mir die Kehle ab. Ich drehe mich weg und versuche mich in den Strom der anderen Leute einzugliedern. Aber da stehen noch ein Paar Schuhe. Schwarze Lackschuhe. Ich riskiere einen zaghaften Blick nach oben. Der Aufseher hebt das Kinn. Das Zucken in meinem Finger geht auf meine Hand über, auf meinen Arm. Scheiße!

«Du siehst aus, als hättest du dich verlaufen», sagt der Lackschuh hinter mir.

Denk nach, Henrietta! Aber meine Gedankenströme sind nichts als klebriger Pudding. Protokolle. Es gibt kein Protokoll für Begegnungen mit Sekretären auf Deck 1. Mein Herzschlag stört mich beim Atmen. Es gibt keine Protokolle, wenn man auf der Flucht ist, wenn man nicht zu den Vilex gehört.

Only Water - Kenne deinen FeindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt