Folge 18

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«Okay», sage ich leise zu mir selbst. Ich schüttle meine Hände aus und wippe auf die Zehenspitzen vor und zurück. Seit fünf Minuten stehe ich schon vor dieser Tür herum. Keine gute Idee, wenn man zu den wohl meistgesuchten Personen dieser Kolonie gehört.

Zum wiederholten Mal hebe ich die Hand, um endlich die Tür aufzustoßen, und wie auch die Male zuvor wünschte ich, Aiden wäre hier. Ich fühle mich noch immer schutzlos und das liegt nicht daran, dass ich nicht eine einzige Waffe bei mir habe, sondern vor allem an der Tatsache, dass ich vollkommen allein bin. Ich straffe die Schultern und drücke die Klinke zum Schuldeck. Der Unterricht ist längst vorbei, womit ich maximal auf ein paar Mentoren und Lehrer stoßen sollte. Und vielleicht Sekretäre vom Wachdienst.

Ich steuere konzentriert den Computerraum an. Sämtliche Ausreden gegenüber neugierigen Fragen habe ich mir zurechtgelegt. Ich bin vorbereitet. Ganz ohne Protokolle. Als ich die gelbe Tür erreiche, atme ich ein letztes Mal tief durch und stemme mich dann gegen das Metall.

Nichts tut sich. Die Tür ist abgeschlossen. Verdammte Scheiße!

Daran hätte ich wirklich früher denken können. Ich unterdrücke den Drang, gegen die Tür zu schlagen, als ich Stimmen höre, die sich nähern. Hektisch blicke ich mich auf dem kahlen Korridor um. Absolut keine Versteckmöglichkeit. Nicht mal ein Lüftungsschacht.

Doppelscheiße!

Ich renne den Gang zurück, in der kindischen Hoffnung irgendwie die Tür zu erreichen, bevor mich jemand sieht.

«Sofort stehen bleiben», plärrt es da hinter mir.

Ich kann das Klappern hören, als die Sekretäre zu ihren Waffen greifen. Aiden hat mal gesagt, dass ich sicher bin auf dem Schuldeck. Aber nur solange ich in der Masse der anderen Schüler untergehe. Ich sprinte los, ohne den Schmerz meiner Wunden wahrzunehmen.

Die Sekretäre kommen mir nach. Sie schreien irgendwas, das ich nicht verstehe. Ich umklammere den Stick in meiner Hand und renne weiter.

Nur nicht zu Judith. Ich laufe ins nächste Treppenhaus und habe offenbar genug Übung darin, dass ich meinen Vorsprung ausbauen kann. Auf Deck 8 schlage ich einen Haken und stürze auf das einzige Appartement zu, von dem ich hier weiß, wer es bewohnt. Ich hämmere gegen die Tür, die fast im selben Moment aufspringt. Ich dränge Perry zurück in die Wohnung und verriegele alles, was es zu verriegeln gibt.

«Was zur Hölle?», fährt Perry mich an.

«Sekretäre», hechle ich und stütze mich auf den Oberschenkeln ab. Diese ewige Rennerei bringt mich irgendwann noch um.

«Ich dachte, du hättest so langsam mal begriffen, dass die nicht auf deiner Seite sind.» Ihre Augenbrauen schieben sich missbilligend in die Höhe.

Das ist offiziell die dämlichste Idee, die ich jemals hatte! Aber ohne Perry komme ich weder auf die Conciliumsdecks noch finde ich diesen dämlichen Zentralrechner und das ist meine letzte Chance. Sie ist meine Eintrittskarte, aber ich werde nicht den Fehler machen, ihr zu vertrauen. Ich straffe die Schultern und fixiere Perry mit den Augen. Ich lasse mich nicht von einem sechzehnjährigen Mädchen einschüchtern. Auch nicht wenn es mich aus einem Conciliumsgefängnis befreit hat.

«Ich brauche deine Hilfe.» Sie schenkt mir ein müdes Lächeln. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr es mir widerstrebt sie anzubetteln. «Ich muss den Zentralrechner des Conciliums finden.»

«Irgendwie habe ich geahnt, dass sowas kommt», trällert sie verzückt, bevor alle Leichtigkeit tiefem Misstrauen weicht. «Was ist mit Aiden? Er weiß genau, wo der Rechner steht.»

«Wir treffen ihn dort. Es ist besser, wenn er und ich nicht gemeinsam unterwegs sind.» In mir krampft sich alles zusammen. Ich bin froh, dass Aiden nicht sehen muss, wie ich seine Schwester belüge.

Perry nickt, lässt mich keinen Wimpernschlag aus den Augen. Ich sehe, wie sie meine Worte gegen meine Körpersprache abwägt. Masons erste Lektion ist immer uns beizubringen, jede Lüge zu durchschauen. Perry war seine Musterschülerin.

«Ich dachte ihr seid jetzt unzertrennlich?»

Ja, das dachte ich auch.

Ich antworte nicht.

Only Water - Kenne deinen FeindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt