So vergingen die Tage bei Niall. Irgendjemand war immer da, um zu sehen, dass Kyla nichts passierte, einmal mussten die Jungs alle weg, aber Blair war da.
Nach dieser Schonzeit fuhren sie noch einmal ins Krankenhaus, damit Kyla noch ein letztes Mal vom Arzt untersucht werden konnte. Er bestätigte, dass alles in Ordnung war, und meinte, dass sie sich jetzt nicht unbedingt in Abenteuer stürzen sollte, aber sie wurde für gesund erklärt. Niall, Zayn und Blair waren mitgekommen, der Rest hatte Termine. Kyla sprach kurz mit Ben am Telefon.
„Ich will zum Haus meines Vaters, ein paar Sachen holen.", verkündete Kyla danach und die anderen nickten, damit hatten sie gerechnet. Also ließ Niall Kyla fahren, denn nur sie kannte den Weg.
Kyla hielt vor einem kleinen Haus, das vollkommen normal aussah. Aber wie sah schon das Haus eines Mörders und Verbrechers aus?
Kyla seufzte, bevor sie ausstieg, gefolgt von ihren Freunden. Sie holte ihren Schlüssel heraus und schloss die Tür auf. Die Luft im Haus war etwas muffig, nach der Polizei, die hier nach Beweisen gesucht hatte, direkt nach der Festnahme ihres Vaters, war niemand hier gewesen. Sie hatten alles wie unberührt hinterlassen. Nur die Panzertür des Büros hatten sie nicht aufbrechen wollen, sie wollten damit auf Kyla warten, die einen Code kannte. Deshalb hatte Kyla auch schon Ben angerufen.
Neben der Tür standen ihre Schuhe und die ihres Vaters in Reihen, darüber hingen ihre Jacken an Haken. Niall, Zayn und Blair hielten sich komplett im Hintergrund, sie ließen Kyla machen und folgten ihr bloß.
Sie sahen die Küche, wo Kyla ein paar Lebensmittel entsorgte, die nicht mehr gut waren. Auf dem Tisch lag noch eine Zeitung in den Krümeln eines schnellen Frühstücks. Der Abwasch war auch nicht gemacht worden. Kyla räumte auf, ihre Freunde gingen ihr kommentarlos zur Hand.
Im Wohnzimmer nebenan lagen die Kissen noch kreuz und quer auf dem Sofa, Kyla hatte hier sehr wenig Zeit verbracht. Sie hatte nie viel von ihrer Beziehung zu ihrem Vater gehalten. Nur wenn er sie gezwungen hatte, einen Film mit ihm zu gucken, saß sie hier, so weit wie möglich von ihm entfernt. In der letzten Zeit hatte er es aufgegeben, eine Familie aus ihnen machen zu wollen, er war vollends zur Gewalt übergegangen. Kyla lief ein kalter Schauer über den Rücken, dann verließ sie das Zimmer wieder.
Als sie die Treppe nach oben steigen wollte, fiel ihr ein Fleck am Geländer der untersten Stufe auf. Sie bückte sich und sah ihr eigenes Blut dort kleben. Seufzend verfiel sie in die Gewohnheit, ihr eigenes Blut still wegzuwischen.
„Von wem ist das Blut?", brach Blair leise die ewige Stille. Es kam ihnen komisch vor, in diesem Haus laut zu sprechen, es hatte etwas Gruseliges an sich. Vielleicht auch nur, weil es so völlig verlassen und kalt wirkte.
Kyla sah sie kurz an, bevor sie es komplett wegwischte. „Von mir.", flüsterte sie.
Dann gingen sie wirklich die Treppe hinauf, Kyla schloss sofort die Schlafzimmertür ihres Vaters, sie wollte diesen Raum nicht betreten. Sie hatte das nur getan, wenn sie ihren betrunkenen Vater ins Bett bringen musste, weil er sonst auf der Treppe eingeschlafen wäre und sie für seine folgenden Rückenschmerzen verantwortlich gemacht hätte.
Aber sie betrat ihr eigenes Zimmer. Ihr war es immer vorgekommen wie ein kleines Paradies in diesem einsamen Haus, aber nun, wo sie Nialls gewohnt war, fand sie es nicht mehr so schön. Voller Abscheu starrte sie den Stuhl an, auf dem sie einige Nächte mit gefesselten Händen verbracht hatte, verletzt und zu schwach, um sich zu befreien.
Sie bemerkte erst, dass sie zitterte, als Niall vorsichtig einen Arm um sie legte. „Was ist?", fragte er besorgt.
„Der Stuhl.", presste Kyla hervor. „Mein Vater hat mich oft nachts daran gefesselt, als Strafe.", erklärte sie und schluckte schwer.
„Oh Gott...", flüsterte Blair und nahm Kylas Hand in ihre. Zayn nahm kurzerhand den Stuhl und schob ihn aus dem Zimmer und Niall trat vor sie, sodass sie ihn ansehen musste. „Er kann dir nicht mehr wehtun, okay?", versuchte er, sie zu beruhigen. Kyla beruhigte sich alleine schon durch seinen Anblick und nickte.
Sie nahm sich ihren kleinen Hocker aus der Ecke, wo sie normalerweise einen Stapel Klamotten liegen hatte, stellte ihn vor den Schrank und stieg darauf. Ganz oben lag nämlich eine Reisetasche, die sie brauchte. Dann packte sie ein paar Klamotten ein, die sie gerne mochte. Kleidung, die sie vor allem ihres Rufes wegen gekauft hatte, schmiss sie auf ihr Bett, die wollte sie nicht haben.
„Sowas hattest du an?", fragte Blair überrascht und hielt ein schwarzes Shirt hoch, das kunstvoll zerrissen war. An vielen, auch ungünstigen, Stellen. Aber es war so gewollt und sie hatte es getragen. Kyla nickte also und machte weiter.
Sie zog ein Shirt heraus und hielt es hoch. „Kennst du das noch?", fragte sie Niall mit einem leichten Lächeln. „Diese Nacht werde ich nie vergessen. Eine Wildfremde kommt an und fragt mich, was ich dort so alleine mache.", antwortete er grinsend und Kyla packte das Shirt in ihre Tasche.
„Das Kleid war sogar ganz gemütlich, auch wenn es nicht so aussieht. Aber auch nur im Sommer..." Kyla hielt ein rotes Kleid hoch, das einen großen Rückenausschnitt hatte und auch noch bauchfrei war. Es wurde nur durch einen dünnen Streifen Stoff zusammengehalten, wobei es allgemein aus nicht viel Stoff bestand.
„Will gar nicht wissen, wer dich alles so gesehen hat...", grummelte Niall etwas mürrisch und Kyla seufzte. „Viel zu viele.", murmelte sie, aber aufgrund der Stille konnten es alle hören.
„Kyla, ich wollte nicht...", fing Niall sofort an, als er merkte, was er gesagt hatte.
„Ist okay. Wirklich. Ich verstehe nur immer noch nicht, wie du dich für jemanden wie mich entscheiden konntest. Ich könnte es verstehen, wenn du auf einmal schreiend davonläufst, wie du es eigentlich schon hättest tun sollen, als Liam dir gezeigt hat, wer ich bin. Aber stattdessen schreibst du mir Nachrichten und versteckst sie in Mauern."
„Kyla, du... warte, du hast die Nachricht bekommen?", fragte Niall verwundert nach. Damit hatte er nicht gerechnet.
Kyla lächelte kurz. „Ja, Ben hat euch gesehen, als ihr da wart, er war auf dem Weg zum Friedhof. Er hat mir deine Nachricht gebracht. Aber wie du vielleicht gemerkt hast, habe ich sie ignoriert. Ich wollte euch da heraushalten. Hat ja super geklappt...", erzählte sie ihren staunenden Freunden. „Tut mir leid.", fügte sie noch hinzu.
„Es war zu erwarten, dass du sie ignorierst, aber mittlerweile dachte ich, du hättest sie gar nicht bekommen.", meinte Niall und legte dann seine Arme um Kyla. „Wieso kannst du nicht verstehen, dass du ein guter Mensch bist?", fragte er sanft.
„Ihr glaubt doch, dass ich nie jemanden umgebracht habe, oder?", stellte sie als Gegenfrage. „Ja?", meinte Blair fragend.
„Genau deswegen bin ich ein schlechter Mensch."
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Oh oh, was hat Kyla nur gemacht?

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Secrets [One Direction]
Fiksi PenggemarMitten in der Nacht in London treffen Welten aufeinander, die einfach nicht zusammenpassen. Oder doch? Was passiert, wenn auf einmal Geheimnisse ans Licht treten? Probleme, für die es keine einfache Lösung gibt? Wie viel kann wahre Liebe aushalten?