Niall lief sofort zu ihr, ignorierte, dass sie sich von ihm abwandte, und schlang seine Arme um sie. Langsam beruhigte Kyla sich wieder, während Niall sanft über ihren Rücken strich.
„Tut mir leid, wollt ihr noch etwas wissen?", fragte sie, als ihre Tränen versiegt waren. Liam zögerte, er wusste nicht, ob sie in diesem Zustand noch mehr gequält werden sollte.
„Sag schon, wenn es zu viel wird, antworte ich schon nicht.", meinte sie, sie hatte Liams Gesicht richtig gedeutet.
„Na gut. Wie... ist deine... Mutter gestorben?"
Kyla hob ihren Kopf und sah ihn erschrocken an, damit hatte sie nicht gerechnet. Sie kniff ihren Mund und ihre Augen ruckartig zusammen und wandte ihr Gesicht ab. „Ich kann nicht...", hauchte sie leise.
„Okay, du musst nicht.", ruderte Liam sofort zurück.
„Was ist mit deinem Bruder passiert?", fragte Niall, in der Hoffnung, dass es ein erfreulicheres Thema sei.
Und tatsächlich lächelte Kyla leicht, als sie an Ben dachte. „Er konnte abhauen, kurz nach dem Tod unserer Mutter. Ihr Tod hat meinen Vater ziemlich... aufgewühlt. Er ist öfter mal ausgerastet und wurde dann auch gewalttätig. Dabei hat er meinen Bruder einmal bewusstlos geschlagen. Er ist sechs Jahre älter als ich und hat mich immer beschützt. Er hat für mich eingesteckt. Aber da habe ich ihn beschützt. Ich habe ihn weggebracht, ihm einen Brief geschrieben, der es erklären sollte. Ich wusste, dass er mir bei der Polizei mehr helfen können würde als halb tot bei unserem Vater. Er hat die restliche Zeit bis zur Volljährigkeit im Heim verbracht, ich habe ihn manchmal heimlich besucht, aber unserem Vater erzählt, er hätte ihn umgebracht. Das hat ihn für kurze Zeit mir gegenüber zurückgehalten. Er ist nicht vollkommen herzlos. Jedenfalls war er das mal. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher."
„Ben ist dann später zur Polizei gegangen, er hatte perfekte Voraussetzungen, körperliche und geistige Stärke und er wusste, wie es in unseren Kreisen so läuft. Naja, er hat dann mit seinem Chef geredet und mir geholfen und wir haben zusammen diesen Plan entworfen. Ich rette Leute vor dem Tod, wenn ich kann, und gebe Informationen weiter, sodass große Katastrophen verhindert werden können. Nicht zu viel, sodass es auffällig wäre, aber genug, um meinen Vater zurückzuhalten. Naja, irgendwann werde ich meinen Vater anzeigen und endlich frei sein, aber dafür brauche ich stichhaltige Beweise und eine Aussicht auf ein anderes, besseres Leben. Und das habe ich beides so langsam mal zusammen... auch dank euch.", erklärte Kyla. Sie sprach etwas schnell, sodass kurz Stille herrschte, in der die anderen versuchten, alles zu verstehen, was sie gesagt hatte.
„Wann willst du das machen?", fragte Harry dann nach.
„Wenn ich alles geklärt habe. Ich muss alle Zeugen erreichen, sie müssen mir jetzt helfen. Ich muss dafür sorgen, dass mein Vater überrascht wird, sodass er sich nicht gegen eine Festnahme wehren kann. Ich muss also einen Plan mit der Polizei schmieden.", zählte Kyla auf.
„Wir könnten doch auch Zeugen sein.", schlug Niall vor, was Kyla überrascht aufnahm. „Aber... seid ihr sicher? Ich meine... das wird eine Menge Aufmerksamkeit bringen... Ich weiß nicht..."
„Aber wir wollen dir helfen.", beharrte auch Zayn.
„Ihr habt keine Ahnung, wie sehr ihr mir schon helft.", meinte Kyla kopfschüttelnd.
Niall legte ihr sanft einen Arm um die Schulter. „Eine Frage habe ich noch. Du musst auf keinen Fall antworten, wenn du nicht willst.", fing er vorsichtig an. Kyla sah ihn nur erwartend an. „Wer ist Marc und was machst du morgen bei ihm?"
Kyla stockte der Atem. „Das möchtest du nicht wissen.", flüsterte sie stimmlos.
„Kyla, bitte."
„Marc ist ein Freund meines Vaters. Einer der netteren. Beim letzten Mal hat er mich verschont, weil er die Platzwunde an meiner Stirn gesehen hat. Wahrscheinlich will er das morgen zurückhaben..." Kyla schüttelte Nialls Arm ab und umschlang ihre angezogenen Beine mit ihren Armen.
„Wie oft schon...?", fragte Niall leise.
„Ich zähle nicht mit. Oft genug." Kyla seufzte tief und setzte sich wieder auf. „Es ist nicht zu ändern. Morgen bin ich nicht erreichbar, nur damit du das weißt.", sagte Kyla zu Niall und stand auf.
„Wo willst du hin?" ,fragte Louis sie ruhig.
Kyla blieb stehen. „Keine Ahnung. Ich laufe nachts oft einfach herum. Dabei treffe ich manchmal sehr nette Menschen.", erklärte sie mit einem kleinen, schwachen Augenzwinkern.
„Wie oft denn so?", fragte Niall nach.
„Ab und zu. Aber bei einer Bekanntschaft ist es etwas eskaliert. Da habe ich statt nur einer Person gleich eine komplette neue Welt kennengelernt."
Louis, Harry, Zayn und Liam hielten sich diskret im Hintergrund, während Kyla und Niall miteinander redeten. „Was denn für eine Welt?", fragte er nach.
„Die Welt der Freude, der Gefühle, des Glücks."
„Gefühle?"
„Ja, Gefühle. Mehr als gut für mich ist, fürchte ich."
„Dann bleib hier."
Kyla gab ihren ohnehin eher zurückhaltenden Widerstand auf und ging zurück zu Niall, der sie zu sich auf das Sofa zog.
DU LIEST GERADE
Secrets [One Direction]
FanfictionMitten in der Nacht in London treffen Welten aufeinander, die einfach nicht zusammenpassen. Oder doch? Was passiert, wenn auf einmal Geheimnisse ans Licht treten? Probleme, für die es keine einfache Lösung gibt? Wie viel kann wahre Liebe aushalten?