Kapitel 42

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Kyla setzte sich auf ihren Platz, Ben und der Polizeichef waren nicht weit entfernt. Ganz vorne saß der Richter und gegenüber von ihr wurde gerade ihr Vater hereingeführt. Er war in Handschellen und in Klamotten, die nicht ihm gehörten.

Als er hoch sah, stockte Kyla der Atem. Seine Augen blitzten verrückt. Sie zitterte vor Angst und klammerte sich an ihren Stuhl. So hatte er oft ausgesehen, wenn er sie misshandelt hatte, nur dass jetzt nicht der Alkohol seine Augen blitzen ließ, sondern die Enge der Zelle und die Einsamkeit. Er war verrückt geworden, noch verrückter als vorher.

Ben sah seine Schwester besorgt an, er sah, dass sie blass geworden war. „Kyla!", zischte er ihr zu und sie schien aus einer Trance zu erwachen. Sie drehte sich zu ihm und atmete tief durch. Sie hatte jedes Detail ihrer Geschichte dem Polizeichef erzählt, der es auf Band aufgenommen hatte. Er hatte gesagt, dass sie nicht bestraft werden würde. Und wenn doch, dann nicht mit Freiheitsentzug, sie hatte sich ja auch noch quasi selber gestellt. Ihr konnte nichts passieren.

Kurz sah sie noch einmal zu Niall, der ihr zunickte, ihr verzweifelt seinen Beistand zusichern wollte. Sie erwiderte es fast unmerklich, dann ging es los.

Zuerst sollte Kyla entlastet werden. Es wurde vorgelesen, was alles gegen Kyla vorgebracht wurde. Morde. Insgesamt sollte sie 67 Menschen getötet haben. Der Polizeichef neben ihr nickte. Kyla fiel ein Stein vom Herzen, die Zahl stimmte mit der Anzahl der Akten überein, bis auf einen Mord. Den ersten, den sie wirklich begangen hatte.

Kyla wurde aufgefordert, etwas dazu zu sagen. Sie erhob sich und straffte ihre Schultern. „Mir werden 67 Morde angehängt, was aber eine Lüge ist. Ich muss leider zugeben, dass ich, als ich zwölf war, von meinem Vater gezwungen wurde, meinen ersten Mordauftrag auszuführen. Ich habe in meinem ganzen Leben genau diesen einen Mord begangen, die anderen Menschen leben alle noch.", verkündete sie mit lauter Stimme.

Man konnte die Anspannung im Saal förmlich mit Händen greifen, so deutlich war sie. „Haben Sie Beweise dafür?", kam die Frage sofort.

Der Polizeichef stand auf und legte den Stapel Akten auf dem Tisch ab. „Dies sind die Akten von 66 Kleinkriminellen, die vermeintlich von Kyla Dents getötet worden sein sollen, aber alle unter anderen Namen im Ausland leben. 43 von ihnen konnten heute hier sein, wenn Sie wollen, können Sie auch nach den restlichen 23 suchen, Sie werden sie finden. Miss Dents hat keinen von ihnen ermordet." Man hörte Getuschel aus dem Zuschauerraum. „Holen Sie sie herein."

Kurz darauf standen 43 Männer vor dem Gericht, es war eng geworden dort vorne. „Du kleines Miststück!", hörte Kyla jemanden zischen und sah zu ihremV ater, der sie hasserfüllt ansah. Alle waren still geworden.

„Mäßigen Sie sich!" Zwei Polizisten zogen ihren Vater zurück auf seinen Stuhl, Kyla zitterte vor Angst. Sie legte sich beide Hände vors Gesicht und versuchte verzweifelt, sich zu beruhigen. Ihr Vater konnte ihr bei so vielen Menschen nichts tun.

Der Sprecher der 43 Zeugen wurde aufgerufen, er sollte für sie alle sprechen. „Ich bin Dan Watson, aber geboren bin ich unter dem Namen Toby Phills.", begann er und Kyla schreckte hoch.

Dort stand tatsächlich Toby und schenkte ihr ein kurzes Lächeln. „Ich habe mit Kyla Dents eine Beziehung geführt, bevor ihr Vater ihr den Auftrag gab, mich zu töten, nur weil er nicht wollte, dass ich seiner Tochter so nahe kam." Er erzählte, wie sie ihn gerettet hatte, von seinem Aufenthalt in der Klinik und dann von seinem neuen Leben in Kalifornien, das sie ihm ermöglicht hatte.

Kyla hörte nicht richtig zu, sie wusste das alles schließlich schon, sie warf einen Blick zu Niall, der seine Stirn in Falten gelegt hatte, sich aber sofort entspannte, als er Kylas Blick auffing. Sie hoffte, dass er nur ein kleines bisschen eifersüchtig war.

Lächelnd drehte sie sich wieder nach vorne, wo Toby seinen Vortrag beendete. Sie bestätigte alles, was er gesagt hatte, so ungefähr wusste sie ja, was ihm passiert war.

„Nutzlose Kopie deiner Mutter, verlogenes Biest!", knurrte Kylas Vater und Kyla krümelte sich auf ihrem Stuhl zusammen.

„Wagen Sie es nicht, so mit ihr zu reden.", sagte Toby ruhig, aber mit einer gewissen Drohung in der Stimme, die anderen Männer um ihn herum sahen ebenso entschlossen aus wie er. Sie würden Kyla verteidigen.

Kyla zitterte und sie spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen. Sie schluckte sie herunter. Toby blieb im Raum und setzte sich neben Kyla, um bei ihr zu sein, die anderen verließen den Saal wieder. Toby und Kyla sahen sich kurz an, tauschten sich stumm aus und er nickte. Dann lächelten sie sich an, Kyla nur schwach, er aufmunternd.

„In Ordnung, damit ist der Fall um Kyla Dents geklärt. Das Gericht hatte Einsicht in die Akten und Fälle, die sie umgeben. Der Mord wurde unter Zwang und in der Minderjährigkeit ausgeführt, wird daher nicht geahndet. Sie ist freigesprochen.", verkündete der Richter schlussendlich nach einiger Zeit der Anspannung und Nervosität und Kyla sackte auf ihrem Stuhl etwas zusammen.

Sie war frei. Sie konnte es kaum fassen. Der erste Teil war geschafft. Nun musste nur noch ihr Vater verurteilt werden, dann konnte sie in Frieden leben.

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Ich muss kurz etwas zu dem Prozess sagen: Der ist nicht realistisch. So einfach läuft das bei Gericht nicht ab, das weiß ich vor allem jetzt, wo ich angefangen habe, Jura zu studieren. Auch vorher war mir klar, dass das nicht so abläuft, aber ich habe es so beschrieben, weil ich auch nicht genau weiß, wie es korrekt abläuft (mit Beratungen, Anwälten etc.). Nehmt den Prozess bitte nicht zu ernst, ich wusste es nicht besser, als ich das Ende dieser Geschichte geschrieben habe, was auch schon eine Weile her ist, nebenbei bemerkt...

Ich hoffe, ihr mochtet das Kapitel trotzdem :)

Secrets [One Direction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt