31. Kapitel

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Adriana

„Wie kannst du es wagen?" Ihre Worte sind bei weitem nicht sonderlich laut, trotzdem jagen sie mir einen Schauer über den Rücken, sodass ich die Arme um mich schlinge. Mir ist klar, dass ich damit wahrscheinlich einen Fehler gemacht habe, doch trotzdem konnte ich nicht anders und wenn ich nochmal in dieselbe Situation kommen sollte, würde ich wahrscheinlich wieder genauso handeln. Doch noch bevor Lavea fortführen kann, ertönt hinter uns eine Stimme.

„Lavea. Ich habe dich schon lange nicht mehr gesehen. Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, dich nochmal hier zu sehen." Der Mann, der auf uns zukommt, hat die gleichen hellblonden Haare, wie Lavea, weswegen ich mal annehme, dass er auch zu den weißen Werwölfen gehört. Ohne ihre Reaktion abzuwarten, kommt er immer näher, bis er sie sogar in den Arm nimmt. An ihrem Gesichtsausdruck kann ich sehen, dass sie das alles andere als wirklich will.

„Mirko, lass mich los." Mit diesen Worten befreit sie sich nach einige Sekunden von ihm und sein Blick fällt auf uns.

„Oh, ich wusste ja nicht, dass du nicht alleine reist." Plötzlich fängt er an, seine Hände zu kneten und Lavea rollt die Augen.

„Hör auf damit. Du brauchst nicht nervös zu sein. Keiner von denen will dir etwas tun und du muss dich auch für nichts schämen oder vor etwas Angst haben." Scheinbar haben diese Worte wirklich eine kleine beruhigende Wirkung auf ihn, denn er entspannt sich kaum merklich.

„Ähm ja, wollen wir unseren Weg gemeinsam fortsetzen? Ich bin leider nur alleine unterwegs, deswegen würde es mir eigentlich nur passen."

„In Ordnung. Dann sollten wir jetzt aber auch weitergehen", stimmt Lavea seinem Vorschlag zu und gemeinsam setzen wir Weg fort, wobei Lavea ihr Pferd an den Zügeln führt. Immer wieder spüre ich zwar die wütenden Blicke von Lavea, die sie mir nach hinten zu wirft. Wahrscheinlich kann ich von reinem Glück sprechen, dass Mirko genau in diesem Moment aufgetaucht ist. Sonst würde ich jetzt schon nicht mehr atmen, nach den Worten, die ich mir erlaubt habe. Doch scheinbar wagt sie es auch nicht, in seiner Gegenwart mir irgendwelche Dinge an den Kopf zu werfen.

In der Zeit, in der wir gehen, wagt es keiner auch nur irgendein Wort zu sagen. Nur Isabella und Ace werfen sich manchmal bedeutungsvolle Blicke zu, von denen ich nicht so recht weiß, was ich davon halten soll. Schließlich nährt die Sonne sich immer weiter dem Horizont, so dass sie schon hinter den Bergen verschwunden ist.

„Wir sollten hier rasten. In der Dunkelheit werden wir sowieso nicht weiterkommen", schlägt Mirko vor, als die Wege nur noch spärlich beleuchtet sind. Erleichtert atme ich aus, wobei ich mir sicher bin, dass Lavea diesen Vorschlag ganz sicher nicht von sich aus gemacht hätte. Doch so bleibt sie einfach nur stehen und stimmt dem Vorschlag mit einem Nicken zu.

Langsam bauen wir unser Lager auf, während Ceadda sich mit Ace noch auf die Suche nach ein bisschen Brennholz macht. Nach einigen Minuten sind die Schlafmatten in einem Kreis ausgerollt und in der Mitte prasselt fröhlich ein Feuer. Um dieses sitzen wir herum und genießen ein paar Beeren, die sie noch gefunden haben.

„Wir sollten sicherheitshalber trotzdem Wache halten", schlägt Ceadda vor und wir nicken zustimmend.

„Isabella und ich können die erste Wache übernehmen", beginnt Ace, nachdem er Isabella einen kurzen fragenden Blick zu geworfen hat.

„Ich übernehme dann mit Ceadda die nächste", entscheidet Mirko und es dauert ein paar Sekunden, bis mir etwas bewusst wird. Ich werde mit Lavea die letzte Wache übernehmen. Auch in Lavea's Gesicht kann ich erkennen, dass ihr der Gedanke nicht unbedingt gefällt. Doch weder sie noch ich wagen es, irgendwas zu erwidern.

„Dann sollten wir jetzt aber auch schlafen, damit wir morgen völlig ausgeruht sind", beschließt Ceadda. Nach einigen Minuten hat jeder etwas gegessen und es kehrt langsam Ruhe ein. Zwar ist die Matte nicht sonderlich gemütlich, doch immer noch besser als der direkten Boden. Während ich so daliege und mich in den Schlafsack kuschel, höre ich, wie Ace und Isabella miteinander flüstern, doch kann kein Wort verstehen. Ab und zu höre ich, wie die Blätter im Wind rascheln oder das Knacken von Zweigen. Während ich so den Geräuschen lausche, merke ich, wie meine Augenlider immer schwerer werden, bis sie schlussendlich zu fallen, und ich einschlafe.

Mitten in der Nacht wache ich langsam auf und, noch bevor ich die Augen geöffnet habe, höre ich die lauten Stimmen, die mich höchstwahrscheinlich geweckt haben.

„Wer ist sie?" Nach einigen Sekunden ordne ich die Stimme Mirko zu, was wahrscheinlich bedeutet, dass er mit Ceadda redet. Diese Vermutung bestätigt sich, als nach einigen Sekunden eine andere, mir bekannte Stimme ertönt.

„Ihr Name ist Adriana und sie ist eine Alpha von der Erde." Ich kneife die Augen zusammen, damit sie bloß nicht merken, dass ich wach bin. Vielleicht erfahre ich somit ein bisschen mehr über diese mysteriöse Wahrheit, die Ceadda mir verschweigt.

„Und?" Mirko scheint noch mehr zu erwarten und ich höre, wie Ceadda seufzt.

„Sie ist mutig und hat einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Sie hat sich schon mehr als einmal gegen meine Mutter gestellt, so dass eigentlich ein Wunder ist, dass sie noch lebt. Beim ersten Mal musste sie in einem Duell gegen mich antreten, beim zweiten Mal bist du genau im richtigen Moment dazugekommen."

„Soll ich raten? Du wolltest sie nicht in dem Duell töten?"

„Genau. Ich hatte ihr erst angeboten, dass sie mich schlägt, in dem ich mich nicht wirklich wehre, aber diesen Vorschlag hat sie abgelehnt, also habe ich aufgegeben. Doch Lavea will der Wahrheit einfach nicht zustimmen. Selbst du hast es ja scheinbar gemerkt."

"Die Ähnlichkeit ist wirklich erstaunlich, aber wieso sollte sie die Wahrheit verbergen? Sie kennt uns schließlich alle. Hast du sie denn schon gefragt?"

„Sie hat ein Gespräch zwischen Lavea und mir belauscht, wo wir uns darüber unterhalten haben. Später hat sie mich darauf angesprochen, aber hat so getan, als wüsste sie nicht, worüber ich sprechen würde." Mittlerweile ist mir klar, dass die beiden über mich reden, doch statt Antworten, tun sich nur noch mehr Fragen auf. Wieso sollte ich sie alle kennen und was verberge ich? Ich bin fast dazu geneigt, aufzustehen, und sie dazu zu zwingen, endlich mal Klartext zu reden. Doch ich bin mir sicher, dass ich wieder keine ordentliche Antwort bekommen werde.

„Wir sollten so langsam mal die anderen beiden wecken und hoffen, dass sie sich nicht gegenseitig umbringen werden", meint Ceadda auf einmal, „Könntest du bitte Lavea übernehmen? Wir haben momentan ein paar Familienprobleme." Diesmal höre ich keine Antwort von Mirko und nach einigen Sekunden spüre ich, wie sich jemand neben mir hinkniet.

„Wach auf, Adriana." Ceadda rüttelt an meiner Schulter und ich bewege mich langsam. Vorsichtig richte ich mich auf und blicke mich ein bisschen orientierungslos in der Gegend um, schließlich habe ich bis grade noch geschlafen.

„Was ist?" Meine Stimme klingt zwar schon ein bisschen wacher, aber Ceadda scheint es nicht wirklich aufzufallen.

„Ihr seid jetzt dran, mit Wache halten." Ich nicke einfach nur und mein Blick fällt auf Lavea, die hingegen noch ziemlich verschlafen aussieht. „Bringt euch nicht um", flüstert Ceadda mir noch zu, so leise, dass nur ich ihn verstehe.

„Bei mir brauchst du dir keine Sorgen machen, da musst du mir deiner Mutter reden", erwidere ich und sehe in Lavea's Richtung. Diese mustert mich argwöhnisch und ich verziehe meine Lippen zu einem Lächeln. Ich kann es kaum erwarten, bis diese Schicht endlich vorbei ist. Doch erstaunlicherweise wirft Lavea mir nur ab und zu wütenden Blicke zu, fängt jedoch kein Gespräch mit mir an. So bleiben wir die ganze Zeit über schweigend sitzen und als schließlich die Sonne aufgeht, wecken wir die anderen. Somit setzen wir nach einigen Minuten unseren Weg fort und langsam bahnt sich in mir die Hoffnung an, dass ich das alles überleben werde.

Der schwarze BetaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt