Phileas
„Warte. Du bist der Celio? Der Mate von Esperanza? Der Beta des weißen Rudels?" Alissa ist die erste von uns, die nach einigen Sekunden Stille das ausspricht, was wir uns alle denken. Celio entfährt ein Lachen, aber wahrscheinlich sehen unsere Gesichtsausdrücke auch einfach viel zu komisch aus.
„Ja, genau, der bin ich." Langsam wache ich aus meiner Starre aus und wendet zum ersten Mal den Blick von ihm ab. Allerdings landet dieser danach bei Newt und Delfina, was eigentlich nicht weiter schlimm wäre. Doch als ich bemerke, dass die beiden Händchenhalten zucke ich zusammen. Augenblicklich kommt mir wieder der Gedanke, ob die beiden Mates sein könnten. Aber hätten sie mir das nicht gesagt?
„Aber, wie kann das sein? Wie kannst du ein schwarzer Werwolf sein?", lenkt Scott wieder meine Aufmerksamkeit auf das eigentliche Geschehen.
„Ich bin nicht nur ein schwarzer Werwolf. Ich bin der erste gewesen. Und wie das sein kann, ist ganz einfach. Man wird zum schwarzen Werwolf, sobald man gegen seinen tiefsten Grundsatz verbricht. In meinem Fall bedeutet das, dass ich jemanden umgebracht habe." Erstaunt starre ich ihn an, überrascht darüber, dass er es uns einfach so erzählt. Mittlerweile habe ich in diesem Gespräch mehr über die schwarzen Werwölfe erfahren, als ich bisher wusste.
„Was ist damals genau passiert, als Esperanza gestorben ist?", stellt Niklas die nächste Frage. Laut der Legende ist Celio schließlich kurz vor Esperanza's Tod verschwunden.
„Ich bin alleine unterwegs gewesen und sollte Beeren sammeln. Zu der Zeit lebten wir noch auf der Erde und sind vor Menschen auf der Jagd gewesen. Ich weiß bis heute nicht, woher sie wussten, dass ich ein Werwolf bin, doch auf einmal stand ich dort, umzingelt von Menschen, die ihre Waffen auf mich richteten. Ich habe damals versucht, sie zu beschwichtigen, schließlich wollte ich ihnen nichts tun. Doch sie hörten mir gar nicht zu. Stattdessen griffen sie mich an. Also musste ich mich wehren und in diesem Moment brach irgendeine Sicherung in mir durch." Celio legt eine kurze Pause ein und sieht nachdenklich zu Boden.
Auch ohne ihn zu kennen, spüre ich, wie sehr ihn das alles bedrückt.
„Ich habe jeden Einzelnen von ihnen getötet." Überrascht reiße ich die Augen auf und starre ihn einfach nur an.
„Was ist danach passiert?", öffne ich zum ersten Mal den Mund und sehe ihn zögernd an. Zwar kann ich es mir schon fast denken, doch möchte es trotzdem noch einmal von ihm hören.
„Was wohl? Ich bin zu einem schwarzen Wolf mutiert. Ihr müsst wissen, dass schwarze Werwölfe sogenannte Anfälle haben. In denen können wir uns nicht erinnern, wer wir sind, noch irgendwas anderes. In solchen Moment wollen wir einfach nur töten. Und das tun wir auch, egal wer uns in die Quere kommt. Leider hat Esperanza gespürt, dass mit mir etwas nicht stimmte und wollte mich suchen gehen. So war sie die erste, auf die ich getroffen bin, als ich meinen ersten Anfall gehabt habe und dafür musste sie mit ihrem Leben zahlen." Zum Ende hin wird er immer leiser und sieht betreten zu Boden.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Mate vor den eigenen Augen stirbt. Wenn man förmlich Mitansehen kann, wie die eine Hälfte des eigenen Herzens aufhört zu schlagen. Doch ich kann mir bei weitem nicht vorstellen, wie es erst sein muss, wenn man selber dafür verantwortlich ist. Mit diesem Gedanken zu leben, muss schrecklich sein.
„Das ist ..." Scott spricht seinen Satz nicht zu Ende, was ich auch mehr als verstehen kann. Auch er weiß, wie es ist, wenn die Mate stirbt und wahrscheinlich ist auch ihm klar, dass ein einfaches „Es tut mir Leid" Celio in diesem Fall nicht helfen wird. Wahrscheinlich gibt es sogar in seinem Fall gar keine Worte, die auch nur ausdrücken können, wie er sich fühlt oder wie wir uns fühlen, weil wir ansatzweise verstehen können, wie er sich fühlt.
„Was ist danach passiert?", fragt Alissa nach einigen Sekunden weiter. Auch, wenn es für Celio schwer sein muss, dass alles zu erzählen, so kann er wahrscheinlich verstehen, dass jeder von uns darauf brennt, die volle Wahrheit zu erfahren.
„Ich bin verschwunden. Wie hätte ich auch so meinen und Esperanzas Freunden unter die Augen treten können. Sie hätten mich wahrscheinlich verabscheut, ausgeschlossen, wenn nicht sogar getötet. Ich habe meine eigene Mate umgebracht, ich bin ein Monster. Trotzdem konnte ich mich nicht selber umbringen. Wahrscheinlich hätte ich das schon längst getan, wäre da nicht immer diese Stimme in mir drin gewesen, die mir gesagt hätte, dass ich die Welt retten soll. Ich wollte verhindern, dass noch mal so etwas geschieht, dass noch mehr Leute zu unfreiwilligen Mördern werden. Ich habe wirklich alles probiert und dann habe ich eine Vision von Luna bekommen. Selbst, wenn wir als ihre besonderen Kinder gelten, so hat sie zu uns doch genauso viel Kontakt, wie zu jedem anderen, normalen Werwolf.
Sie erzählte mir von der schwarzen Blume und wie ich sie zerstören könnte. In diesem Moment habe ich zum ersten Mal seit langer Zeit Hoffnung geschöpft. Ich nahm mir vor, wieder zu meinen Freunden zurückzukehren, mich mit ihnen zu versöhnen und sie um das Blut zu bitten. Allerdings wollte ich zu allererst, die Blume finden. Denn wenn ich sie nicht finden könnte, wäre alles umsonst gewesen. Fortan verbrachte ich die Zeit, in der ich mich nicht einem Anfall befand, hier im Schloss. Ich durchsuchte jeden Gang, jeden Raum. Allerdings habe ich rein gar nichts gefunden. Hat von euch jemand Erfolg gehabt?" Er blickt fragend in die Runde.
„Vielleicht sollten wir jetzt noch etwas erzählen. Meine Mutter ist uns erschienen. Sie ist eigentlich tot, aber Luna hat ihr wohl ein bisschen Zeit gegeben. Sie ist diejenige, die uns gesagt hat, dass wir euch helfen müssen und uns hierher geführt hat. Sie meinte auch, dass Adriana die Blume gefunden hätte", erzählt Alissa uns ausführlich und ich atme erleichtert auf. Wenn Adriana die Blume gefunden hat, dann haben wir es geschafft. Auch auf den Gesichtern der Anderen taucht ein Lächeln auf. Doch mit einem Mal verdunkelt sich Niklas' Miene.
„Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber sprach deine Mutter nicht auch von mehreren Werwölfen, die sich hier im Schloss befinden?" Mit einem Mal erstarrt das Lächeln auf dem Gesicht von Alissa und sie braucht gar nicht erst zu antworten, damit uns allen klar ist, ob es stimmt oder nicht. Mein Blick schweift zu Celio, der die Augen geschlossen hält und ganz ruhig atmet.
„Celio, alles in Ordnung?", erkundige ich mich leicht besorgt, doch er antwortet nicht. Erst nach einigen Sekunden, als alle Blicke auf ihn gerichtet sind, öffnet er wieder die Augen.
„Es ist seltsam. Als erster der schwarzen Werwölfe bin ich so etwas wir ihr Anführer. Ich kann spüren, wo sie sind, in Gedanken mit ihnen kommunizieren und sie bis zu einem gewissen Grad befehligen. Im Schloss spüre ich die Präsenzen von zwei weiteren schwarzen Werwölfen. Die eine kenne ich. Er ist noch nicht sehr lange ein schwarzer Werwolf und scheint ungefähr in eurem Alter zu sein." Er blickt fragend in die Runde, als wüssten wir, von wem er spricht. Eine Vermutung macht sich in mir breit und ich schüttel eilig den Kopf.
„Kilian", spricht Newt doch noch aus, was wir alle denken.
„Die andere Präsenz kenne ich hingegen nicht", fährt Celio fort, „es scheint fast so, als sei sie erst seit gerade eben ein schwarzer Werwolf, so aufgewühlt wie sie ist." Eine unheimliche Stille macht sich breit, während jeder seinen eigenen Gedanken nachhängt.
„Was ist, wenn sowohl Kilian, als auch Adriana nun schwarze Wölfe sind? Wer soll nun die Blume zerstören?", stellt Scott wahrscheinlich die Fragen, die uns alle beschäftigen.
Was sagt ihr zu dem, was sie alles erfahren haben?

DU LIEST GERADE
Der schwarze Beta
Werewolf2. Teil von "Die weiße Alpha" (direkte Fortsetzung) Adriana wollte eigentlich allem, was passiert war, den Rücken zukehren. Aber dann bekommt sie unerwarteten Besuch und mit ihren Freunden begibt sie sich auf eine Reise, um die schwarzen Wölfe zu be...