8. Kapitel

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Scott

„Wie lange brauchen wir denn noch?" Mein Blick wandert zu Niklas, der ungeduldig neben mir läuft und sich von Meter zu Meter unwohler fühlt.

„Nicht mehr lange. Aber du bist selbst Schuld, schließlich wolltest du mit." Das Mädchen namens Alissa wirft meinem Freund einen bösen Blick zu, wobei ich die leichte Vermutung habe, dass sie ihn nicht sonderlich leiden kann.

Im Gegensatz zu Niklas fühle ich mich hier alles andere unwohl, stattdessen strahlt der Wald für mich Sicherheit und Geborgenheit aus, auf der anderen Seite kann ich seine Ungeduld aber auch mehr als nur nachvollziehen.

Wir kommen alles andere als schnell voran und mussten jetzt zwischendurch schon unser Nachtlager aufschlagen, weil sie meinte, dass es besser wäre. Ich hätte aber beim besten Willen nicht sagen können, ob es wirklich Nacht gewesen ist, da durch die Blätter der dichtstehenden Bäume kein einziger Sonnenstrahl dringt.

Das und die Tatsache, dass der Schnee hier bis zu den Knöcheln geht, tragen nicht dazu bei, dass mir sonderlich warm ist, wobei sich dann wieder die Frage stellt, wieso die Blätter noch nicht zu Boden gefallen sind.

Aber ich traue mich auch nicht wirklich, Alissa danach zu fragen, die uns schweigend vorausgeht. Nach wenigen Minuten kann ich endlich durch die Bäume ein kleines Dorf erkennen, dass von dem Wald mehr als gut versteckt wird und als wir das Dorf erreichen, komme ich aus dem Staunen nicht mehr raus.

Die Gebäude sehen fast so aus, als ob sie mit den Bäumen verwachsen werden und nicht selten kann ich in den hohen Baumkronen Menschen oder gar kleine Häuser erkennen. Alles in allem sieht es aus, als ob es einem Fantasyfilm entsprungen wäre, fehlen nur noch Kobolde und kleine Elfen, die uns jetzt begrüßen.

„Willkommen in meinem Rudel." Alissa streckt die Arme aus und zum ersten Mal sehe ich ein Lächeln auf ihren Lippen, wobei mir klar ist, dass das mehr an mich, als Niklas gerichtet ist, doch gleichzeitig merke ich, wie auch ich lächeln muss. „Kommt mit. Ich bringe euch zu meiner Alpha." So schnell, wie das schwache Lächeln gekommen ist, so schnell ist es auch wieder verschwunden und mit einer Handbewegung deutet sie uns ihr zu folgen.

Mit einem Seitenblick zu Niklas muss ich amüsiert feststellen, dass ihn dieses Dorf auch nicht kalt lässt. Mit offenem Mund mustert er alles akribisch genau. Schließlich erreichen wir eine kleine Hütte, die sich auf unbekannte Weise von den anderen abhebt und mit einem Mal wird mir klar, dass das, das Alphahaus ist.

Doch noch bevor Alissa anklopfen kann, öffnet sich die Tür auf wunderliche Weise und wir betreten durch den Flur ein kleines Wohnzimmer. Die Wände sind mit bunten Tüchern behangen und der Boden ist mit Pflanzen jeder Größe vollgestellt, womit der ganze Raum fast so unordentlich, wie das Haus von Niklas wirkt.

„Ah, ich habe euch schon erwartet. Es freut mich euch beide kennen zu lernen, Niklas und Scott." Aus einer anderen Tür kommt eine Frau heraus, die uns überschwänglich begrüßt. Auch sie ist in bunte Farben gehüllt und ihre Kleidung erinnert mich an die, von indischen Frauen. „Kommt, setzen wir uns an den Tisch, ich bin schon so aufgeregt." Widerwillig zieht sie uns zu einem Tisch mit, an dem wir uns niederlassen. „Also, wer von euch ist der Heiler?" Erwartend sieht sie uns an und während ich mir nervös auf der Lippe beiße, wird Niklas immer verwirrter.

„Von uns ist keiner ein Hei..."

„Ich! Ich bin der Heiler." Niklas' erstaunter Blick wandert zu mir, nachdem ich ihn unterbrochen habe und auf den Lippen der Frau taucht ein Lächeln auf, ehe ihr Blick zu meinem Handgelenk wandert.

„Oh ein Wechselnder! Wie schön. Alissa ist auch eine, aber euch gibt es immer so selten." Nebenbei deutet sie hinter sich, wo Alissa sich mittlerweile an die Wand gelehnt hat und uns kritisch beobachtet.

„Ein Wechselnder?" Jetzt verstehe auch ich nichts mehr, während ein Lächeln Alissa's Lippen umspielt.

„Als ihr durch das Portal getreten seid, habt ihr eine Erinnerung wiedererlebt, die euch ausmacht. Meistens müsst ihr euch dabei für einen Beruf entscheiden. Je nachdem, für welchen Beruf ihr euch entschieden habt, kommt ihr bei dem jeweiligen Portal heraus. Diejenigen, die sich bei dieser Erinnerung anders entscheiden, als sie es damals in ihrem Leben getan haben, werden Wechselnde genannt. So wie wir beide." Anscheinend bin ich ihr jetzt um einiges sympathischer, seitdem sie es weiß.

„Also sind unsere Freunde einfach bei anderen Portalen rausgekommen, weil sie andere Berufe haben?" Niklas sieht die Frau fragend an, während mein Blick immer noch auf Alissa liegt.

„Ganz genau. Ich kann euch helfen, wenn ihr eure Freunde wieder sehen wollt, aber viel wichtiger vorher, weswegen seid ihr überhaupt hier?" Fragend sieht Niklas mich an, doch bevor ich ihr ganz vertraue, kommt mir noch eine Idee.

„Bevor wir Ihnen von uns erzählen, fände ich es schön, wenn Sie uns auch etwas von sich erzählen. Schließlich kennen wir noch nicht mal ihren Namen." Auf den Lippen der Frau taucht ein Lächeln auf und sie neigt leicht den Kopf.

„Ich bitte um Entschuldigung. Mein Name ist Damara."

„Damara, wie eine-der-ersten-weißen-Wölfe-Damara." Fassungslos sieht Niklas unsere Gastgeberin an.

„Ganz genau, die bin ich." Das Ganze scheint sie sehr zu amüsieren und genau wie Niklas starre ich sie mit offenem Mund an. „Aber ich bin nicht die einzige, des ersten weißen Rudels. In dieser Welt gibt es zwölf, eigentlich dreizehn Territorien, wobei nur zehn von ihnen bewohnt werden. Jeder Alpha eines Rudels ist einer der ersten weißen Wölfe."

„Aber es können nur zehn bewohnt werden, weil Esperanza tot ist und Celio verschwunden." Auf die Aussage von Niklas nickt Damara, wobei er scheinbar genau ins Schwarze getroffen hat.

„Jetzt zu euch. Erzählt mir eure Geschichte, wieso ihr hier seid." Erwartend sieht die Alpha uns an.

„Es werden immer mehr Rudel auf der Erde von sogenannten schwarzen Wölfen angegriffen. In einem Buch stand, in dieser Welt gäbe es etwas, was sie besiegen könnte. Deswegen sind wir zu acht los. Aber durch das Portal sind wir getrennt worden." Als ich meine Erzählung beende, verhärtet sich der Gesichtsausdruck von Damara.

„Alissa, kannst du das bestätigen?" Auf einmal scheint die Frau mehr als nur nervös, fast sogar ängstlich, während sie das Mädchen eindringlich ansieht, die leicht den Kopf senkt.

„Ein paar Botschafter erzählten von Kämpfen zwischen Werwölfen auf der Erde und von schwarzen Wölfen. Es gibt viele Werwölfe, die eine schwarze Fellfarbe haben und vielleicht hat man sich ja mit den roten Augen geirrt. Aus diesem Grund hielt ich das Meiste nur für ein Hirngespinst und wollte euch nicht beunruhigen." Alissa's Stimme zittert leicht, als ob sie Angst vor der Reaktion ihrer Alpha hätte.

Mit Schwung steht die Frau uns gegenüber auf und läuft im Raum hin und her, wie ein Raubtier in einem Käfig. „Das ist alles höchst unerfreulich. Es gibt jetzt so viel zu tun. Wir müssen die anderen Rudel informieren, am besten berufen wir ein Treffen ein. Und wir müssen uns auf einen Krieg vorbereiten. Alissa informiere den Rat und ..."

„Alpha, es ist noch etwas passiert." Auf die Unterbrechung von Alissa guckt die Alpha sie erstaunt an und bleibt stehen. „Die Spitze des Schlosses hat angefangen zu leuchten."

„Das ist unmöglich. Es geht nicht." Als hätte sie mit einem Mal keine Kraft mehr, lässt die Frau sich wieder auf den Stuhl fallen und starrt mit leerem Blick auf den Boden.

„Was bedeutet es denn? Also, wenn die Spitze anfängt zu leuchten?" Auf Niklas' Frage hin, richtet die Alpha ihren Blick wieder auf ihn.

„Es bedeutet, dass alle zwölf Alpha in der kalten Welt versammelt sind."

Der schwarze BetaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt