54. Kapitel

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Adriana

Während wir den Gang durchqueren, wagt es keiner von uns, die Stille zu durchbrechen. Ich bleibe vor allem still, da ich einfach nicht weiß, was ich ihm sagen soll. Ich werfe ihm einen kurzen Seitenblick zu, doch richte meinen Blick direkt wieder auf den Gang vor uns. Schmerzlich erinnere ich mich an meinen Zusammenbruch in Kanada, wo ich gedacht habe, er wäre nach Kanada gekommen.

„Wieso bist du damals wieder nach Kanada?", spricht er genau das Thema an, das ich versuche, zu vermeiden. Ich spüre, wie er anfängt, mich anzustarren, doch konzentriere mich einfach weiter auf den Gang.

„Ich wollte nicht, dass du dich zwischen dem Rudel deines Vaters und meinem Rudel, zwischen mir und deinem Vater entscheiden musst. Denn darauf wäre es wahrscheinlich hinausgelaufen", antworte ich ihm erst nach einigen Sekunden und erwidere seinen Blick.

„Aber wieso? Hast du Angst gehabt, dass ich mich gegen dich entscheide?" Er sieht mich fragend an und ich schüttel mich den Kopf.

„Das ist es nicht, aber ich wollte nicht, dass du dich zwischen uns entscheiden musst. Ich bin selber ohne Familie aufgewachsen, erst bei euch und dann in Kanada. Selbst, wenn es immer wieder Leute gegeben hat, die für mich da gewesen sind, wann immer ich sie gebraucht habe, so habe ich doch überall gefühlt, dass ich nicht wirklich dazugehöre. Ich habe in Kanada gehört, was die Leute über mich geredet haben. Ich wäre nicht seine richtige Tochter und würde all das nicht verdienen. Es hat seine Zeit gebraucht, bis ich mich ihnen gegenüber beweisen konnte. Ich habe Angst gehabt, dass du dich gerade für mich entscheidest und somit deine letzte richtige Familie hinter dir lässt. Denn glaub mir, Familie ist das Wertvollste, was du auf der ganzen Welt haben kannst." Während ich rede, halte ich den Augenkontakt zu ihm fast durchgehend und sehe nur ab und zu nach vorne, um zu sehen, wo wir hinlaufen. Als ich ende, ist Kilian für einen kurzen Moment still, scheinbar weiß er nicht, was er nun sagen soll. Doch bevor er etwas sagen kann, landen wir an einer Kreuzung. Ratlos bleiben wir stehen und ich sehe mir jeden Gang genau an.

„Scheint, als müssten wir uns jetzt entscheiden?" Ich werfe ihm einen fragenden Blick zu.

„Lass uns einfach gerade aus weitergehen", meint er einfach nur nachdenklich. Gemeinsam setzen wir unseren Weg fort und als wir schließlich um eine Ecke biegen, bleibt mir der Atem stehen. Die Wände des Ganges werden von Gemälden geziert, die eindrucksvoller nicht hätten sein können. Überrascht bleibe ich vor dem ersten Gemälde stehen und blicke der Frau in ihre strahlenden Augen. Während ihre langen, weißen Haare ihr Gesicht umrahmen, lächelt sie, als wäre sie der glücklichste Mensch auf der Welt. Mein Blick wandert zu dem kleinen Schild unter dem Bild, auf dem ich mehrere Worte erkenne.

„Esperanza, die Gerechte", liest Kilian leise vor und meine Augen wandern wieder zu der jungen Frau. Das ist Esperanza? Als ich meinen Blick wieder von dem Gemälde abwende, merke ich den verwirrten Blick von Kilian auf mir.

„Ist irgendwas?" Ich sehe ihn fragend an, doch er schüttelt einfach nur hastig den Kopf. Daraufhin richte ich meine Aufmerksamkeit auf das nächste Bild zu unserer Linken. Diesmal ist ein Mann abgebildet, den ich sofort wiedererkenne.

„Ist das nicht der Alpha, der mit Phileas gekommen ist? Thore?" Erst nach einigen Sekunden nickt Kilian auf meine Frage und auch der Blick auf das kleine Schild unter dem Bild bestätigt meine Aussage. Also lasse ich meinen Blick über die restlichen Gemälde gleiten und meine Vermutung bestätigt sich.

„Hier hängt jeder der weißen Wölfe. Und auch nur sie. Es sind genau zwölf Bilder" erkläre ich Kilian, der seine Aufmerksamkeit auf das nächste Bild richtet.

„Glaubst du, Luna meinte diesen Gang hier, als sie sagte, die weißen Wölfe werden dich führen?" 

„Das ist eine Idee. Und wenn es nicht so ist, weiß ich auch nicht weiter." Kilian wendet sich von dem Bild, auf dem Lavea abgebildet ist ab und schenkt mir ein kurzes Lächeln.

Der schwarze BetaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt