34. Kapitel

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Scott

„Scott, Alissa, kommt mal bitte her", reißt die Stimme von Damara mich aus dieser unangenehmen Situation. Erleichtert drehe ich mich um und kehre wieder zu den anderen zurück. Alissa folgt mir nach einigem Zögern, wahrscheinlich hat sie auf ein paar Antworten gehofft. Aber ich bin mir nicht ganz so sicher, ob sie diese Antworten wirklich haben will. Als wir die anderen erreichen, lassen wir uns zwischen ihnen nieder, wobei ich mir sicher bin, dass Alissa nicht unabsichtlich einen Platz von mir entfernt gewählt hat. Damara runzelt bei dem Ganzen die Stirn, verkneift sich dann jedoch ein Kommentar.

„Wir setzen unseren Weg nun fort und wollen bei Cheryl vorbeisehen, schließlich liegt ihr Rudel auf unserem Weg. Aber vorher möchte ich dir noch einen Vorschlag machen, Ben." Überrascht blickt er auf, als er seinen Namen vernimmt und wirft sowohl Damara, als auch Nikita fragende Blicke zu.

„Was denn?" Scheinbar hat er selber keiner Ahnung, was ihn nun erwartet.

„Ich kenne eine Möglichkeit, wie wir deine Beine wieder heilen könnte. Du würdest mich und Alissa dann eben begleiten und wir würden später wieder zu den anderen stoßen." Bei dem Gedanken daran, seine Beine wieder zu bewegen, leuchten seine Augen wieder auf und wahrscheinlich kann ich mir nur ansatzweise vorstellen, wie er sich jetzt fühlt.

„Das wäre ... einfach unglaublich. Mir fehlen die Worte." Sprachlos blickt Ben von Nikita zu Damara und wieder zurück und kann dabei noch nicht so ganz fassen, was gerade passiert. „Ist das wirklich möglich?"

„Ja, das ist es. Ihr habt jeder viel euch aufgenommen, um jetzt hier zu sein. Ihr musstet eure Freunde und Familie verlassen, weil ihr etwas Größeres tun wollt. Wärt ihr nicht gewesen, ich bin mir nicht sicher, wann wir die Gefahr, die von den schwarzen Wölfen ausgeht, zum ersten Mal ernst genommen hätten. Das ist das Mindeste, wie wir uns bei euch bedanken können." Langsam bilden sich in Ben's Augen Tränen, die er sich aber wieder hastig wegwischt.

„Ich glaube, damit ist es entschieden. Niklas oder Scott, es wäre gut, wenn einer von euch Ben sein Pferd leihen würde. Wir kommen nun sowieso nicht sonderlich schnell voran, aber so können wir es zumindest einigermaßen schaffen fast gleichzeitig bei Cheryl anzukommen", bittet Nikita uns. Nach kurzem Zögern nicke ich und werfe Ben ein Lächeln zu.

„Du kannst mein Pferd haben", schlage ich ihm mit einem Lächeln vor und er nimmt das Angebot mit einem Nicken an.

„Gut, dann sollten wir jetzt aber auch unseren Weg fortsetzen. Aurelio, hilfst du Ben auf das Pferd? Ich glaube, den Rollstuhl wirst du nicht mehr brauchen, also können wir ihn erstmal hierlassen. Er wäre sowieso eine Last", beschließt Nikita und gemeinsam bereiten wir alles für den Aufbruch vor. Schließlich ist es soweit, dass Alissa, Damara und Ben auf den Pferden sitzen und mit ein paar letzten Worten verabschieden sie sich von uns, ehe sie in die andere Richtung reiten. Ich sehe Alissa noch ein paar Sekunden hinterher und erst als ich wirklich bemerke, was ich tue, schüttel ich den Kopf. Ich muss endlich bei meinen Entscheidungen bleiben und sowohl für mich, als auch für Alissa wäre es besser, wenn es zwischen uns wie gute Freunde bleibt.

„Ich habe es bemerkt." Niklas stößt mir seinen Ellbogen leicht in die Seite und ich kann das Lächeln auf meinen Lippen nicht verhindern.

„Es ist gut so, wie es ist. Denk gar nicht erst daran, dich irgendwie einzumischen." Ich werfe ihm einen mahnenden Blick zu und er senkt den Blick.

„Ich überlege es mir", nuschelt er und ich kann ein Lachen nicht unterdrücken. Das ist halt einfach Niklas.

„Kommt, wir sollten uns aber auch auf den Weg machen", reißt Nikita uns aus unserem Gespräch und gemeinsam setzen wir unsere Reise mit einem Ziel fort. Während wir gehen, sprechen wir eigentlich recht wenig. Nikita unterhält sich mit dem Typen, der scheinbar Aurelio heißt, und ihre zwei anderen Begleiter unterhalten sich noch leise. Kilian, Newt, Niklas und ich hingegen gehen hinter ihnen schweigen eigentlich nur.

„Ihr wisst nicht zufällig etwas von Adriana, oder?" Kilian wirft uns einen hoffnungsvollen Blick zu und erst jetzt fällt mir ein, wie schlimm es für ihn sein muss. Schließlich ist er nun schon länger von seiner Mate getrennt und hat nicht mal den Hauch einer Ahnung, was mit ihr sein könnte oder wie es ihr geht.

„Nein, tut mir leid, wir haben nichts von ihr gehört", antworte ich ihm, ehe ich mich an Niklas wende, „Kilian ist übrigens der Mate von Adriana." Die Lippen meines Freundes verziehen sich zu einem Lächeln, wahrscheinlich stellt er sich die beiden zusammen vor.

„Sie passen eindeutig zusammen, soweit wie ich es beurteilen kann", flüstert er mir zu und ich laut auf.

„Ja, das stimmt allerdings."

„Worüber redet ihr?" Kilian wirft uns fragende Blicke zu, scheinbar heißt er es nicht sonderlich willkommen, dass er nicht weiß, worüber wir reden.

„Ach, ist nicht so wichtig."

Mit einem Murren wendet sich von uns ab und wir setzen unseren Weg fort, wobei Niklas und ich immer wieder ein paar belustigende Blicke austauschen. Schließlich kann ich irgendwann durch die Bäume ein paar Häuser erkennen und nur wenige Minuten später erreichen wir eine Lichtung, in deren Mitte ein See liegt. Um diesen See ist ein Dorf gebaut, wahrscheinlich das Rudel von Cheryl.

„Nikita!" Freudig kommt eine Frau auf uns zu gelaufen und rennt die Angesprochene fast um.

„Cheryl. Lange nicht gesehen. Wie geht es dir so?", erkundigt sich die Alpha ein bisschen zurückhaltend und auf Cheryl's Lippen taucht ein Lächeln auf.

„Mir geht es wunderbar. Und wie geht es dir? Wen hast du überhaupt alles mitgebracht?" Misstrauisch mustert sie uns dabei und ich schlucke. Ihr Augen scheinen jede Kleinigkeit wahrzunehmen.

„Das sind Niklas, Newt, Kilian und Scott. Sie gehören zu den Jugendlichen von der Erde", stellt sie uns der Reihe nach vor und deutet dabei abwechselnd auf uns. Cheryl hebt den Kopf, ehe sie sich umdreht und davon stolziert.

„Kommt mit. Wie lange gedenkt ihr zu bleiben?" Vom Charakter her scheint sie in diesem Moment eine einzige 180 Grad Wendung gemacht zu haben und ich erkenne, wie Nikita mit den Augen rollt.

„Damara muss eben was erledigen, danach wollte sie auch hierhin kommen. Wir haben keine Ahnung, wie lange es dauert, aber sobald sie hier ist, wollten wir, wenn möglich, weitergehen. Du kannst uns ja begleiten."

„Nein, danke. Ich werde nicht beim Alphatreffen erscheinen. Das ist doch alles Humbug."

„Alles Humbug?" Fassungslos sehe ich sie an und kann die Worte nicht mehr zurückhalten. Mit Schwung dreht Cheryl sich zu mir und blickt mich mit ihren braunen Augen streng an. „Ich habe die Wölfe am eigenen Leib gesehen. Ich habe miterlebt, wie sie meine Mate getötet haben. Und Sie behaupten, das wäre alles Humbug?"

„So habe ich das nicht gemeint. Die schwarzen Wölfe gibt es schon, aber es gibt kein Mittel gegen sie. Wir können einfach nur hierbleiben und abwarten. Sie können doch sowieso nicht in diese Welt, also mache ich mir da keine Sorgen", korrigiert sie mich.

„Da muss ich dir jetzt aber widersprechen. Irgendwie sind sie hier in diese Welt gekommen. Mein Rudel ist von ihnen ausgelöscht worden. Nur meine drei Begleiter und ich haben überlebt." In Nikita's Stimme kann ich den Schmerz sofort erkennen, wobei ich mir nicht vorstellen kann, wie sie sich fühlen muss.

„Und es gibt ein Mittel", mischt sich nun auch Niklas in das Gespräch ein, „eine Freundin von mir, Alissa, hat eine Vision von Luna bekommen, dass man eine Blume im Schloss mit dem Blut aller Alphas beträufeln muss. Es gibt selbst eine Möglichkeit an das Blut von Esperanza und Celio zu kommen. Aber Ihr Blut brauchen wir auch und deswegen müssen Sie mit uns kommen." Nun steht es wir drei gegen sie. Die umstehenden Leute beobachten uns aufmerksam. Wahrscheinlich kommt es nicht jeden Tag vor, dass sich jemand gegen ihre Alpha stellt. Cheryl seufzt laut auf.

„Na gut, wenn ich euch mein Blut gebe und euch so lange hier rasten lasse, wie ihr wollt, lasst ihr mich dann aber auch hier in Ruhe zurück?" Gerade als ich etwas anderes erwidern will, nickt Nikita mit einem Lächeln auf den Lippen und wir setzen unseren Weg fort. „In diesem Haus könnt ihr rasten. Der Kühlschrank sollte einigermaßen voll sein." Bei diesen Worten deutet Cheryl auf das Haus, vor dem wir stehen geblieben sind, ehe sie sich umdreht und davon geht.

„Zu mehr hätten wir sie sowieso nicht bekommen", rechtfertigt Nikita nun ihre Zustimmung zu Cheryl's Vorschlag. „Sie kann ab und zu ein bisschen schwierig sein und wir sollten uns damit abfinden." Mit diesen Worten öffnet Nikita die Haustüre und betritt die Hütte. Wir folgen ihr nacheinander. Jetzt können wir nur noch darauf warten, dass die anderen wiederkommen.

Der schwarze BetaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt